„Digital aufgestellte Unternehmen sind im Vorteil.“

NEW BUSINESS - NR. 9, NOVEMBER 2020
Dr. Margarete Schramböck, Bundesministerin für ­Digitalisierung und Wirtschaftsstandort © BMDW/Hartberger

NEW BUSINESS Herausgeber Lorin Polak spricht mit Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck über die Pandemie als Digitalisierungsboost und wie KMU unterstützt werden können.

Sehr geehrte Frau Dr. Schramböck, werden die Corona-Krise und ihre Nachwirkungen Ihrer Meinung nach auch einen dauerhaften Effekt auf die Digitalisierung österreichischer Unternehmen haben?
Die Corona-Krise hat den Nutzen, aber auch die Herausforderungen der Digitalisierung sichtbar gemacht. Unternehmen, die bereits vor Ausbruch der Covid-19-­Pandemie digitalisiert waren, hatten während des Lockdowns einen klaren Startvorteil. Einen nachhaltigen Digitalisierungsschub für österreichische Unternehmen wird es sicherlich insbesondere bei der Ausstattung für Homeoffice der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch beim verstärkten Angebot von des Onlinehandels geben.

In diesem Zusammenhang bedeutet Digitalisierung meistens Remote Work im Homeoffice, Video-Konferenzen und E-Commerce. Denken Sie, es wird auch positive Impulse jenseits dieser Nischen geben?
Wichtig ist es, beim Thema Digitalisierung niemanden zurückzulassen. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen über die Chancen und Risiken der digitalen Transformation Bescheid wissen und über die entsprechenden digitalen Kompetenzen verfügen. Darüber hinaus ist großer Handlungsbedarf bei der Integration digitaler Technologien wie Big Data, Cloud oder künstlicher Intelligenz gegeben.

Es gibt Beobachter, die angemerkt haben, dass die Krise auch gegenteilige Auswirkungen hat: Nämlich, dass Unternehmen so verunsichert wurden, dass sie ihre Investitionen in Digitalisierungsprojekte lieber noch zurückhalten. Sehen Sie diese Entwicklung auch und was halten Sie davon?
Um Investitionen zu mobilisieren und damit die Konjunktur zu stärken, hat die Bundesregierung im Zuge des Konjunkturpakets eine Investitionsprämie von 7 Prozent beschlossen. Im Bereich der Digitalisierung kommt eine erhöhte Prämie von 14 Prozent zum Tragen. Zudem gab es gerade ein Programm für KMU, um Investitionen im Bereich E-Commerce zu beschleunigen, denn – wie gesagt – Unternehmen, die digitaler aufgestellt waren, hatten und haben einen klaren Vorteil.

Sie würden also diesen Unternehmen trotz möglicher finanzieller Nöte raten, gerade jetzt in ihre digitale Transformation zu investieren? Worauf sollte man sich hier Ihrer Meinung nach besonders fokussieren?
Österreichische Unternehmen müssen entsprechende digitale Kompetenzen aufbauen, um die nächsten Schritte in Richtung Digitalisierung gehen zu können. Da­rüber hinaus müssen sie in digitale Technologien wie bspw. Onlineshops oder Big-Data-Anwendungen investieren. Dies ist natürlich mit finanziellen Aufwendungen verbunden. Das Wirtschaftsministerium unterstützt die KMU jedoch dabei mit zahlreichen Förderungsprogrammen wie bspw. KMU DIGITAL, Digital Pro Bootcamps, Forschungskompetenzen für die Wirtschaft oder Laura Bassi 4.0. Mit der bereits erwähnten Investitionsprämie wird zudem ein breit angelegtes Förderangebot geschaffen, um einem Investitionsstau entgegenzuwirken.

Wo können sich diese KMU jene Hilfe und Unterstützung für Digitalisierungsprojekte holen, die die meisten von ihnen dringend brauchen?
Wir wollen Österreich zu einer der führenden Digitalnationen Europas machen, dafür setze ich mich auf EU-Ebene ein, denn nur durch faire Regeln können wir sicherstellen, dass unsere digitalen Unternehmen in Europa und global an Bedeutung gewinnen. Aber auch wenn das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Digitalisierung durch die Corona-Krise gestiegen ist, so hakt es häufig in der Umsetzung der Digitalisierung und der Anpassung bestehender Geschäftsmodelle. Mit dem erfolgreichen Förderungsprogramm „KMU DIGITAL“ werden KMU auf ihrem Weg in die digitale Zukunft unterstützt. Es wird ein Anreiz für KMU geschaffen, sich über den Stand und die Möglichkeiten der Digitalisierung in ihrem Unternehmen beraten zu lassen und möglichst rasch eigene Digitalisierungsprojekte zu konzipieren, umzusetzen und in den Markt zu überführen. In den kommenden vier Jahren investiert das BMDW 20 Millionen Euro in eine Verlängerung und Neuauflage des Erfolgsprogramms KMU DIGITAL.

Sie vertreten die Meinung, dass die Produktion von Gütern wieder vermehrt in Europa bzw. Österreich selbst stattfinden soll. Wie kann man das in Zeiten von Lohn-Dumping, Globalisierung und „Geiz ist geil“-Mentalität am besten fördern bzw. möglich machen?
Die Corona-Krise zeigt, dass wir vor allem in lebenswichtigen Bereichen mehr in Europa produzieren müssen, denn wir haben hier hoch innovative Unternehmen, die in Höchstqualität und schnell produzieren. Es ist schwierig vorauszusehen, ob wir in den nächsten Jahren mit ähnlichen Krisen rechnen müssen und welche Produkte dann benötigt werden. Flexibilität der Unternehmen ist daher wichtig, um gegebenenfalls die Produktion rasch umstellen zu können. Aber natürlich braucht es in manchen Branchen ganz klar mehr originäre Produktion im Inland. Lieferengpässe im Medizin- und Pharmabereich haben uns die Bedeutung von internationalen Regeln aufgezeigt. Wir unterstützen unter anderem ein internationales Pharma-Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation. Darüber hinaus gibt es auch interessante Möglichkeiten im Rahmen von wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (ICPEI), die wir gerade auf EU-Ebene mit interessierten Mitgliedsstaaten diskutieren. Hier ist die Pharmabranche gerade vor dem Corona-Hintergrund besonders wichtig, denn es ist eine gute Möglichkeit, die Pharmaindustrie wieder stärker in Europa zu verankern. Das öffentliche Beschaffungswesen kann hier ebenfalls einen großen Beitrag leisten. In Österreich werden von Bund, Ländern, Gemeinden und öffentlichen Unternehmen jedes Jahr Güter und Dienstleistungen in Höhe von über 45 Milliarden Euro eingekauft. Hier steckt viel Potenzial, bei öffentlichen Auftragsvergaben verstärkt österreichische KMU zu berücksichtigen und damit die regionale Wirtschaft zu stärken.

Bevor Sie Bundesministerin geworden sind, waren sie an der Spitze großer Unternehmen der heimischen IKT-Branche. Wie wären Sie mit der Krise umgegangen, wenn Sie selbst noch im Chefsessel eines dieser Unternehmen gesessen wären?
Das ist schwer zu sagen, denn so eine Krise haben ja weder österreichische Politiker noch Unternehmer je zuvor erlebt. Die IKT-Branche war gut aufgestellt und wurde von der Krise deutlich weniger getroffen als viele andere Branchen. Ich würde als Unternehmerin natürlich versuchen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so weit wie möglich im Unternehmen zu halten, damit die qualifizierten Personen dem Unternehmen auch in Zukunft zur Verfügung stehen. Daher hätte ich vorrangig auf Kurzarbeit gesetzt. Wichtig wäre für mich aber sicherlich auch gewesen, im Bereich der kritischen Infrastruktur die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden zu forcieren, um Themen wie die Aufrechterhaltung dieser Infrastruktur, aber auch Datenschutz und die Bewältigung von erhöhtem Datenverkehr zu besprechen.

Daran anschließend zum Abschluss noch eine Frage: Der überwiegende Großteil der österreichischen Bevölkerung stellt der Regierung für die letzten Monate ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Wären Sie selber in dieser Situation (Anm. als Chefin eines großen Unternehmens) mit der Arbeit der Regierung in wirtschaftlichen Belangen zufrieden gewesen?
Ich glaube, dass hier wirklich rasch und gut reagiert wurde. Natürlich hätte es da und dort möglicherweise noch schneller gehen können und wurden die Erwartungen der Unternehmen teilweise nicht immer in der erhofften Höhe erfüllt. Aber obwohl klarerweise die Gesundheit der Bevölkerung oberste Priorität hatte, wurden die Wirtschaft und unsere Unternehmen im internationalen Vergleich sehr unterstützt. So wurden sehr kurzfristig Maßnahmen gesetzt, um die Liquidität in den Unternehmen zu erhalten und damit den Unternehmen das Überleben zu sichern. Die Maßnahmen wie der Corona-Hilfsfonds für besonders betroffene Branchen, die Kreditgarantien, die Steuerstundungen und der Härtefallfonds sind meines Erachtens sehr umfassend. (LP)

Herzlichen Dank für das Interview!

www.bmdw.gv.at

INFO-BOX
Förderungsprogramm „KMU DIGITAL“
Mit der Förderung KMU DIGITAL unterstützt das Ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich Digitalisierungsprojekte in österreichischen Unternehmen, die bislang das Potenzial der Digitalisierung noch nicht optimal nutzen konnten. Themenschwerpunkte sind: Geschäftsmodelle und Prozesse, E-Commerce und Onlinemarketing, IT-Security, Digitale Verwaltung.
Beantragt werden können Förderung von bis zu 4.000 Euro im Modul Beratung (Status- und Potenzialanalysen sowie Strategieberatung) und bis zu 5.000 Euro im Modul Umsetzung (Förderung für Investitionen).
Mehr Informationen: www.kmudigital.at