COACHING-ZONE
Die wunderbare praktische Anwendbarkeit einer
zirkulären Intervention. Oder: Was alles möglich ist,
wenn man glaubt, es geht nicht mehr …
Gerti. Eine wahre Geschichte.
S chon seit Langem bedanke ich mich bei
74 NEW BUSINESS | MÄRZ 2021
einem gnädigen Schicksal, indem ich etwa
quartalsweise jemanden, der/die sich kein
Coaching leisten kann, im Ausmaß von 20
Stunden gratis betreue. Vor ein paar Jahren meldete sich
eine Dame bei mir. Wir wollen sie Susanne nennen.
Susanne war schon seit neun Monaten arbeitslos und
sehr verzweifelt, weil sie keinen Job nden konnte. Sie
war Mitte 40, hatte eine ordentliche kaufmännische
Ausbildung und eine recht stabile Spur gezogen, die
durch den Konkurs ihres bisherigen
Arbeitgebers aus der Schiene
gesprungen war. Nach ein paar
Stunden hatte sie wieder so weit
an Selbstvertrauen gewonnen,
dass sie eine beherzte Bewerbung
für einen für sie sehr interessanten
Job schreiben konnte. Sie
durchlief diverse Tests und wurde
schließlich zu einem Hearing
eingeladen, bei dem die besten
drei KandidatInnen vor der versammelten
Geschäftsführung ein
kurzes überzeugendes Referat
über sich selbst halten sollten.
Stellvertretender Lobhudler
Wir arbeiteten an dieser Aufgabe und kamen sehr gut
voran. Mehrere Probeläufe in meinem Büro gelangen
von Mal zu Mal besser und schließlich schien alles ganz
wunderbar vorbereitet zu sein. Auch das Styling hatten
wir besprochen und etwas dezent Elegantes ausgesucht,
das ihre seriöse Kompetenz sehr gut unterstützte.
Und doch: Beim allerletzten Test druckste Susanne
herum, steig von einem Bein aufs andere und war im
wahrsten Sinn des Wortes uncool. Schließlich strömte
es aus ihr heraus: „Ich kann vor so wichtigen Leuten
nicht über mich so angeberisch reden. Das ist mir einfach
nur peinlich und ich will mich da nicht so produzieren!“
In meinem Kopf ratterte eine Jukebox von Interventionsmöglichkeiten
und schließlich fragte ich
Susanne: „Wer kann denn statt dir hingehen und deine
Vorzüge glaubwürdig präsentieren?“
„Na, die Gerti! Sie ist meine beste Freundin, kennt mich
seit der Schulzeit und ist nicht auf den Mund gefallen.
Die Gerti soll das für mich machen!“
Ich erklärte Susanne, dass es ja
schließlich um einen Job für sie
selbst und nicht für die Gerti
ginge, aber wir würden schon
das Richtige aus dieser Idee machen.
Der Tag des Hearings kam und
Susanne erschien bei ihrem potenziellen
Arbeitgeber. Properly
dressed und aufgeregt. Als ihr
Name aufgerufen wurde, kletterte
sie auf die Bühne und sagte:
„Guten Tag, meine Damen
und Herren! Ich bin die Gerti,
die beste Freundin von der Susanne, die sich hier um
einen Job bei Ihnen bewirbt. Die Susi ist ein bisschen
schüchtern und deshalb habe ich mir gedacht, ich erzähle
Ihnen, was für eine super Mitarbeiterin die Susi
für Sie sein wird.“
Im Auditorium hatte sich freundliches Lachen breit
gemacht und Susanne lief zur Hochform auf. Sie hat
die gesamte GF begeistert und den Job gekriegt.
www.drsonnberger.com
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: „Tool Box – das beinahe ultimative Universal-Handbuch für Führungskräfte“.
Foto: Simon Klein • Illustration: Designed by vectorjuice/Freepik