Sitharaman mit Hattmannsdorfer in Wien © APA - Austria Presse Agentur
Das Wirtschaftsministerium forciert den Ausbau der Handelsbeziehungen mit Indien. Derzeit ist die indische Finanz- und Unternehmensministerin, Nirmala Sitharaman, zu Gast in Wien, um die Zusammenarbeit zu vertiefen. "Die Frage der Handelspolitik ist in Zeiten wie diesen die zentrale Wohlstandsfrage unserer Republik", betonte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) am Freitag vor Journalisten unter Verweis auf die "erratische Politik der USA und die Weltlage".
"Die Zoll- und Handelspolitik der USA belastet die europäische und die österreichische Konjunktur", teilte Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) in einer Aussendung mit. "Umso wichtiger ist es, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit allen Partnerländern zu stärken und innovationsgetriebene Kooperationen zu fördern." Die indische Finanzministerin hatte Marterbauer und Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl bereits Donnerstagnachmittag zu Arbeitsgesprächen getroffen. Indien sei die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20-Staaten mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von über 6 Prozent.
Österreich ist eine Exportnation. Ohne Handelsbeziehungen gäbe es "keinen Wohlstand und keinen Sozialstaat", strich Hattmannsdorfer heute hervor. "Wir müssen unsere Handelsstrategie nicht nur überdenken, sondern auch diversifizieren", sagte der Minister mit Blick auf die US-Zollpolitik. Zuletzt waren die USA der zweitwichtigste Exportmarkt Österreichs, hinter Deutschland und vor Italien. Importseitig kam 2024 das meiste Volumen aus Deutschland und China - hier rangieren die Vereinigten Staaten mit dem fünften Platz ebenfalls ganz weit vorne. Im von Trump angezettelten internationalen Handelsstreit zeigt die EU derzeit Zähne.
EU-Strategie im Zollstreit "richtig"
"Die Strategie der EU war eine richtige - erstens, dass die EU geschlossen und entschlossen auftritt, als europäischer Binnenmarkt auftritt, und dass wir uns nicht fürchten", sagte Hattmannsdorfer. "Unser oberstes Ziel sind Verhandlungen mit den USA mit dem Fokus erfolgreiche Verhandlungen zu führen und klar zu machen: wenn diese scheitern, wird sich Europa wehren", bekräftigte er die Position der EU-Kommission. Bei nicht zufriedenstellendem Verlauf drohten Gegenmaßnahmen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte bereits Abgaben für US-Tech-Riesen wie Google und Meta ins Spiel. "Donald Trump versteht, glaube ich, nur Verhandlungen, wenn man selbstbewusst auftritt", so der Minister."Aber ein Handelskrieg bringt niemandem etwas, weder uns noch den USA", ergänzte Hattmannsdorfer und verwies auf die Verwerfungen an den Börsen und den Anstieg der Inflation.
"Unabhängig davon ist Österreich dringend gefordert, seine Export- und Handelspolitik nachzuschärfen", hielt der Wirtschaftsminister fest. "Wir brauchen neue Absatzmärkte, wir müssen uns diversifizieren, wenn wir das Wohlstandsniveau halten wollen."
Stoßrichtung Indien
Eine Stoßrichtung ist Indien. Das Land sei "nach China und Japan der drittwichtigste Markt in Asien". In den vergangenen zehn Jahren habe sich das Handelsvolumen zwischen Österreich und Indien auf 2,8 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. 2024 stiegen die heimischen Exporte dorthin nominell um 2,6 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro, die Importe legten wesentlich stärker um 7,1 Prozent auf 1,5 Mrd. Euro zu. Daraus ergibt sich für Österreich ein Handelsbilanzdefizit von rund 200 Mio. Euro mit Indien.
Dafür wuchsen die Investitionen indischer Unternehmen in Österreich zwischen 2016 und 2024 den Angaben zufolge von 117 Mio. auf 1,2 Mrd. Euro. In die andere Richtung gab es bei den heimischen Auslandsinvestitionen einen Anstieg von 427 Mio. auf 762 Mio. Euro. "Wir haben heute vereinbart, dass wir die Zusammenarbeit stärken wollen", so Hattmannsdorfer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der indischen Ministerin. "Indien und Österreich sind zuverlässige Partner", betonte Nirmala Sitharama. "Indien ist auch das Tor zu Asien und dem globalen Süden", betonte sie.
"Ministerpräsident Narendra Modi hat bei seinem höchsterfolgreichen Besuch im Juli 2024 den politischen Willen Indiens betont, die Partnerschaft mit Österreich auszuweiten", erinnerte die indische Politikerin. Prioritär seien die Bereiche grüne und digitale Technologien, Infrastruktur, erneuerbare Energien, Wasseraufbereitung, Life Sciences sowie Mobilität und Transport.
EU-Freihandelsabkommen mit Indien
Laut Hattmannsdorfer gibt es aktuell eine Einigung auf drei Punkte: Erstens unterstütze Österreich mit voller Kraft ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU, möchte aber zweitens darüber hinaus auch die bilateralen Handelsbeziehungen stärken und drittens in puncto Zuwanderung verstärkt zusammenarbeiten. Der Fachkräfteaustausch soll im Rahmen der Rot-Weiß-Rot-Karte verstärkt werden.
Im abgelaufenen Jahr seien 700 Rot-Weiß-Rot-Karten aus Indien eingegangen. Ziel sei es, die Anzahl "zu steigern und mittelfristig zu verdoppeln". Potenzial ortet der Minister hier vor allem im IT-Bereich. Indien habe mit 119 "Unicorns" das drittgrößte Start-up-Ökosystem der Welt" und biete damit besonderes Entwicklungspotenzial. Österreich verfügte über das Global Incubator Network (GIN), das internationale Investoren und Start-ups vernetze. "Wir werden Verhandlungen starten, dass Indien Teil dieses Netzwerks wird", kündigte Hattmannsdorfer an. Derzeit machen den Angaben zufolge Japan, Singapur, Südkorea, Hongkong, China und Israel mit. Weiters werde im Herbst eine bilaterale Handelskommission eingerichtet, die vorhandene Handelsbarrieren auflisten und beseitigen soll. Im zweiten Halbjahr steht dann eine Delegationsreise nach Indien auf dem Plan.
IV begrüßt Intensivierung der Zusammenarbeit
Die Industriellenvereinigung (IV) begrüßt die intensivierte Zusammenarbeit Österreichs mit Indien. "In einer Zeit globaler Unsicherheiten zeigt dieser Austausch, wie wichtig offene Dialoge und internationale Zusammenarbeit sind", hielt IV-Präsident Georg Knill am Freitag in einer Aussendung fest. Indien sei für Österreich ein bedeutender Wirtschaftspartner. Die rund 150 österreichischen Unternehmen, die in Indien aktiv seien, würden über 12.000 Arbeitsplätze schaffen. Gerade jetzt sei es wichtig, auf Diversifizierung und neue Partnerschaften zu setzen. "Daher unterstützen wir die laufenden Verhandlungen zu einem EU-Indien Freihandels- und Investitionsabkommen ausdrücklich." Die jüngste Zusage, die Gespräche bis Jahresende abzuschließen, sei ein wichtiger Schritt für stärkere wirtschaftliche Verbindungen.