„Wir sehen drastischen Handlungsbedarf.“

NEW BUSINESS Bundeslandspecial - NIEDERÖSTERREICH 2018
Semperit im Jahr 2017 nach Einleitung tiefgreifender Restrukturierungsmaßnahmen mit negativem Ergebnis. © Semperit

2017 hat sich der Verlust der Semperit-Gruppe verdreifacht. Vorstandsvorsitzender Martin Füllenbach zeigt sich extrem unzufrieden und leitet Restrukturierungsmaßnahmen ein.

Seit Juni 2017 steht er erst an der Konzernspitze und hat bestimmt kein leichtes Erbe von Thomas Fahnemann übernommen: Martin Füllenbach, CEO der Semperit AG, blickt auf ein schwieriges erstes Jahr zurück. Die Geschäftsentwicklung war 2017 zwar von einer global stärkeren Wachstumsdynamik und günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst, jedoch sorgten größtenteils steigende und sehr volatile Rohstoffpreise für zusätzliche Belastungen. Neben der höheren Absatzentwicklung in den Segmenten Semperflex und Semperform trugen Preissteigerungen in Summe zu einem Umsatzanstieg bei. Gleichzeitig führten unternehmensinterne Maßnahmen zur eingeleiteten strategischen Transformation und Verbesserung der operativen Performance zu höheren Aufwendungen und negativen Einmaleffekten. Diese kamen etwa durch die Wertminderung bei Sempermed, die Werkschließungskosten in Frankreich und die steuerliche Betriebsprüfung zustande, während die Joint-Venture-Transaktion mit Sri Trang zu positiven Einmaleffekten führte.

Hoffnungsschimmer nach ­Restrukturierungsbeginn
„Wir sind mit der Ergebnisentwicklung im abgelaufenen Geschäftsjahr extrem unzufrieden und sehen drastischen Handlungsbedarf“, sagt Füllenbach. „Daher haben wir zu Jahresbeginn 2018 eine Restrukturierung eingeleitet, die in erster Linie auf eine Rückkehr zu angemessenen Renditen abzielt und bereits erste Früchte trägt. Die bisher identifizierten Verbesserungspotenziale werden wir in den nächsten Quartalen und Jahren konsequent ausschöpfen. Eine wesentliche Rolle wird die Optimierung der operativen Geschäftsprozesse spielen, hier orten wir positive Effekte im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Der Weg zu einer langfristig gesunden, starken und profitablen Semperit Gruppe führt weiters über eine klare Komplexitätsreduktion.“ Der Konzernumsatz lag im Geschäftsjahr 2017 mit 874,2 Millionen Euro um 2,6 Prozent über dem Vorjahresniveau. Das ausgewiesene EBITDA (ohne Berücksichtigung der Sondereffekte) lag bei 100,2 Millionen Euro und das EBIT bei 37,6 Millionen Euro. Das Ergebnis nach Steuern belief sich auf –26,3 Millionen Euro – der Verlust verdreifachte sich somit zum Jahr, wo man minus 8,8 Millionen verzeichnete – und das Ergebnis je Aktie auf –1,25 Euro (nach –0,43 Euro).

Ausbau und Modernisierung der ­Produktionsanlagen
Semperit investierte im Jahr 2017 insgesamt 74,5 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung ihrer Produktionsanlagen. Mit einer Eigenkapitalquote von 32,6 Prozent (31. Dezember 2016: 31,8 Prozent) verfügte Semperit zum Bilanzstichtag über eine weiterhin solide Kapitalausstattung, die durch die Vereinbarung einer Hybridkapital-Line mit dem Kernaktionär im Dezember 2017 abgesichert wird. Die liquiden Mittel lagen aufgrund der höheren Investitionen zum 31. Dezember 2017 mit 165,5 Millionen Euro unter dem Vorjahresniveau von 190,2 Millionen Euro. Angesichts des negativen Ergebnisses nach Steuern sowie der Fortsetzung des Restrukturierungs- und Transformationsprozesses wird der Vorstand der Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2017 keine Dividende vorschlagen.

Sektor Industrie: Differenzierte ­Entwicklung mit höherem Absatz
Der Sektor Industrie (Segmente Semperflex, Sempertrans und Semperform) entwickelte sich differenziert. Die Absatzzahlen in Semperflex und Semperform sind gestiegen, während sie in Sempertrans zurückgingen. Der Sektor-umsatz stieg insgesamt um 6,0 Prozent auf 537,0 Millionen Euro. Das EBITDA, bereinigt um die Sondereffekte der Restrukturierung/Schließung der Produktionsstätte in Frankreich und den Aufwand im Zuge der Steuerprüfung in Österreich (vor allem Energieabgabenrückvergütung), verringerte sich um 35,6 Prozent auf 57,6 Millionen Euro. Das bereinigte EBIT lag bei 37,1 Millionen Euro nach 70,0 Millionen Euro im Vorjahr (–47,0 Prozent).

Sektor Medizin: Kompetitives ­Marktumfeld und Sondereffekte
Der Sektor Medizin (Segment Sempermed) war durch ein kompetitives Markt­umfeld gekennzeichnet. Der Rückgang des Umsatzes um 2,6 Prozent auf 337,1 Millionen Euro war geprägt von einer rückläufigen Absatzentwicklung sowie Preisanpassungen als Folge der volatilen Rohstoffpreise. Das Ergebnis des Segmentes Sempermed war wesentlich von der Auflösung des Joint Ventures zur Handschuhproduktion in Thailand im ersten Quartal 2017, der Entwicklung der Rohstoffpreise sowie der zusätzlichen Verbesserungs- und Instandhaltungsmaßnahmen in Malaysia beeinflusst. Das bereinigte EBITDA verringerte sich um 48,5 Prozent auf 1,8 Millionen Euro (nach 3,4 Millionen Euro), das bereinigte EBIT lag bei –12,1 Millionen Euro nach –10,1 Millionen Euro.

„Übergangsjahr“ 2018
Im Verlauf des Jahres 2018 wird der Vorstand Schritt für Schritt entscheiden, ob es Änderungen im Portfolio der bestehenden Segmente sowie weitere Anpassungen im Produktionsfootprint geben wird. Fortlaufende und potenziell neue Maßnahmen zur Erhöhung der Rentabilität und zur Stärkung der Bilanzstruktur stehen unverändert ganz oben auf der Agenda des Vorstands. Daher können weitere erhebliche Einmalbelastungen neben den bereits gesetzten und den noch in Analyse befindlichen Maßnahmen auch in den nächsten Quartalen nicht ausgeschlossen werden. Aus diesen Gründen ist das Jahr 2018 als Übergangsjahr zu sehen. Bedingt durch die angeführten Entwicklungen bleibt der Ausblick für die nächsten Quartale ausgesetzt. Semperit fokussiert weiterhin auf organisches Wachstum. Neben den laufenden Optimierungsmaßnahmen im Segment Sempermed hat Semperit weitere Umsetzungsschritte bei Sempertrans und Semperform gestartet. Im Segment Semperflex und im Mischbetrieb (Mixing) stehen die Beschleunigung der profitablen Umsetzung der unverändert erforderlichen Investitionsprojekte und des damit verbundenen organischen Wachstumskurses im Vordergrund. Die Investitionen in den Ausbau der Kapazitäten werden daher fortgesetzt. Insgesamt sind für das Jahr 2018 Anlageninvestitionen (CAPEX) von rund 80 Millionen Euro (2017: 74,5 Millionen Euro) vorgesehen, davon rund 60 Prozent Erweiterungsinvestitionen.
Der Abschluss der Transformation der Semperit-Gruppe ist für Ende 2020 geplant. Ab diesem Zeitpunkt soll die Semperit-Gruppe als zentrale Steuerungsgröße eine EBITDA-Marge von rund zehn Prozent erzielen. (VM)
www.semperitgroup.com