Nora Lawender ist mit der österreichischen NTT vertraut wie keine Zweite. © Lisi Lehner Fotografie NTT
Nora Lawender hat es bei der österreichischen NTT-Niederlassung von der Controllerin bis zum Country Managing Director geschafft, über Akquisitionen und Umfirmierungen hinweg ...
... Eine beeindruckende Karriere einer beeindruckenden IT-Frau.
Sie kennt NTT Austria wie ihre Westentasche, könnte man sagen. Als Nora Lawender 2002 als Controllerin bei dem Unternehmen anfing, hieß es noch NextiraOne. In Dimension-Data-Zeiten stieg sie bis zum Director Finance auf, um schließlich 2020 als Country Managing Director die Verantwortung für das Österreich-Geschäft von NTT zu übernehmen. So eine Laufbahn ist nicht nur heute und nicht nur in der IT-Branche alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Mit NEW BUSINESS teilte die erfahrene und lebensfrohe Top-Managerin ihre Erfahrungen in dem herausfordernden vergangenen Jahr, die daraus gewonnenen Erkenntnisse und noch einiges mehr.
Frau Lawender, Sie sind seit April 2020 Geschäftsführerin von NTT Austria und mussten sich somit gleich zu Beginn mit turbulenten Ereignissen auseinandersetzen. Das war ein sehr fordernder Einstieg, oder?
Grundsätzlich ist es immer fordernd und spannend, in so eine Position zu kommen, weil man eine gewisse Vision hat und Dinge ändern will. In dieser Zeit war es aber natürlich besonders schwierig. Einerseits aus der persönlichen Situation heraus, als Mutter eines achtjährigen Sohnes, der natürlich mit mir zu Hause war, und auf der anderen Seite als beruflicher Startpunkt. Man möchte die Emotionen der Mitarbeiter spüren und auch Emotionen rüberbringen. Auch wenn uns die neuen Technologien sehr viele Möglichkeiten bieten, bin ich doch ein Freund persönlicher Treffen. Wenn man Spannung, Kraft und Energie in ein Unternehmen stecken will, funktioniert das persönlich sehr viel leichter. Auch beim Kaffeeklatsch mitzubekommen, was die Mitarbeiter denken, welche Ängste sie haben, wo man ihnen mehr Sicherheit geben muss – all diese Dinge lassen sich im normalen Büroalltag sehr viel leichter einfangen. Auf der anderen Seite hatte ich den Vorteil, dass ich schon lange im Unternehmen bin und mich die Mitarbeiter kennen.
Hatte die Pandemie Einfluss auf die Strategie des Unternehmens in Österreich bzw. auf ihre persönlichen Ziele für das Unternehmen?
Durchaus. Wir setzen zwar weiterhin auf unsere Themen wie Intelligent Workplace, Intelligent Infrastructure, Security oder Cloud. Auf der anderen Seite hat die Pandemie aber gezeigt, dass Strategien und kurz- bis mittelfristige Ziele etwas Flexibles sind. Wenn Kontinuität herrscht, ist es leicht, zu verwalten und zu managen. In Zeiten großer Unsicherheit, die schwer vorhersehbar sind und in denen man die konkreten Auswirkungen auf die Branchen nicht kennt, muss man Leadership zeigen, mutig sein und Entscheidungen treffen. Mir ist schnell klar geworden, dass im Moment auch der erfahrenste Top-Manager nicht den zu hundert Prozent richtigen Weg kennt. Man wägt ab, bemüht sich, alle Fakten anzusehen, muss aber am Ende des Tages eine Entscheidung treffen. Das ist Leadership. Verwalten kann man, wenn alles ruhig ist und nicht viel passiert. Natürlich ist man auch verantwortlich dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund bleiben. Nicht nur, sie vor einer Ansteckung zu schützen, sondern auch dahingehend, ausgewogene Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Wie sind die Bedingungen zu Hause, und was kann ich als Arbeitgeber tun, um eine bestmögliche Umgebung zu schaffen und individuelle Lösungen zu finden?
Haben Sie vielleicht aus dieser schwierigen Zeit Lehren gezogen, die Sie unter normalen Umständen nicht in dieser Form hätten ziehen können?
Die Wichtigkeit der Kommunikation, die auch Wertschätzung und Klarheit für die Mitarbeiter bedeutet, hat sich deutlich gezeigt. Ein weiteres Learning: In unserer Unternehmenskultur und auch mir persönlich ist Vertrauen unglaublich wichtig. Ich glaube fest daran, dass Menschen grundsätzlich immer erfolgreich sein, arbeiten und ihr Bestes geben wollen. Dieses Vertrauen war für mich nichts Neues, deswegen fiel mir der Weg ins komplette Homeoffice leicht. Ich habe gesehen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr viel arbeiten. Es ist ganz klar, dass sie die Arbeitszeiten nicht strikt einhalten können, weil sich Privatleben und Arbeit vermischen. Man motiviert Menschen, indem man ihnen dieses Vertrauen und die Freiheit schenkt, sich ihre Arbeitszeiten selbst einzurichten – soweit man natürlich die Kunden bestmöglich servicieren kann.
Denken Sie, dass bei NTT auf der Grundlage dieser Erfahrungen Homeoffice künftig noch stärker in Anspruch genommen wird, auch wenn sich die Lage wieder bessert?
Ja, ich glaube schon. Man hat im Sommer in den Zeiten der Lockerungen gesehen, dass bei vielen ein neuer Alltag und ein neuer Rhythmus da waren. Da spielen viele Aspekte mit. Auch für mich persönlich hat sich die Sichtweise geändert. Früher habe ich ab und zu am Freitag aus dem Homeoffice gearbeitet, aber sonst war für mich völlig klar, dass ich von Montag bis Donnerstag im Office bin. Jetzt verbringe auch ich halbe Tage im Homeoffice und richte mir das flexibler ein. Das will ich natürlich auch meinen Kolleginnen und Kollegen zugestehen. Es braucht eine gute Mischung. Der persönliche Kontakt ist wichtig, es ist wichtig, sich zugehörig zu fühlen und seine Kolleginnen und Kollegen zu haben. Als Unternehmen sollte man nicht zu starr agieren.
Den Kontakt zu ihren Mitarbeitern nicht zu verlieren, sehen derzeit viele Unternehmen als Herausforderung, wie man in Gesprächen mitbekommt.
Man braucht diesen Kontakt, aber auch die Spontanität. Auch mir geht es ab, gemeinsam nach der Arbeit noch auf ein Bier oder ein Achterl zu gehen. Es sollte immer so sein, dass man gerne in die Arbeit geht. Zum Glück ist es bei uns so, dass man sich auf seine Kolleginnen und Kollegen freut und gerne miteinander spricht. Man verbringt so viel Zeit mit Arbeiten, da ist es wichtig, dass man auch gemeinsam Spaß hat, lacht, sich freut – aber auch gemeinsam ärgert. Das gehört dazu und ist viel leichter, wenn man sich sieht. Man setzt ja keine Videokonferenz an, um seine Freude über ein Projekt mitzuteilen. Deswegen ist es wichtig, ein Office zu haben und die richtige Mischung zu finden.
Welchen Einfluss hatten die vergangenen Monate auf die Nachfrage durch Ihre Kunden? Waren andere Themen gefragt, als noch 2019 vorherzusehen war?
Der virtuelle Arbeitsplatz hat an Wichtigkeit gewonnen. Dazu gehört, dass ich eine gute und funktionierende Infrastruktur und Securitykonzepte brauche. Das fängt beim Device an. Es wurden oft schnelle Securitylösungen gefunden. Jetzt überlegen sich die Unternehmen, wie man in Zukunft nachhaltiger und gut gerüstet sein kann. Es hat sich auch gezeigt, dass ein gewisser Grad an Outsourcing und cloudbasierenden Lösungen im eigenen Unternehmen Stabilität und Sicherheit gibt, weil man schnell auf flexibles Arbeiten umstellen kann. Wenn ich Dinge wie Managed Services und proaktives Monitoring nutze, lässt sich so etwas leichter managen. Für unsere Kunden ist der Faktor Mensch noch wichtiger geworden. Was braucht es, damit sich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause beim Arbeiten wohlfühlen? Aber auch was man braucht, um den Kunden eine gute Customer-Experience bieten zu können. Die Digitalisierung hat damit einen weiteren Aspekt gewonnen. Mit den kurzfristigen Dingen waren alle Mitbewerber sehr schnell am Markt und haben mehr oder weniger ähnliche Kampagnen gefahren. Jetzt geht es aber darum, gemeinsam mit den Unternehmen nachhaltige Lösungen zu erarbeiten. Es gilt, den besten Output zu liefern und zu helfen, das Business des Kunden zu optimieren und ihn stark für eine allfällige nächste Krise zu machen. Die Bereitschaft für Investitionen ist da. Unseren Kunden ist klar, dass es lebensnotwendig ist, vorausschauend zu investieren und das eigene Geschäftsmodell digital so abzubilden und umzusetzen, dass für die Kunden und Mitarbeiter eine optimale Landschaft geschaffen wird.
Ändert sich durch diese Learnings auch der Stellenwert der IT in den Unternehmen, die manchmal nur als Kostenfaktor gesehen wurde?
Es hat sich gezeigt, dass es keine IT-Strategie ist, drei neue Server zu bestellen. Es hat aber auch uns IT-Providern gezeigt, wie wichtig es ist, das Geschäft des Kunden zu verstehen. Was ihm warum und wie wehtut. Man kann nur dann gemeinsam mit dem Kunden eine Lösung entwickeln, wenn man versteht, wie sein Geschäft funktioniert und wie das Unternehmen tickt. Das muss in die Gesamtstrategie des Kunden einfließen. Natürlich ist es gut, standardisierte Lösungen zu haben, weil sie erprobt sind, aber man muss sie trotzdem auf den jeweiligen Kunden zuschneiden.
Welche Technologien bzw. Konzepte beschäftigen Ihre Kunden derzeit am intensivsten?
Alles rund um Intelligent Workplace, Intelligent Infrastructure, sehr wichtig sind der Security-Bereich, Managed Services und Vereinheitlichung. In den letzten Jahrzehnten wurde viel investiert, und die IT-Landschaft ist sehr zerklüftet. Es wird meist unterschätzt, in welcher Panik ein CIO oder IT-Leiter lebt, weil er oft eine Historie übernimmt, aus der heraus manchmal nicht klar ist, welche Assets vorhanden sind und wie sie zusammenspielen. Man kann nicht mehr hier und dort ein Pflaster auf- und ein Auge zudrücken, das Gesamtkonzept muss stimmig sein. Dadurch entsteht bei den Unternehmen der Wunsch nach längerfristigen Partnerschaften mit verlässlichen Anbietern, die das Geschäftskonzept verstehen und zu denen Vertrauen besteht.
Cloudbasierende Lösungen sind gefragt, aber gerade in Österreich findet der hybride Ansatz großen Anklang. Es braucht eine gute Mischung und gute, maßgeschneiderte Lösungen für ein ausreichendes Maß an Sicherheit, aber auch um skalieren zu können und flexibel zu sein.
Welche Ziele hat NTT in Österreich für die Zukunft, und wie wollen Sie diese erreichen?
Wir haben uns sehr neu aufgestellt, haben eine neue Geschäftsleitung und unser Portfolio klar positioniert. Wir wollen DER verlässliche Partner für große und mittelständische, vor allem internationale Unternehmen und den öffentlichen Bereich sein. Die Stärke, die wir als internationaler Konzern auf den österreichischen Markt mitbringen, gilt es gut zu positionieren. Aber auch zu zeigen, dass wir lokal da sind, unsere lokalen Spezialisten haben und den Weg als Partner in der digitalen Transformation gemeinsam mit unseren Kunden gehen wollen. Sie können mit uns auch internationale Projekte lokal managen und weltweit koordinieren.
Sie planen den Verkauf Ihres TelefonieGeschäfts an A1 – aus der Historie einer der integralen Bestandteile des Unternehmens hierzulande. Welchen Einfluss wird das auf die weitere Entwicklung von NTT in Österreich haben?
Das ist richtig, es ist unsere Historie, aus der wir gewachsen sind. Wir sind durch mehrere Akquisitionen gegangen, und ich bin sehr froh, dass wir in dieser starken NTT-Familie gelandet sind. Wir haben vorhin schon über Entscheidungen und Mut gesprochen. Es ist wichtig, Entscheidungen zu treffen und diesen neuen Weg dann auch zu gehen und sich nicht durch irgendwelche Dinge aufhalten zu lassen. Fokussierung ist wichtig für den Erfolg. Die hat uns in der Vergangenheit vielleicht gefehlt. Wir haben in Österreich eine großartige Kundenbasis mit tollen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die eine sehr gute funktionierende Alcatel-Voicelösung von uns einsetzen. Für uns ist es aber in Zukunft wichtig, das Portfolio der NTT in Österreich zu positionieren – vor allem im Bereich Managed Services. Wenn man einen Bauchladen anbietet, neigt man oft dazu, in keinem der Bereiche exzellente Services zu liefern. Und es ist mir wichtig, exzellente Services zu liefern. Deswegen ist das ein wichtiger Schritt. Wir konzentrieren uns auf den größeren Mittelstand und große Unternehmen, gerade auch im internationalen Umfeld und im öffentlichen Bereich. Wir konzentrieren uns auf dieses starke Kundensegment und wollen dafür mehr Zeit haben und mehr investieren können.
Die A1 ist ein starker Partner. Das war mir sehr wichtig, sowohl für unsere Kunden, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um für sie einen der besten Arbeitgeber Österreichs zu finden, mit dem wir das gemeinsam partnerschaftlich abwickeln können. Ich bin sehr froh, mit A1 so einen starken Partner am österreichischen Markt gefunden zu haben.
Sie engagieren sich dafür, mehr junge Frauen für technische Berufe zu interessieren. Haben Sie sich selbst aktiv für eine Karriere im IT-Bereich entschieden, oder war es Zufall, dass Sie hier gelandet sind?
Offen und ehrlich gesagt bin ich durch reinen Zufall in der IT-Branche gelandet. Ich war damals auf der Suche nach einem Einsteigerjob im Controlling, meine Spezialisierung war Unternehmensrechnung und Revision. Ich habe ein paar Bewerbungen geschrieben und wurde dann von einer sehr sympathischen Teamleiterin im Controlling interviewt. Ich habe mich wohlgefühlt, man hat gesehen, dass Frauen in vielen Positionen vertreten waren. Das hat mir gefallen. Aber die Branche war reiner Zufall. Ich hätte mir im ersten Jahr oft gewünscht, es wäre ein Thema, das ich besser angreifen kann. Aber mit der Zeit hat es mir immer besser gefallen. Aus dem Controlling heraus kann man ein guter Übersetzer sein, von technischer Seite in Richtung Unternehmensführung und andere administrative Bereiche, weil man mit allen Abteilungen zusammenarbeitet. Dadurch bin ich sehr schnell in die Sprache der Technik und auch in das Geschäftsmodell reingekommen. Es ist wichtig, das eigene Geschäftsmodell gut zu verstehen, ganz egal, in welcher Abteilung man ist.
Würden Sie jungen Frauen empfehlen, sich beruflich in Richtung IT-Branche zu orientieren?
Die IT ist für Frauen, aber eigentlich für jeden eine tolle Branche, die viele Vorteile bietet. Homeoffice, flexibles Arbeiten, die richtigen Tools – all das bietet die IT-Branche schon länger. Es gibt viele spannende Entwicklungsmöglichkeiten. Gerade in der IT-Branche haben Frauen mit gleichen Qualifikationen auch die gleichen Chancen. Es ist eine Frage dessen, für welche Berufsbilder sich junge Frauen und Mädchen schon ganz früh entscheiden. Das beginnt bei der frühkindlichen Erziehung, an der wir arbeiten müssen, und zieht sich über alle Ausbildungsstationen hinweg. Auch in der IT findet man Frauen vermehrt in Bereichen wie HR, Marketing oder Finanzen. Man muss von Grund auf daran arbeiten, Frauen für technische und naturwissenschaftliche Berufe zu begeistern. (RNF)