Ein kluger Zug

NEW BUSINESS Guides - TRANSPORT- & LOGISTIK GUIDE 2019
Drei Viertel aller Güterverkehrsverbindungen der ÖBB-Tochter Rail Cargo Group sind international – von Europa über Russland und die Türkei bis nach China. © ÖBB/Robert Deopito

Smarte Güterzüge, die schnell und effizient die neue Seidenstraße entlang­rollen. So lautet – im Groben – eine der Strategien der Rail ­ Cargo Group für die nahe bis mittlere Zukunft ...

... Im Detail ist da natürlich noch viel mehr dran.

Mit ihren 8.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zählt die ÖBB-Tochter Rail Cargo Group (RCG) zu den führenden Bahnlogistikunternehmen Europas. Insgesamt sind jeden Tag 2.000 Züge der Rail Cargo Group unterwegs. Aber auch jenseits der europä­ischen Grenzen ist das Unternehmen aktiv. Drei Viertel aller Güterverkehrsverbindungen der RCG sind international. Gemeinsam mit ihren Partnern betreibt die Rail Cargo Group ein flächendeckendes Netz an End-to-end-Logistik und verbindet europäische Ballungszentren und Häfen mit den prosperierenden Wirtschaftszentren Russlands, der Türkei bis nach China. Gerade in Asien kämpft das Unternehmen hart um neue Verkehre, insbesondere in China. Im Jahr 2018 gab es rund 400 Züge von und nach China – noch für 2019 sind bis zu 600 Verbindungen geplant.
Auch wenn das Marktumfeld im Güterverkehr zuletzt zunehmend rauer wurde, der Umsatz konnte im vergangenen Geschäftsjahr trotzdem gesteigert werden. Die Rail Cargo Group und ist damit neuerlich umsatzstärkster Teilkonzern der ÖBB, mit einem Plus von mehr als 100 Millionen Euro. Das Ergebnis ging zwar wegen des Wettbewerbs, steigender Kosten und Währungsverlusten beim Forint um rund 19 Millionen Euro zurück (EBT), liegt aber immer noch bei über 23 Millionen Euro.
„Fakt ist: Alles spricht für den Transport von Gütern auf der Schiene. Die Bahn ist der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Mit Rail Freight Forward und Noah’s Train setzte die RCG klare Schritte, um den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene in Europa bis 2030 von 18 Prozent auf 30 Prozent zu erhöhen. Knackpunkt dabei sind allerdings die Rahmenbedingungen. Hier braucht es mehr Fairness im Vergleich zur Straße“, sagte ÖBB-Vorstandsvor­sitzender Andreas Matthä.

In zehn Tagen von Xi’an nach Budapest
Fairness hin oder her, viele klare Argumente sprechen für den Transport auf der Schiene. So kam beispielsweise im April 2019 der erste Zug von Xi’an über den Umschlagsbahnhof Záhony-Eperjeske im Rail-Cargo-Terminal BILK an – und das in Rekordzeit. Innerhalb von nur zehn Tagen legte der mit Konsumgütern beladene Containerzug die mehr als 7.000 Kilometer von der Hauptstadt der chinesischen Provinz Shaanxi – ehemals Ausgangspunkt der historischen Seidenstraße – nach Budapest zurück. Der Zug verkehrte auf der Route über Kasachstan und die Ukraine. Zwischen dem Rail-Cargo-Terminal BILK und Xi’an ist die Rail Cargo Group die erste Güterbahn, die einen Zug auf dieser Route abgewickelt hat.
Rekorde sind bekanntlich hauptsächlich dazu da, um gebrochen zu werden. Im März 2019 unterzeichneten zu diesem Zweck die ÖBB Rail Cargo Group (RCG) und Digital Logistics LLC – ein Joint Venture der Russischen Bahn (RZD) und des Entwicklers digitaler Plattformen INTELLEX LLC – in der Wirtschaftskammer Österreich ein Memorandum of Understanding. Die Absichtserklärung zielt darauf ab, gemeinsame Entwicklungen sowie die Vereinheitlichung und Digitalisierung von operativen Abläufen über Europas Grenzen hinweg voranzutreiben. Dadurch sollen schnellere Grenz­abfertigungen und eine Verkürzung der End-to-end-Transitzeit ermöglicht werden.

The next level
Durch die Nutzung modernster Digitalisierungstools sollen so neue Standards in der Bahnlogistik gesetzt werden. Thomas Kargl, Vorstandsmitglied der Rail Cargo Group, und Alexander Kochukov, CEO von Digital Logistics LLC, unterzeichneten das Memorandum of Understanding. „Damit stärken wir die grenzübergreifende Kooperation zwischen Europa und Russland und treiben so die Realisierung zuverlässiger kontinentaler End-to-end-Logistiklösungen voran“, erklärte RCG-Vorstand Kargl in diesem Zusammenhang im Rahmen des International Railway Congress 2019.
Das Memorandum bestätigt insbesondere das Interesse beider Parteien, einen schrittweisen Übergang zu digitalen Technologien bei der Organisation internationaler Schienengüterverkehre sicherzustellen. In diesem Zusammenhang soll eine digitale Logistikplattform entwickelt werden, um künftig sowohl Transportprozesse digital abbilden zu können als auch den elektronischen Datenaustausch in Bezug auf die Planung und Koordination von Schienengüterverkehren zu ermöglichen. „Die Unterzeichnung des Memorandums war ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Attraktivität von Bahntrans­porten in Russland, Europa und ­Asien. Damit bekräftigen wir unseren Willen, durch Digitalisierungsmaßnahmen einen neuen Level im internationalen Güterverkehr erreichen zu ­wollen“, so Kargl ­weiter.

Güterzüge werden smart
Dazu passt sehr gut das im Frühjahr gemeinsam mit A1 und ihrer Tochter A1 Digital gestartete Projekt „SmartCargo“. Durch spezielle Telematik an den RCG-Waggons sollen neue Services für die Kundschaft sowie eine verbesserte und effizientere Wartungskoordination ermöglicht werden. Der Plan: Bis Ende 2020 werden RCG-Güterwagen über Positionserkennung, Bewegungssensorik und Stoßerkennung verfügen. Durch die zusätzliche Entwicklung einer IT-Plattform will die Rail Cargo Group gemeinsam mit A1 Schritt für Schritt intelligente Güterzüge auf Schiene bringen.
Bei einem Kick-off-Event am 4. Februar in der ÖBB-Unternehmenszentrale präsentierten RCG-Vorstandssprecher Clemens Först und A1-CEO Marcus Grausam die Wagentechnologie der Zukunft. An rund 13.700 RCG-Waggons wird jeweils ein SmartCargo-Device angebracht, das während des gesamten Gütertransports umfassende Informationen bereitstellt. Dabei liefert der Positionssensor die genauen GPS-Koordinaten des Wagens in vordefinierten Intervallen. Ein weiterer Sensor sorgt unabhängig vom GPS-Empfang für zuverlässige Bewegungserkennung, während der 3D-Beschleunigungssensor zur Stoß­erkennung und Überwachung des Transports empfindlicher Güter dient. Darüber ­hinaus kann das System mittels Geofencing eine Sofortmeldung beim Überschreiten vorab festgelegter Zonen, wie etwa Landesgrenzen, senden. Bei fehlender Netzabdeckung zur Datenübertragung verfügt die Hardware außerdem über eine SMS-Rückfallebene.
Im Rahmen erster Tests werden rund 300 Wagen mit SmartCargo ausgestattet. Parallel dazu wird die oben erwähnte IT-Plattform aufgebaut, über die übersichtlich und kompakt sämtliche Informationen rund um einen spezifischen Transport digital abgerufen werden können. Auch die Integration von Fremdwagen, welche im Zugverband sind, jedoch nicht im Eigentum der RCG stehen, soll damit möglich sein.
Waren smart und schnell zu transportieren, effizient und ökonomisch, innerhalb Europas und darüber hinaus. Es gibt schlechtere Ziele, die man sich setzen kann. Die „Fairness im Vergleich zur Straße“, wie sie sich ÖBB-Vorstandsvorsitzender Matthä wünscht, wäre durchaus kein schlechter Zug. (RNF)

www.railcargo.com

INFO-BOX
Die neue Seidenstraße
Die neue Seidenstraße ist in aller Munde. Das Projekt knüpft an die alten Handels­routen an, die China einst mit dem Westen verbanden: Marco Polos Seidenstraße im Norden und die maritimen Expeditions­routen des Admirals Zheng He im Süden. Neben der „klassischen“ Containerschifffahrt und der Luftfracht zwischen Europa und Asien spielt auch der Güterzug als zusätzliche Option eine immer wichtigere Rolle. Unter dem Motto „One Belt, One Road“ arbeitet China unter anderem an einer neuen Schienenverbindung zwischen den Kontinenten. Ziel ist es einerseits, die westlichen Provinzen näher an die internationalen Märkte zu bringen, ohne die Waren dazu erst weit nach Osten zu den Seehäfen transportieren zu müssen. Andererseits soll der Wirtschaftsraum Zentralasien erschlossen werden. Dessen Bedeutung hat man auch in Österreich erkannt. So stand das „One Belt One Road Forum“ in Peking im April im Mittelpunkt der China-Reise von Bundeskanzler Sebastian Kurz.