Die neue Prüfanlage des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik © TU Wien
Bei extremer Kälte können Kraftstoffe für Dieselmotoren nicht mehr verwendet werden – aber wie misst man die mögliche Minimaltemperatur? An der TU Wien wurde dafür nun eine Prüfanlage entwickelt.
Wenn es zu kalt wird, springt das Auto nicht mehr an. Bestimmte Bestandteile von Kraftstoffen können bei niedrigen Temperaturen ausfallen, der Kraftstoff wird trüb und lässt sich nicht mehr nutzen. Besonders Paraffine in den Treibstoffen können bei großer Kälte kleine Flocken bilden.
Das ist zwar schon lange bekannt – doch bisher gab es keine einheitliche Untersuchungsmethode, mit der man im realen Betrieb der Kältebeständigkeit von Treibstoffen mit wissenschaftlicher Präzision auf den Grund gehen kann.
Die TU Wien hat daher nun zusammen mit Partnerunternehmen aus Forschung und Industrie einen klimatisierten Prüfstand entwickelt, mit dem sich Kraftstoffe zusammen mit Tank- und Leitungssystemen zuverlässig auf Wintertauglichkeit überprüfen lassen. Der Prüfstand ist für unterschiedlichste Arten von Treibstoff geeignet – von gewöhnlichem Diesel über Diesel aus recyceltem Speiseöl bis zu E-Fuels oder speziellen neuen Flugzeugtreibstoffen auf Basis von Bioabfällen.
Bisher keine einfache, einheitliche Testmethode
Dass ein neuer, zuverlässiger Prüfstand für Kraftstoffe nötig ist, stellte sich bereits im Rahmen eines anderen Projekts heraus: Die Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für nachhaltige Energieträger, Mobilität und Kohlenstoffkreisläufe (DGMK) untersuchte gemeinsam mit verschiedenen Automobilfirmen und Kraftstoffherstellern den Einfluss des Kraftstoffs und der Fahrzeugtechnologie auf die Winterfestigkeit aktueller Dieselfahrzeuge.
„Dabei zeigte sich, dass die unterschiedlichen Projektteams in ihren Häusern ganz unterschiedliche Testanlagen für die Untersuchung von Kraftstoffen betreiben“, sagt Bernhard Geringer vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien. „Die Tests sind nicht alle gleich realitätsnah und führen somit auch nicht zu denselben Ergebnissen. So wurde die Wichtigkeit erkannt, einen einheitlichen Prüfstand und ein einheitliches Prozedere zu entwickeln.“
An der TU Wien wurde nun ein passendes Testsystem entwickelt und aufgebaut: Es ist klimatisiert und kann auf eine Temperatur von bis zu –45 °C abgekühlt werden. Die Anlage enthält den für die Bewertung der Winterfestigkeit entscheidenden Teil des Fahrzeugs, nämlich das Niederdruck-Kraftstoffsystem. „Wir haben unterschiedlichste Versuchskraftstoffe getestet und die Temperaturen, Drücke und Durchflüsse im Kraftstoffsystem gemessen“, erklärt Bernhard Geringer. Wird der Test bestanden, wird ein weiterer Test bei tieferer Temperatur durchgeführt. Die tiefste Temperatur mit positivem Testergebnis gilt als Betriebsgrenze für den Kraftstoff.
Reproduzierbar und verlässlich
Die Prüfstandmethode wurde umfassend untersucht und mit Prüfergebnissen verglichen, die an echten vollständigen Fahrzeugen gewonnen wurden – die beiden Methoden stimmen gut miteinander überein. „Wir konnten auch zeigen, dass die Ergebnisse gut reproduzierbar sind und dass unterschiedliche Prüfstände mit dieser Technologie auch gut miteinander vergleichbare Ergebnisse liefern“, sagt Geringer.
Damit konnte das Ziel erreicht werden – nämlich eine zeit- und kostensparende Messmethode zu entwickeln, damit man zur Überprüfung der Winterfestigkeit eines Kraftstoffs keinen vollständigen klimatisierten Fahrzeugprüfstand benötigt, sondern der Kraftstoff nur noch an den relevanten Fahrzeugsystemen untersucht werden muss. (BS)
INFO-BOX
Zum Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik
Das Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik gliedert sich organisatorisch in die Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften der TU Wien ein. Das Institut hat sich als eine wissenschaftliche Stelle für Forschung und Entwicklung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen etabliert. Die Arbeitsgebiete liegen auf der Entwicklung innovativer Abgasnachbehandlung für Euro 7 und folgend, alternativer Kraftstoffe auf biogener und insbesondere nachhaltiger synthetischer Basis sowie als wesentlichem Fokusgebiet auf der Forschung und Entwicklung von alternativen Antrieben mit den Komponenten Batterien, E-Motoren mit leistungsfähige Kühlung sowie Brennstoffzellen und zugehörige Wasserstoff-Tanksysteme.
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