Kunststoffe für Bewegung

NEW BUSINESS Innovations - NR. 05, JUNI 2019
Online alle benötigten Teile simulieren und dann gleich bestellen – kein Problem dank igus. © igus

Zunehmend gewinnen 3D-Druck für Verschleißteile, intelligente „smart plastics“, Energieketten mit 1.000 Meter Verfahrweg oder auch schmierfreie Polymerkugel­lager mit hoher Laufzeit an Bedeutung ...

... Dafür sind Hochleistungskunststoffe nötig.

Auf dem Tablet unterwegs online konfigurierbar, als langlebiges Sonderteil 3D-gedruckt oder mit smarter Intelligenz ausgestattet – sogenannte „motion plastics“, also bewegliche Kunststoffe, entwickeln sich immer mehr zu Hightech-Komponenten. Von intelligenten Gleitlagern bis zu Onlineplattformen, die Anbieter und Anwender von kostengünstiger Robotik zusammenbringen sollen, entwickelt sich der Bereich rasant weiter. So zeigte etwa igus im Rahmen der „Hannover Messe“, wie sich neue Geschäftsfelder mittels motion plastics eröffnen lassen. Mit der hauseigenen Kerntechnologie „motion plastics – Kunststoffe für Bewegung“ wage sich der Hersteller laut eigenen Angaben jedes Jahr in neue Bereiche der Industrie. Etwa mittels 3D-Druck für Verschleißteile mit online kalkulierbarer Lebensdauer, intelligenter „smart plastics“, Energieketten mit 1.000 Meter Verfahrweg oder auch schmierfreien Polymerkugellagern mit zehnfach höherer Laufzeit. Hochleistungskunststoffe für die Bewegung seien weltweit stark nachgefragt, erklärt Frank Blase, Geschäftsführer der igus GmbH.

Neues konsequent ausprobieren
igus wachse rein organisch und erschließe sich kontinuierlich neue Märkte wie die Bühnentechnik oder Solarindustrie. „Durch agile Arbeitsmethoden und offene Strukturen sind wir in der Lage, neue motion-plastics-Ideen schnell in Sprint-Teams umzusetzen“, verweist Blase. „Wir probieren aus, machen neu, verbessern, bis der Anwender genau das Produkt erhält, das ihn weiter nach vorne bringt.“ Ein Resultat dieser Dynamik seien etwa die 120 Neuheiten, die das Unternehmen in diesem Jahr auf der Hannover Messe präsentiert habe. Dort zeigte sich dem Manager zufolge deutlich, dass Kunststoff-Maschinenelemente längst zu Hightech-Komponenten geworden seien. Im Portfolio des Unternehmens befänden sich unter anderem Gleitlager, die mit smarter Intelligenz ausgestattet werden können. Mit dem erweiterten Kommunikationsmodul „icom.plus“ könnten Kunden entscheiden, in welcher Form gewonnene Daten eingebunden werden sollen. Von einer Offlineversion für restriktive Umgebungen bis hin zur Anbindung der Werte an den igus-Server zur automatischen Ersatzteilbestellung sei es Anwendern frei möglich, Daten zu integrieren und auszulesen.
Hochleistungspolymere würden auch die Möglichkeiten der Low-Cost-Automation erweitern. Denn wenn Roboter mit Getrieben und vielen anderen Teilen aus Kunststoff gebaut würden, seien enorme Kosteneinsparungen möglich. „Roboter ab 3.000 Euro sind bereits Realität.“ Vernetzen sollen sich Anwender und Hersteller indes über die Onlineplattform „rbtx.com“. Dort könnten Industrie- und Serviceroboter komplett konfiguriert werden.

Drucken im Hochtemperaturbereich
Auch der Bereich der Additiven Fertigung sei im letzten Jahr weitergewachsen. Die 3D-Druckkapazitäten seien etwa durch neue SLS-Drucker verdreifacht und ein eigener Hochtemperaturdrucker für das hitzebeständige Tribo-Filament „iglidur J350“ entwickelt worden. Für gängige Maschinenelemente wie Zahnräder und Rollen biete igus jetzt spezielle Onlinekonfiguratoren und gedruckte Lösungen mit exzellentem Verschleißverhalten. Dabei lasse sich auch die Lebensdauer der 3D-gedruckten Komponenten online berechnen.
Basis dieser Berechnungen seien die Daten aus dem Testlabor. Allein im letzten Jahr wurden laut Blase im Testlabor über 264 neue Kunststoff-Compounds entwickelt und getestet. Dazu seien über 11.300 Tests allein im Gleitlagerbereich an über 50 verschiedenen Prüfplätzen durchgeführt worden. Im Energieketten- und Leitungslabor liefen 2018 über 4.100 Versuche und damit mehr als zehn Milliarden e-ketten-Zyklen. Gleichzeitig sei das Testlabor auch immer eine „Ideenschmiede“, um mit Tribo-Polymeren spezielle Lösungen für die unterschiedlichste Branchen und Anwendungen zu entwickeln.

Schmierfrei lagern
Ein Ergebnis sei etwa das iglidur-Gleitlager „Q2E“, welches bis zu sieben Tonnen im Baumaschinen- und Agrarbereich komplett ohne Schmierung sicher lagern könne. Für lange Verfahrwege eigne sich die e-kette „E4Q“. Mit ihrem schlanken bachkieselförmigen Design spare sie Gewicht ein und sei mit Schnellöffnungsstegen ohne Werkzeug leicht zu montieren. Gerade für entsprechende Lange-Wege-Tests werde zudem derzeit eine neue Testanlage im Außenbereich errichtet. Das Testlabor vergrößert sich damit auf über 3.800 Quadratmeter.
„Die Frage, die mein Vater als Firmengründer 1964 dem ersten Kunden stellte, hat an Aktualität bis heute nichts verloren“, unterstreicht Blase. „Er fragte: ‚Was ist Ihr schwierigstes Spritzgussteil?‘ Heute variieren wir die Frage: ‚Wie helfen wir Ihnen, Ihre Kosten zu senken, die Technik zu verbessern, und das leicht, leise, schmierfrei und langlebig?‘ Mit motion plastics finden wir immer mehr Antworten.“ (TM)

www.igus.at
www.rbtx.com

INFO-BOX
Zahnrad-Lebensdauer im Voraus berechnen
Wie lange hält mein Zahnrad? Um diese Frage zu beantworten, hat igus für seine 3D-gedruckten Zahnräder aus dem SLS-Hochleistungskunststoff iglidur I3 den „Zahnrad-Lebensdauerrechner“ entwickelt. Mit dem Onlinetool würden Nutzer in wenigen Sekunden eine konkrete Aussage über die Lebensdauer des additiv gefertigten Verschleißteils erhalten. Um Drehmoment oder Drehzahl über eine oder mehrere Stufen zu ändern, kommen in einigen Getrieben Zahnräder zum Einsatz. Da häufig Zahnräder mit einer komplexen Evolventenverzahnung gefordert sind, die ohne Hilfsmittel nicht selbst konstruiert werden können, habe igus vor zwei Jahren den Zahnradkonfigurator entwickelt. Dieser sei im letzten Jahr um die Konfiguration von Doppelzahnrädern erweitert worden. In wenigen Schritten müssen Anwender dafür die Daten des Zahnrades – also etwa Zahnmodul, Zähnezahl, Breite sowie Innendurchmesser der Bohrung – angeben. Daraufhin werde automatisch ein 3D-Modell angezeigt, das als STEP-Datei exportiert werden kann. Mit Upload der Datei im igus 3D-Druckservice lasse sich das konfigurierte Zahnrad aus dem extrem langlebigen SLS-Material iglidur I3 direkt bei igus bestellen. Damit Kunden auch die Lebensdauer des verschleißfesten Zahnrads ermitteln können, wurde der Lebensdauerrechner entwickelt, der in nur drei Schritten für Klarheit sorgen soll. Im ersten Schritt müsse zunächst wieder die Zähnezahl, die Breite und das Zahnmodul der Zahnradpaarung eingegeben werden. Im zweiten Schritt frage das Tool nach der Geschwindigkeit und dem Drehmoment des großen oder kleinen Zahnrades, abhängig davon, von welchem Zahnrad die Werte vorliegen würden. Im letzten Schritt gelte es, die Einschaltdauer des gedruckten Zahnrades, die Arbeitsweise, die Umgebungstemperatur und den Sicherheitsfaktor zu bestimmen. Auf Basis der angegebenen Parameter könne das Tool die Lebensdauer des 3D-gedruckten Zahnrades in Sekunden ermitteln. So werde die Wartung bereits vorab planbar, verspricht igus.