»Denn diejenigen, die ihre Leute halten und neue Mitarbeiter gewinnen können, werden zukünftig das Geschäft machen – und das Geschäft ist definitiv da.« © RNF
Eine „Coronaflaute“ hat Peter Lenz, Managing Director der Region Alpine von T-Systems, ganz sicher nicht zu beklagen. Die Zeichen stehen eher auf Wachstum ...
... wie unter anderem in den Bereichen Cloud und SAP S/4HANA.
Peter Lenz ist seit 2018 Managing Director von T-Systems in Österreich, seit 2020 verantwortet er zusätzlich auch die Geschäfte der Schweiz. Beide Landesorganisationen wurden damals zur Region Alpine zusammengefasst. NEW BUSINESS hat mit ihm unter anderem über den Katalysatoreffekt der Pandemie, die neue Ausrichtung des T-Systems-Konzerns, aufkeimenden „Daten-Nationalismus“ und die vielerorts nur schleppende Rückkehr der Mitarbeiter aus den Homeoffices gesprochen.
Herr Lenz, ist T-Systems noch im Krisenmodus, wieder im Normalmodus – sofern es so etwas gibt – oder ist der Krisenmodus zum Normalmodus geworden?
Die Frage ist: Ist das überhaupt ein Krisenmodus? Das war am Anfang vielleicht der Fall. Aber jetzt, eineinhalb Jahre später, ist alles sehr normal geworden. Also Nein, wir sind seit vielen Monaten in einem Normalmodus. Allerdings hat sich das Arbeiten an sich, zum Beispiel hinsichtlich der physischen Präsenz oder auch, wie gut man Kunden oder Lieferanten treffen kann, massiv geändert. Das wird auch sicher zu einem großen Prozentsatz so bleiben.
Und wie sieht es bei Ihren Kunden aus?
Das kommt auf die Branche an. Im Tourismus oder bei Transportunternehmen gibt es noch große Unterschiede. Aber bei vielen unserer großen Kunden, zum Beispiel im öffentlichen Bereich oder auch in produzierenden Betrieben, hat es sich stark gewandelt zu einem sehr aktiven Digitalisierungsbestreben. Wir haben dort viele neue Projekte am Start. Auch wenn ich an Banken und Versicherungen denke, ist da der Konsolidierungsprozess der IT-Landschaften, inklusive der Anbieterlandschaft, voll im Gange.
Man könnte also sagen, dass die Krise jetzt als Katalysator für längst überfällige Veränderungen wirkt?
Wir sehen in den letzten Monaten definitiv eine Beschleunigung. Es wurden auch einige Projekte auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt, einiges wurde gestoppt. Auch uns hat in den ersten Monaten die Kurzarbeit sehr geholfen, weil wir plötzlich Leute übrig hatten, die wir so im Beschäftigungsverhältnis halten konnten. Nach drei Monaten war das gegessen, neue Projekte waren da und wir konnten mit unseren Kunden deren neue Digitalisierungsbestrebungen proaktiv angehen. Da gehören zum Beispiel auch die S/4HANA-Umstellungen dazu, die intensiv vorangetrieben werden und wo wir heute schon wieder bei einem Mitarbeitermangel sind, generell in der Branche, der ärger ist als vor Corona.
Die Pandemie hat Sie also nicht gezwungen, Mitarbeiter gehen zu lassen?
Wir konnten alle halten und konnten vor allem auch viele zusätzlich einstellen. Denn diejenigen, die ihre Leute halten und neue Mitarbeiter gewinnen können, werden zukünftig das Geschäft machen – und das Geschäft ist definitiv da. Gerade jetzt in dieser Aufbruchsstimmungsphase. Viele Branchen sind wieder auf Vorkrisenniveau.
T-Systems-CEO Adel Al-Saleh hat kürzlich von einer „Coronaflaute“ gesprochen. Sie scheinen aber mit dem letzten Jahr ganz zufrieden gewesen zu sein. Für Sie gab es keine Flaute, oder?
Nein, es war definitiv keine Flaute (schmunzelt). Wir hatten letztes Jahr fünf Prozent Wachstum, es ist sehr gut für uns gelaufen. Wir werden dieses Jahr ein ähnliches Ergebnis haben, das zeichnet sich schon jetzt ab. Was unser CEO angesprochen hat, das war ein massiver Abschwung in Deutschland. Auch in sehr von Covid-19 betroffenen Regionen wie Spanien oder Brasilien gab es einen Abschwung. Somit sah er in Summe eine Flaute. Die Schweiz und Österreich haben im Gegensatz dazu letztes Jahr super performt. Auch dieses Jahr läuft es extrem gut und wir stärken den neuen DACH-Wirtschaftsraum.
Wird die im Juli verlautbarte Fokussierung und Neuausrichtung von T-Systems – die Konzentration auf DACH und ausgewählte Industriezweige – auch Auswirkungen auf die Alpine-Region haben? Im Großen und Ganzen ist das doch schon länger Ihre Ausrichtung?
Genau. In Österreich und der Schweiz haben wir das schon vorher so gemacht. Was mir an der neuen Strategie gefällt, ist die starke Ausrichtung auf die Cloud: Multi-Cloud, T-Systems als Cloud Orchestrator, agnostisch, was die großen Hersteller angeht. Wir können mit allen. Wir haben Partnerschaften mit Microsoft, AWS, Google, haben unsere eigene Cloud, sind Teil der Gaia-X-initiative und helfen unseren Kunden, sich in diesem großen, vielseitigen Ökosystem zurechtzufinden. Denn Cloud ist nicht Cloud und die Wege dorthin sind für viele, obwohl wir schon so lange darüber sprechen, noch immer etwas undurchsichtig. Deswegen braucht man einen Partner, der sich in den verschiedenen Ökosystemen gut auskennt und mit dem Kunden durch den – ich möchte fast sagen – „Cloud-Dschungel“ navigieren kann.
Was die Einteilung in die sogenannten Verticals angeht – öffentliche Hand, Health Industry, Automotive und Public Transport – waren wir da in Österreich und der Schweiz bereits traditionell stark vertreten. Bei uns kommen vielleicht noch der Finance- und Insurance-Bereich dazu. Da sehen wir gerade sehr viele Möglichkeiten, es ist eine starke Konsolidierung im Gange. Die wollen weg von ihren Großrechnern. Hier erweitern wir sozusagen die große T-Systems-Ausrichtung um diesen Bereich und wollen hier mit unseren Cloud-first-Ansätzen auch diese Kunden begeistern.
Aber wenn zum Beispiel ein Retailer kommt, laufen Sie vor dem wahrscheinlich auch nicht davon.
Wir laufen sicher nicht davon, weil wir zum Beispiel auch für einen großen Retailer mit Sitz in Salzburg immer wieder spannende Angebote haben.
Das Thema Cloud hat Sie in letzter Zeit ziemlich beschäftigt. Ich erwähne nur Schlagworte wie die Partnerschaft mit Google Cloud, die Überreichung des Ö-Cloud-Gütesiegels oder die Ankündigung einer Swiss Cloud. Gibt es eigentlich auch eine Österreich-Cloud?
Es gibt die Ö-Cloud-Zertifizierung, die uns übergeben wurde. Eine Österreich-Cloud in diesem Sinne gibt es aktuell nicht, kann aber natürlich aus den Themen, die gerade im Entstehen sind und die wir mit Kunden diskutieren, sehr schnell kommen. Man muss auch sehen, wie der „Appetit“ der Österreicher in dieser Hinsicht ist und ob sie eine rein österreichische Datenhaltung haben wollen.
Heißt das, dass die Schweizer, was ihre Daten betrifft, noch ein bisschen empfindlicher sind als die Österreicher? Ist deswegen dort die eigene Swiss Cloud jetzt schon Thema?
Ich sehe bei einigen Schweizer Unternehmen einen sehr starken Daten-Nationalismus, auch ausgelöst durch die Pandemie. Einige Schweizer Unternehmen und Organisationen, auch staatliche, sind sehr darauf bedacht, sehr genau über die Betreiber der Systeme Bescheid zu wissen. Es geht gar nicht so sehr darum, wer darauf Zugriff hat, sondern welche Menschen und Organisationen diese Daten betreiben. Durch die Abhängigkeit von Amerika hat man bemerkt, dass man nicht sicher sein kann, ob der genutzte Service morgen noch zur Verfügung steht. Fairerweise muss man sagen, dass es keine Ausfälle gab. Aber es ist ein sehr starkes Bewusstsein dafür entstanden. Auf der anderen Seite sind auch große Schweizer Unternehmen wesentlich offener als österreichische, was die Nutzung von Hyperscalern angeht. Da sehe ich in Österreich noch immer etwas mehr Zurückhaltung als in der Schweiz. Das Spektrum ist weiter auseinander gegangen: zum einen sehr große Affinität dazu, wo Daten liegen und wer die Infrastruktur betreibt, und zum anderen auch die Möglichkeit, Hyperscaler in vollem Ausmaß zu nutzen und überhaupt keine Bedenken dabei zu haben.
Sie haben es selbst gesagt: Wir sprechen schon lange von der Cloud. Ist diese „Cloud von früher“ mit der heutigen Vorstellung von Cloud überhaupt noch vergleichbar?
Es hat sich natürlich viel gewandelt. Alleine schon bei der Funktionalität, die heutige Clouds oder Cloud-Ökosysteme anbieten, sei es im Provisioning oder bei der Abrechnung, hat sich unheimlich viel getan. Es wurde hart daran gearbeitet, dass es immer besser, redundanter und sicherer wurde. Man muss jedem Cloud-Anbieter zugutehalten, dass sie die Daten mindestens so gut oder besser schützen, als man es selbst könnte.
Cloud-Ressourcen eignen sich wunderbar, um etwa kurzfristige Lastspitzen abzufangen, ohne dass man die eigenen Kapazitäten dauerhaft aufstocken muss. Das andere ist der von Ihnen angesprochene Security-Aspekt. Ist die Cloud trotzdem immer die richtige Wahl? Wenn man genau weiß, was man braucht und brauchen wird, ist doch eine eigene Infrastruktur noch immer günstiger.
Das ist absolut richtig. Wenn ich sehr genau weiß, was ich will, und sehr genau weiß, wie mein Daten- und Compute-Wachstum in den nächsten Jahren aussehen wird, dann kann ich auch von einem Anbieter wie zum Beispiel uns eine sehr günstige, auf den Use Case sehr gut skalierte Lösung bekommen, die preislich hochattraktiv ist. Die Frage ist nur, ob ich das wirklich weiß und ob es dann auch so passiert. Wir hatten kürzlich einen Kunden im SAP-Umfeld, der sich für eine herkömmliche, aber sehr performante Lösung hier bei uns im Keller des T-Centers entschieden hat, die wir ihm on premise auf unserer eigenen Cloud-Infrastruktur im Datacenter sehr kostengünstig angeboten haben – 30 Prozent günstiger als die große Hyperscaler Cloud-Konkurrenz. Das geht.
Das heißt also, wenn man es nicht so genau weiß ...
Wenn man es nicht weiß, dann sind die zeitgemäßen, aktuellen Cloud-Lösungen sicher die bessere Wahl. Auch, weil man dann mit Release Management, Upgrades und all diesen Themen überhaupt nichts mehr zu tun hat. Man bezieht Compute und Storage „aus der Steckdose“. Die berechtigte Frage, die sich Unternehmen und Organisationen stellen sollten, ist, ob es ihre Kernaufgabe ist, solche Plattformen selbst zu betreiben, oder ob es nicht klüger ist, diese Verantwortung abzugeben.
Das ist auch ein buchhalterisches Thema, oder?
Das ist das Nächste, ich habe keine Capex (Anm.: Investitionsausgaben) sondern Opex, also Operational Expanses, und kann damit meine eigenen Finanzprozesse anders steuern. Hier gibt es meinerseits einen kleinen Kritikpunkt, weil die Investitionsprämie der österreichischen Regierung war natürlich sehr stark auf Investitionen bezogen und da waren Cloud-Dienste nicht inbegriffen. Da gibt es noch einen kleinen Nachschärfungsbedarf.
Am Schluss würde ich noch einmal zum Mitarbeiter-Thema zurückkommen. Auch bei Ihnen sind viele noch im Homeoffice. Wird das so bleiben?
Ich glaube generell, dass man dort, wo es Sinn macht – bei Co-Creation, Team-Meetings, wenn es darum geht, sich gegenseitig zu sehen und zu spüren – die Büroinfrastruktur wieder verstärkt nutzen sollte. Ich halte nichts davon, ein Heer von Hunderten Freelancern zuhause vor den Schirmen zu haben, weil dadurch der Bezug zum Unternehmen verloren geht. Es gibt so etwas wie eine T-Systems-Familie, eine „Unter-der-Woche-Familie“, wie es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nennen. Wir müssen jetzt wieder in diesen Familiengeist investieren. Sonst fehlt etwas. Wenn ich an unsere Sinne denke, das Sehen, das Spüren, das Sprechen, dann sind Videokonferenzen da eine trennende Barriere. Es funktioniert, wir haben das alle gesehen, aber wenn es zum Beispiel um das Onboarding neuer Mitarbeiter geht, dann ist es wichtig, dass man sich sieht. Man kann Firmenwerte anders transportieren, wenn man Face-to-Face mit Kunden zusammenkommt – oder auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander.
Der sogenannte „war for talents“ grätscht da gerade ein bisschen hinein. Firmen ködern wechselwillige Mitarbeiter mit dem Versprechen, dass sie bei ihnen eben nicht ins Büro kommen müssen, sondern im Homeoffice bleiben können.
Ich bin kein Homeoffice-Gegner geworden in den letzten Wochen, ganz im Gegenteil. Homeoffice ist gekommen um zu bleiben. Aber in einem vernünftigen Mix wird man wieder das Beste aus beiden Welten kombinieren – für die Generierung neuer Ideen, für Dinge, die Spaß machen, ein bisschen Tratsch, all das, was das Büroleben eben auch ausmacht. Für den Entwicklungsprozess neuer Lösungen ist das persönliche Zusammenkommen meines Erachtens ganz wichtig.
Ob – wenn ich das so verallgemeinernd sagen darf – „unsere Generation“ da nicht etwas altmodisch ist?
Das ist eine gute Frage. Das frage ich mich auch. Aber gerade die Purpose-Diskussion, die auch die jungen Kolleginnen und Kollegen intensiv führen, dreht sich unter anderem um die Frage, ob es nur um die Aufgabe geht, oder eben auch um das Miteinander im Team. (RNF)
INFO-BOX
Zur Person
Peter Lenz bekleidete im Zuge seiner Laufbahn bereits unterschiedliche Top-Management-IT-Positionen in den Bereichen Automotive, Energie und Mobilität. So arbeitete er in leitenden Funktionen bei Magna Europe, Magna Powertrain und der OMV AG. Von 2011 bis 2016 war er bei den Österreichischen Bundesbahnen als Konzern-CIO tätig. Im Januar 2017 begann Lenz seine Karriere bei T-Systems Austria, erst als VP Delivery und mit Januar 2018 dann als Vorsitzender der Geschäftsführung der T-Systems Austria. Seit dem 1. Januar 2020 ist Peter Lenz als Vorsitzender der Geschäftsführung für T-Systems Österreich und Schweiz für die Großkundensparte der Deutschen Telekom in der Region Alpine verantwortlich. Er begann ein Studium in Maschinenbau und Informatik an der TU Wien und studierte später Informations- & Wissensmanagement an der Donau-Universität Krems.