Mit 3D-Druck werden komplexe, von traditionellen Strukturen abweichende Architekturen einfacher umsetzbar. Häuser aus dem 3D-Drucker können viel organischer geplant werden. © Pixabay
Das Bauwesen wandelt sich durch das Aufkommen von 3D-Drucksystemen immer stärker. Was früher Wochen und Monate bis zur Fertigstellung benötigte, lässt sich heute in wenigen Tagen realisieren.
Beton ist ein enorm wichtiges Baumaterial. Denn Beton ist billig, verfügbar, frei formbar und homogen. Wenig Wunder also, dass selbiger in Kombination mit 3D-Druck heute am Weg ist, für die Bauindustrie zur Standardlösung zu werden, um bei niedrigen Kosten geringe Stückzahlen an Bauteilen zu produzieren, zum Beispiel Wand- oder Fassadenelemente speziell für ein Objekt, wie es sich ein Architekt erträumt. Egal, ob vorgefertigt oder direkt auf der Baustelle genutzt, das Verfahren ermöglicht es, kreative Ideen einzubetonieren. Und das ohne Verschalung, die oft gerade verlaufende, durchgehende Wandstärken mit sich bringt, auch an Stellen, wo diese gar nicht gebraucht werden. Für Architekten bringt das 3D-Betondruckverfahren neue künstlerische Freiräume.
Seit 2015 wird bei Incremental 3D GmbH, einem Spin-off der Uni Innsbruck, am 3D-Betondruck geforscht. Der Beton muss gleich, nachdem er aus der Düse des Roboters austritt, eine hohe Festigkeit erreichen. Die Schichten müssen sich gut verbinden. Nur, was ist eine fest verbundene Schicht? Wer definiert die Spezifikationen, anhand derer man den im 3D-Druck verbauten Beton als sicher, dicht oder gar wärmedämmend qualifizieren kann? Damit der Beton-3D-Druck im Hochbau verwendet werden kann, braucht es daher standardisierte Prüfverfahren. „Die Experten sind gefordert, bei Austrian Standards rasch zum Beispiel Materialstandards zu definieren, in welcher Qualität etwa der Schichtverbund für gewisse Funktionen hergestellt werden muss“, erklärt Georg Grasser von Incremental.
Kostengünstige Wohnlösungen
In der französischen Stadt Nantes kam es im heurigen Sommer indes zu einer Weltpremiere: Dort zog erstmals eine Familie in ein Haus ein, das komplett von einem Roboter per 3D-Druck gebaut wurde. Das innovative Gebäude namens „Yhnova“ wurde mithilfe des Verfahrens „BatiPrint 3D“ produziert und war in nur 54 Stunden fertiggestellt. Lediglich die Fenster und das Dach mussten dann noch ergänzt werden. Mit dem Gemeinschaftsprojekt wollten die örtliche Stadtverwaltung und die Universität Nantes neue Möglichkeiten für kostengünstige Wohnlösungen aufzeigen.
„Yhnova verfolgt das Hauptziel, mithilfe des 3D-Drucks zu zeigen, dass mit dieser Technologie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann“, zitierte „BBC News“ den zuständigen Projektleiter Benoit Furet, Professor am Institute of Technology der Universität Nantes. Bezahlbar vor allem deshalb, weil sich die Baukosten durch die Verwendung der neuen Methode im Vergleich zu einem traditionellen Häuserbau um bis zu 70 Prozent reduzieren lassen sollen. „Das Budget für dieses Bauvorhaben hat lediglich rund 195.000 Euro betragen“, betont der Forscher.
„Es gibt weltweit Bestrebungen, den 3D-Druck von Häusern zu industrialisieren“, erklärte Andreas Schwirtz, Geschäftsführer des 3D-Druck-Spezialisten Virtuamake, gegenüber dem Branchendienst „pressetext“. Beispielsweise gebe es in Dubai bereits einige entsprechend gefertigte Gebäude. „Die große Herausforderung besteht darin, das richtige Baumaterial zu finden. Wenn ein großer Roboterarm ein Gebäude Schicht für Schicht aufträgt, muss dieses am Ende über die nötige Stabilität verfügen und sollte auch optisch ansprechend aussehen“, erläutert der Experte, der Häuser aus dem 3D-Drucker durchaus als „wirtschaftliche Alternative für sozialen Wohnbau“ sieht.
Komplexe Pläne umsetzen
Neben einer deutlichen Reduktion von Bauzeit und -kosten sollte mit Yhnova aber auch noch ein weiterer Vorteil des Hausbaus durch 3D-Druck-Roboter demonstriert werden: die Möglichkeit, komplexere vom traditionellen Bauschema abweichende Grundrisse und Formen zu realisieren. So verfügt das einstöckige Gebäude in Nantes mit seinen fünf Zimmern und einer Grundfläche von 95 Quadratmetern etwa über einen Grundriss mit zwei geschwungenen Außenmauern. „Häuser aus dem 3D-Drucker können viel organischer geplant werden. Kurven oder Kuppeln lassen sich problemlos umsetzen“, unterstreicht auch Schwirtz. „Kurven sind nicht nur schön anzusehen, sondern haben auch echte praktische Vorteile. Sie verbessern etwa die Luftzirkulation im Inneren des Hauses, reduzieren die Feuchtigkeit und bringen eine bessere thermische Widerstandsfähigkeit“, meint auch Projektleiter Furet.
Forscher der Purdue University haben wiederum im Bereich des 3D-Drucks viskoser Stoffe entscheidende Fortschritte erzielt. Für gewöhnlich tendieren flüssige Materialien dazu, unter ihrem eigenen Gewicht zusammenzubrechen. Deshalb ist es auch so schwierig, zähflüssige Stoffe mittels 3D-Druck zu verarbeiten. Die Viskosität einer Flüssigkeit ist ein Indikator für die Widerstandsfähigkeit gegenüber gradueller Verformung durch Scher- und Zugbelastung.
Extrem viskose Materialien verarbeiten
Dank des neuen Verfahrens ist der 3D-Druck von extrem viskosen Materialien – mit einer Konsistenz von beispielsweise Keksteig und Lehm – möglich. „Es ist sehr spannend, dass wir Stoffe mit Konsistenzen drucken können, die bisher zu Schwierigkeiten geführt haben. Somit gelingt es, verschiedene Lebensmittelstrukturen, biomedizinische Implantate wie Zahnkronen aus Keramik und personalisierte Medikamente mittels 3D-Druck maßgeschneidert herzustellen“, erklärt Forschungsleiter Emre Gundez von der Purdue University.
Während vergleichbare Verfahren nach einer Veränderung in der Zusammensetzung der Materialien verlangen würden, kämen im neuen Verfahren Ultraschallschwingungen mit hoher Amplitude zum Einsatz. Die Anwendung erfolge bei der Düse des 3D-Druckers. Den Forschern zufolge führe Manipulation durch Ultraschall zu einzigartigen Innovationen in dem Bereich. „Durch die Vibrationen an der Düse können wir verhindern, dass es an den Wänden zu einer Reibung kommt. Somit schlängelt sich das Material problemlos heraus“, schildert Gundez. (TM)
www.austrian-standards.at
www.batiprint3d.fr/en
www.univ-nantes.fr
www.virtumake.com
www.purdue.edu
INFO-BOX
Nachschub aus Abfall
Geht es nach Forschern des U.S. Army Research Laboratory soll Abfall in Zukunft vor Problemen beim Nachschub schützen. Das Team um die Materialchemikerin Nicole Zander setzt dabei auf alltäglichen Abfall wie Getränkeflaschen, die per 3D-Drucker zu dringend benötigten Ersatzteilen werden. Denn die Forscher konnten zeigen, dass geeignetes recyceltes Polyethylenterephthalat (PET) als Ausgangsmaterial für den 3D-Druck ebenso gut taugt wie kommerzielles Druckermaterial. Das US-Militär setzt zunehmend auf
3D-Druck. Doch solange die Drucker spezielle Kunststofffäden als Rohstoff brauchen, stehen die Geräte womöglich genau dann still, wenn sie eigentlich am meisten bringen könnten – nämlich, wenn es Probleme mit dem Materialnachschub gibt. „Im Idealfall sollten Soldaten nicht auf den nächsten Versorgungs-LKW warten müssen, um kritische Ausrüstung zu bekommen“, meint Zander. „Sie könnten stattdessen in die Kantine gehen, weggeworfene Wasserflaschen, Milchkrüge, Schachteln oder andere wiederverwertbare Materialien sammeln und diese nutzen, um mit 3D-Druckern Werkzeuge, Ersatzteile und andere Gadgets zu fertigen.“ Daher hat sie sich mit Kollegen damit befasst, was auf einer Basis vor Ort als Rohstoff zur Fertigung von Ersatzteilen infrage kommt. Dabei hat sich gezeigt, dass reines Polypropylen (PP) oder Polystyren nicht geeignet sind. Doch PET, wie es beispielsweise in Getränkeflaschen zum Einsatz kommt, liefert durch Recycling passende Fäden, die ebenso robust und flexibel sind wie kommerziell erhältliche Druckerfäden. Aus zehn Wasserflaschen konnte das Team somit eine neue Fahrzeughalterung für ein Funkgerät fertigen. Wie das Team anlässlich
des 256th National Meeting & Exposition of the American Chemical Society berichtet, ist es mittlerweile auch gelungen, PP-Zellulose-Kompositfäden zu fertigen, die hervorragende mechanische Eigenschaften haben und zum 3D-Druck sehr robuster Gegenstände geeignet scheinen. Die Forscher befassen sich nun weiter damit, welche Materialien mit welchen Zusatzstoffen besonders tauglich scheinen. Zander und ihr Team arbeiten zudem an einem mobilen Recycling-Trailer, mit dem entsprechend ausgebildete Soldaten auch im Feld aus Kunststoffabfällen neue 3D-Druckerfäden fertigen könnten. Zudem befassen sich die Forscher damit, ob auch ein Druck mit Recycling-Pellets möglich wäre. Dies wäre wahrscheinlich einfacher und würde schneller gehen.