Ing. Mag. Raimund Gfrerer, Vorstand der Management Trust Holding im Porträt

NEW BUSINESS - NR. 11, DEZEMBER 2013/JÄNNER 2014
Ing. Mag. Raimund Gfrerer © Gabriele Sonnberger

Management by passion.

Seit 2009 gehört Ing. Mag. Raimund Gfrerer dem Vorstand der MTH-Gruppe an. Seine Aufgaben meistert der Betriebswirt und Techniker mit Leidenschaft, vor allem für die Vielfältigkeit der geschäftlichen Themen und Arbeitsanforderungen: „Da kann es schon vorkommen, dass ich mich morgens mit einer Markenanalyse für unsere Diskontmärkte in Deutschland beschäftige, ­mittags mit der Übernahme einer ­australischen Zutrittstechnik-Firma, nachmittags in einer Unternehmenspräsentation zu einem neuen Biotech-Projekt sitze und abends das Bewerbungs­gespräch mit dem zukünftigen Finanz­manager unseres Salzburger Tochter­unternehmens führen darf. Das macht doch mehr Spaß, als sich jeden Tag mit den gleichen Produkten oder den gleichen Finanzberichten beschäftigen zu müssen", so Raimund Gfrerer über sein daily business. Spannend ist es für ihn auch, auf neue, intelligente und interessante Menschen aus allen Wirtschaftsbereichen zu treffen, zum Besipiel erst kürzlich einen Spektral­analytiker, der eine wirksame und kosten­günstige ­Methode zur Diagnose von Tumorzellen entwickelt hat.

Wertvolle Arbeitsmoral
Obwohl der erfolgreiche Geschäftsmann ein Freund von guten Verträgen ist, sind für ihn Ehrlichkeit und Integrität, die sogenannte „Handschlagqualität" und wechselseitiges Vertrauen die Grund­lagen allen Wirtschaftens und jeder Unter­nehmenskultur. Letztlich sind Anstand und Humanität alles, was bleibt, wenn Spitzenmanagern der wirtschaftliche Erfolg einmal abhandenkommen sollte. „In den letzten Jahren haben wir zu oft die persönliche und mediale Vernichtung von solchen Spitzenmanagern und Unternehmern erlebt. Ursache dafür waren nicht so sehr deren ökonomische Misserfolge als vielmehr die Zweifel an ihrer persönlichen Integrität. Zu den wichtigen Führungsinstrumenten gehört eine offene Kommunikation, auch und gerade in den unangenehmen Aufgaben des Jobs, wie etwa der Kündigung von Mitarbeitern oder anderen Krisenmaßnahmen. Ohne Leistungsbewusstsein führen weder unerschöpfliche Finanzquellen noch die besten Erzeugnisse zum Erfolg. Führungskräfte dürfen und müssen von ihren Mitarbeitern größtmögliche­ Einsatzbereitschaft verlangen, allerdings sind sie ebenso dazu verpflichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Meis­ter­ im Delegieren, die sich auf das Unter­zeichnen von Protokollen und Aktnotizen­ beschränken, mit dem PC- und papierfreien Schreibtisch und den goldenen Füllhaltern sind ein Relikt von gestern. ‚Uncool‘ sind Manager-Statussymbole, Privilegien und Chef-Allüren. ‚Cool‘ ist gutes Geld für gute Leistung. Spaß an und in der Arbeit ist ein oft unter­schätzter Treiber des Unternehmenserfolgs. In Österreich haben, Studien zufolge, 63 Prozent der Arbeitnehmer Spaß im Firmen­alltag. Aus dem Blickwinkel eines chinesischen Minenarbeiters sind das viele, mit dem Anspruch eines modernen euro­päischen Industriestandards sind das aber zu wenige. Führungskräfte­ und Mitarbeiter brauchen Selbstironie, wirklich kompetente Manager haben dadurch nie Autorität eingebüßt. Die, die sich selbst zu ernst nehmen, sind die Ersten, die in einer Krise Angst verbreiten."

Aussichten und Perspektiven
Die MTH-Gruppe ist ein Mischkonzern, der sowohl im Konsumgüterbereich (Libro,­ Pagro) als auch im Investitions­güterbereich (Werkzeugmaschinen, ­Zutrittssysteme) tätig ist. Währungs- und Wirtschaftskrisen wie 2008/09 wirken sich erfahrungsgemäß zuerst auf die Investitionsgüterindustrie aus und erst zeitversetzt auf die Kaufkraft der Bevölkerung und damit die Konsumgüter­industrie. Durch das Engagement der MTH in beiden Bereichen kann und konnte die Gruppe selbst größere ­Wirtschaftskrisen relativ unbeschadet überstehen. Wenn es den Staaten gelingt, die Stabilität des Finanzsystems und die ausreichende Finanzierung von ­Unternehmen durch Kredite und den Kapitalmarkt aufrecht zu halten, ist in Zentraleuropa mit einem moderaten Wirtschaftswachstum zu rechnen. „Unter­ solchen stabilen Voraussetzungen können wir in fast allen Bereichen ausreichende Erträge erzielen. Damit sind wir in der Lage, das Einzelhandelsfilialnetz auszubauen, Druckereien und Verlage weiter zu modernisieren und die Technologie der Maschinen- und Anlagenbauer auch außerhalb Europas noch stärker zu ­etablieren", so Raimund Gfrerer. Die Herausforderung für die Führungskräfte der MTH-Gruppe liegt vor allem darin, die Finanzierung dieser zukünftigen Vorhaben sicherzustellen, selbst wenn die weltweiten Finanzsysteme wieder instabiler werden sollten. „Letztlich sind die Aufgaben für unsere Manager in jedem Erstsemestrigen-Lehrbuch der Betriebswirtschaftslehre nachzulesen: ordentliche Produkte und Dienstleis­tungen für Menschen, möglichst sichere Arbeitsplätze mit fairer Entlohnung für unsere Mitarbeiter und eine ausreichende­ Verzinsung des Geldes, das unsere ­Eigentümer zur Verfügung gestellt haben. Wesentlicher Teil unseres Leitbildes ist eine Kultur der Bescheidenheit. Unsere Eigentümer wollen weder Ferraris sammeln noch Luxusjachten anschaffen oder Innenstadtpalais besitzen. Das verdiente Geld kommt daher fast ausschließlich wieder den Unternehmen und neuen Projekten zugute."

Neun Fragen an Raimund Gfrerer.

Was wollten Sie als Kind werden?
In sehr frühem Alter wollte ich König oder zumindest Hofmarschall werden. Als mir klar wurde, dass die beruflichen Chancen dafür in Österreich eher gering waren, tendierte ich zu „Fußballweltmeister" oder „U-Boot-Kapitän". Die geringe Anzahl österreichischer U-Boote und WM-Teilnahmen und der ernüchternde Realitätssinn meiner Eltern bewogen mich dann zu einer HTL-Ausbildung als Betriebstechniker mit anschließendem Wirtschaftsstudium.

Was bedeutet Glück für Sie?
Glück ist letztlich immer das, was man dafür hält.
Ich sehe keinen Sinn darin, das „kleine Glück" zu versäumen, weil man ständig auf das große wartet. Lebensglück hat handfeste Grundlagen, wie eine harmonische Partnerschaft, Familie, Freunde, aber natürlich auch materielle Sorgenfreiheit. Frei nach Nietzsche laufen wir alle immer schneller dem Glück hinterher. Erst wenn wir müde und etwas langsamer werden, holt es uns ein.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Beruflich gab es immer wieder große Erfolgserlebnisse wie etwa die nachhaltige Restrukturierung von Konzernbetrieben, der Transfer eines Brauereiunternehmens an einen neuen Eigentümer oder die gelungene Standortverlagerung von Lebensmittel­betrieben. Keines der Projekte wäre jedoch ohne verlässliche und kompetente Mitarbeiter erfolgreich geworden. Das bei Weitem längste und schwierigste „Projekt" war das Großziehen meiner drei Kinder. ­Allerdings war auch bei keinem anderen Projekt der Erfolg so erfreulich.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
Kein dezidiertes Lebensmotto, aber gut gefällt mir: „Success is how high you bounce when you hit the bottom" vom US-General George Patton. Ich mag Menschen, die aus Misserfolgen neue Chancen generieren und die nie aufhören mit dem Bemühen, das Richtige zu tun.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Mit dem österreichischen Kanzler oder einem anderen Regierungsmitglied, wenn ich gleichzeitig die Möglichkeit bekäme, einige grundlegende Entscheidungen zu treffen. Es gibt in diesem Land so vieles, das verändert werden muss.

Was war das Verrückteste, das Sie in Ihrem Leben getan haben?
Ich bin mal ohne Handschuhe in der U-Bahn gefahren. Aber ein paar weniger abenteuerliche Erlebnisse gab’s auch: Mit dem Motorrad auf einem Dschungelpfad in Kambodscha, Paragleiten in ein paar Tausend Metern Höhe oder mit dem Jeep im omanischen Wüstensand stecken bleiben – das stärkt die Nerven für die Schwierigkeiten des Geschäftsalltags.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Axolottl Roadkill" von Helene Hegemann, einer jungen deutschen Autorin, die vom Leben nicht gerade sanft behandelt wurde. Mit wortgewaltiger Sprache bekämpft die Autorin darin die – wahrscheinlich eigene – Leere des Daseins mit exzessiven Lebensentwürfen. Obwohl oder vielleicht auch weil sie bei Teilen des Romans angeblich plagiatsverdächtige Anleihen bei Bloggern und Autorenkollegen genommen hat, ist das ein beeindruckendes Buch geworden.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Niall Ferguson, der unkonventionelle britische Wirtschaftshistoriker, vor allem mit seinem Buch „A Financial History of the World", in dem er schon 2008 auf die Gefahr der ungezügelten Kreditexpansion hinwies, die schließlich zum Crash am Jahresende führte. Außerdem finde ich Fergusons Ansatz der „virtuellen Geschichte" interessant, in dem er projiziert, wie die Welt aussähe, wenn geschichtliche Ereignisse anders ausgegangen wären – etwa wenn Deutschland den Ersten Weltkrieg nicht verloren hätte und daraus kein Nationalsozialismus entstanden wäre.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und warum?
Ich bevorzuge eindeutig das Menschsein. Aber vielleicht haben die Hindus recht, und wir werden nach ein paar Fehlversuchen im Leben als Tiere wiedergeboren. Dann wäre ich zumindest lieber Delfin als Sardine.

Zur Person
Nach zehn Jahren in der Mautner-Markhof- bzw. Lesaffre-Gruppe war es Raimund Gfrerer wichtig, etwas Neues zu beginnen, was ihm 2009 mit einer Vorstandsposition in der Taus-Gruppe gelang. Heute betrachtet er es als besondere Ehre, in einer Unternehmensgruppe zu arbeiten, deren Gründer es sich nicht mit dem Verbleib auf den Pfründen der Politik bequem gemacht hat. Die MTH-Gruppe ist ein Beispiel dafür, wie man selbst mit anfänglich geringen finan­ziellen Mitteln, dafür aber umso mehr Mut einen Konzern mit heute fast 6.000 Arbeitsplätzen schaffen kann. Die Faszination für seine Führungsposition entstand in erster Linie aus innerer Zuversicht und Optimismus. Darüber hinaus hat ihm seine „zweigleisige" Ausbildung als Techniker und ­Betriebswirt viele Möglichkeiten eröffnet, ­sodass er heute in der Lage ist, sowohl die technische Qualität der Produkte zu erfassen als auch die Ertragskraft einer neu übernommenen Firma zu analysieren.

(BO)