Im Auftrag der Corporate Security

NEW BUSINESS - NR. 2, MÄRZ 2019
Risiko verpflichetet: Professionelle Sicherheitsmanager tragen wesentlich zur Wertschöpfung in Unternehmen bei. © Fotolia/beebright

Die Unternehmenssicherheit ist ein Wachstumsmarkt mit Milliardenpotenzial. Dementsprechend groß ist der Bedarf an Experten ...

... mit tiefem Verständnis für die komplexen Herausforderungen des Sicherheitsmanagements.

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, das die Menschheit seit je her bewegt. Und auch im Geschäftsleben haben Maßnahmen zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum bereits eine jahrhundertealte Tradition. Die volatile, digitalisierte und globalisierte Wirtschaft von heute ist zwar mit einer weit komplexeren Bedrohungslandschaft konfrontiert, doch das Hauptziel der unternehmerischen Sicherheit ist nach wie vor dasselbe: der wirksame Schutz von Menschen, Know-how und Sachwerten.

Reale Gefahren aus dem virtuellen Raum
Phishing, Malware, Datendiebstahl, Identity Fraud, digitale Erpressung oder Advanced Persistent Threats – man möchte meinen: Wer heutzutage „Cyber“ sagt, muss auch „Security“ sagen. In der Tat gilt die virtuelle Kriminalität als eine der derzeit größten Bedrohungen für die unternehmerische Sicherheit. Zu Recht. Seit 2014 werden vom Cybercrime Competence Center des österreichischen Bundeskriminalamtes kontinuierliche Anstiege im Bereich Cybercrime verzeichnet. Rund um den Globus sind bereits Schäden über hunderte Milliarden Dollar zu beklagen.
„Das aktuell größte Thema in der Community ist die Informations- bzw. Cybersicherheit und wie der Umgang mit diesen neuen Gefahren erfolgen soll“, bestätigt uns auch Martin Langer, Sicherheitsexperte und Leiter des Fachbereichs Risiko- und Sicherheitsmanagement an der FH Campus Wien. „Was sicher weniger thematisiert wird, ist das Thema Wirtschafts- und Industriespionage, das lautlos im Hintergrund agiert“, erklärt der Experte.

Die Konkurrenz schläft nicht
In einer Erhebung des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) wurde die Frage nach Vorfällen oder konkreten Verdachtsfällen zur Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung in den vergangenen Jahren im Durchschnitt von elf Prozent der Betriebe bejaht. Mit der Digitalisierung ist die Menge an digital verfügbaren Informationen gestiegen, zudem haben sich die Kommunikationsprozesse vervielfältigt: Auch Maschinen und Anlagen sind zunehmend in offene Netze eingebunden. Finden Angreifer ein Leck, können sie Informationen in fast beliebiger Detailtiefe direkt über die Produktionssysteme beziehungsweise die Anlagensteuerungen abrufen. Solch eine Schwachstelle kann ein Unternehmen ruinieren – wenn beispielsweise Wettbewerber nach einer erfolgreichen Ausspähung das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung schneller und günstiger auf den Markt bringen. Für Martin Langer nimmt vor allem der Innovationsgeist Österreichs in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle ein. „Dieses Thema ist deshalb aus meiner Sicht so wichtig, da wir in Europa und auch in Österreich über viele einzigartige Rohstoffe verfügen, dieser Rohstoff ist unser Wissen und die Innovationskraft. Wenn wir diese also durch Wirtschafts- und Industriespionage verlieren, geht es da nicht nur um einzelne Firmen, sondern um unsere Volkswirtschaft und Gesellschaft als Gesamtes.“

Von der Bedrohung zur Konsequenz
Unternehmen, die sich nicht ausreichend mit dem Thema Sicherheit befassen, müssen laut Langer in letzter Instanz um den Fortbestand der Organisation bangen: „Sei es durch Malversationen, dass Millionen aufgrund von ‚CEO Fraud‘ überwiesen werden, Betriebsgeheimnisse gestohlen werden, die Mitbewerber in eine bevorzugte Position bringen, oder Kundendaten aus der Organisation transferiert werden etc. Natürlich wird nicht jedes dieser Ereignisse existenzbedrohend sein. Wenn ich ein plastisches Beispiel bringen darf: Es wird niemand sagen, ‚um den Brand des Papiereimers kümmere ich mich nicht, weil das ist nicht so schlimm‘, da hier die verheerenden Auswirkungen offensichtlich und unmittelbar vorhersagbar sind.“

Karrieresprungbrett Sicherheit
Einzelnen Gefahren mit Hausverstand zu begegnen mag einfach erscheinen, die Sicherheit einer ganzen Organisation zu managen, ist jedoch eine weitaus schwierigere Aufgabe. Für den internationalen Wachstumsmarkt Sicherheit war dies ein ausschlaggebender Faktor, sich zu professionalisieren und ein eigenes Berufsbild zu etablieren. Auch in Österreich wird die Position des sogenannten Sicherheitsmanagers immer häufiger besetzt, bestätigt uns Martin Langer den Trend zur professionell betreuten Corporate Security, „wobei dieses Berufsbild der Sicherheit zweigeteilt gesehen werden kann. Einerseits Sicherheit als Security, dies betrifft intentionale Gefahren – also dort, wo Menschen kriminell werden oder sich in böser Absicht gegen eine Organisation stellen. Andererseits gibt es den Themenbereich Safety, bei dem es um Unfälle, fahrlässiges Handeln oder technische Gefahren geht. Die sicherheitstechnische Betreuung ist beispielsweise bereits ab dem ersten Mitarbeiter gesetzlich verpflichtend, und somit gibt es hier einen großen Bedarf an qualifizierten Personen.“

Ganzheitlicher Bildungsansatz
Das operationelle Sicherheitsmanagement hat sich in den vergangenen Jahren vom dezentralen zum zentralen Thema im Unternehmen gewandelt, was für die Verantwortlichen eine Vielzahl an neuen Anforderungen mit sich bringt. Um diesen gerecht zu werden, hat sich auch die heimische Hochschullandschaft auf die Professionalisierung des Berufsbildes eingestellt und bietet seit einigen Jahren Studiengänge im Bereich Sicherheitsmanagement an. So auch die FH Campus Wien. „Mit unserem Bachelorstudiengang ‚Integriertes Sicherheitsmanagement‘ decken wir drei Bereiche ab: den Bereich Organisation und Management, den Bereich Safety mit den Themen Brandschutz sowie ArbeitnehmerInnenschutz und den Bereich Security mit den Themen Physische Sicherheit, Security Management, Informationsicherheit sowie Reisesicherheit, Notfall- und Krisenmanagement etc.“, so Langer. „Zu dieser Expertise in Bezug auf Gefahren kommt aber nun Expertise zum Thema Organisation dazu. Wir sehen den Sicherheitsmanager mittlerweile als internen oder externen Berater. Auch wenn sie in keiner Organisation sind, übernehmen sie Beratungsfunktionen und müssen Organisationen in Bezug auf Risiko und Sicherheit weiterentwickeln. Eine weitere Besonderheit in unserem Haus ist das Thema Zertifikate und Berufsbefähigungen. Unsere Absolventinnen und Absolventen können mit dem Studium Zertifikate im Prozessmanagement, Qualitätsmanagement, Risikomanagement oder Berufsbefähigungen wie zur Sicherheitsfachkraft, Abfallbeauftragten erwerben. Daher sind sie in den verschiedensten Branchen und Unternehmen sehr geschätzt. Mittlerweile wurde sogar der Alumniverband ‚VASBÖ – Verband akademischer Sicherheitsberater Österreichs‘ gegründet, der dieses Thema ebenfalls vorantreibt.“

Für den Ernstfall gerüstet
Die rechtzeitige und aufmerksame Evaluierung von potenziellen Gefahrenquellen sowie adäquate Prävention durch technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zählen zu den wesentlichen Herausforderungen eines Sicherheitsmanagers, aber „es bleibt immer ein Restrisiko“, gibt Langer zu bedenken. Im Studium werden standardisierte Instrumente und Verfahren vermittelt, damit die Absolventen im Ernstfall bereits entsprechende Strukturen etabliert haben und für Notfälle gerüstet sind.

Lösungsfindung ohne Patentrezept
Vom Hochwasser bis zum Großbrand, vom Datendiebstahl bis zum Millionenbetrug, von der lokalen Fehlinvestition bis zum globalen Finanzkollaps – Unternehmen aller Größen und Branchen sind tagtäglich mit unzähligen Gefahren konfrontiert. Da stellt sich die Frage, wie ein Sicherheitsmanager dabei den Überblick behalten kann. „Den Überblick zu behalten, ist das eine – viel wesentlicher ist es aber, immer für die jeweilige Organisation die relevanten Gefahren auszuwählen“, erklärt Langer. „Da gibt es kein Patentrezept, es stehen dazu mittlerweile robuste und bewährte Methoden zur Verfügung. Darauf aufbauend können dann Maßnahmen entwickelt werden. Die Lösungsansätze sind sehr vielschichtig und wenn Sie nicht wirklich das Problem verstehen, dann treffen Sie die falschen Ableitungen. Mich hat z. B. folgender Fall sehr beeindruckt: Ein namhafter Logistikdienstleiter hatte das Problem, dass Handys immer wieder an einen bestimmten Örtlichkeit der Lieferkette verschwanden. Die erste Lösung, die auftauchte, war natürlich diesen Bereich entsprechend – kostenintensiv – zu sichern. Durch eine gute Analyse konnte allerdings festgestellt werden, dass das Problem eigentlich darin bestand, dass die Handys zu diesem Zeitpunkt gar nicht an dieser Örtlichkeit sein sollten. Damit war dieses Problem dann einfach gelöst.“

Verständnis der Organisation ist die beste ­Verteidigung
Vielerorts wird Sicherheit noch immer auf Abwehr und Abschottung reduziert. Doch auch dieses Mindset beginnt sich allmählich zu wandeln. Unternehmen erkennen den Faktor Sicherheit zunehmend als festen Bestandteil ihrer Wertschöpfungskette, der über Erfolg oder Niederlage entscheiden kann. Technische und personelle Sicherheitsmaßnahmen sind in dieser Hinsicht also eher Mittel zum Zweck als zum Erfolg. Der eigentliche Mehrwert liegt im umfassenden Wissen um alle Beteiligten, Gefahren, Präventionen sowie ihre kausalen Zusammenhänge. Diese jahrhundertealte Weisheit würde Martin Langer angehenden Sicherheitsmanagern demnach auch heute noch mit auf den Weg geben.
„Christian Morgenstern hat vor mehr als 100 Jahren gesagt: ‚Organisation ist das große Wort, dem die Zukunft gehört.‘ Sicherheitsmanagement ist nicht mehr das Bewachen, ist nicht mehr der Hund oder der Zaun, sondern ist das Verstehen von Organisationen und das Herstellen von Sicherheit.“ (BO)

INFO-BOX
Risiko- und Sicherheitsmanagement an der FH Campus Wien
Die FH Campus Wien positionierte sich als eine der ersten Hochschulen ­österreichweit im Bereich Risiko- und Sicherheitsmanagement und baute über die Jahre ein starkes Netzwerk auf, das laufend erweitert wird. Dazu gehören zahlreiche internationale Unternehmen, das Bundesministerium für Inneres, insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), aber auch das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport.
Im Rahmen dieser Kooperationen werden international erfahrene ExpertInnen aus der Praxis für die Lehre gewonnen und gemeinsame Forschungsprojekte entwickelt und durchgeführt. Als Gründungsmitglied rief die FH Campus Wien das europaweite Cooperation Network of Risk, Safety and Security Studies (CONRIS) ins Leben, in dem Universitäten und Fachhochschulen die Weiter­entwicklung des Sicherheits- und Risikomanagements vorantreiben. Dass der Fachbereich Risiko- und Sicherheitsmanagement der FH Campus Wien in der Fachwelt einen hervorragenden Ruf genießt, zeigen Beispiele wie eine ­Kooperationsstudie mit der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Bremen zum Thema „Konzernsicherheit von Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ oder die Sicherheitsstrategie für das Burgenland, an der die FH Campus Wien maßgeblich beteiligt war. ExpertInnen des Fachbereichs ­nehmen regelmäßig aktiv an internationalen Konferenzen teil und pflegen dort ebenso wie an der FH selbst einen regen fachlichen Austausch, der im Rahmen des sogenannten „ISM-Summit“ jährlich stattfindet.
www.fh-campuswien.ac.at

ZUR PERSON
Prof. DI Martin Langer
Martin Langer ist Leiter des Fachbereichs Risiko- und Sicherheitsmanagement an der FH Campus Wien und Studiengangsleiter für das Bachelorstudium ­„Integriertes Sicherheitsmanagement“ sowie für das Masterstudium „Risk ­Management and Corporate Security“. ­Zuvor war er als Berater für Sicherheits- und Krisenmanagement bei zahlreichen ­börsennotierten Unternehmen in ­Österreich und Deutschland tätig.
Zusätzlich war er leitend im Rahmen internationaler Einsätze für das Rote Kreuz, das österreichische Bundesheer und die UNO in der Türkei (Erdbeben), ­Mosambik (Hochwasser), Honduras (Hurrikan) und im Iran (Erdbeben) tätig. ­Martin Langer ist Absolvent des Strategischen Führungslehrganges der ­österreichischen Bundesregierung und berät neben österreichischen Ministerien die Internationale Anti-Korruptionsakademie (IACA) bei der Entwicklung von Masterprogrammen.