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Finde den Fehler!

NEW BUSINESS - NR. 3, MÄRZ 2022
Wenn man aus Fehlern lernt, können sie einen sogar weiterbringen. © Adobe Stock/pla2na

Irren ist menschlich und Fehler passieren. Das ist gut, solange aus ihnen gelernt wird. Doch meistens wird die Fehlerkette nicht bis zum Ende nachverfolgt ...

... sondern der Fokus auf einen Sündenbock gelegt. Wie können es Unternehmen besser machen?

Wenn wir über Sicherheit in Unternehmen sprechen, sprechen wir oft über Brandschutz, über Zutrittskontrollen, Passwörter und in den letzten Jahren überwiegend über Cybersecurity. Wir versuchen also alles, um risiko­minimierende Maßnahmen zu integrieren. Was dabei manchmal übersehen wird, ist die Tatsache, dass das größte Sicherheitsrisiko, dem Unternehmen gegenüberstehen, ihre eigenen Chefs und Angestellten sind. Also der Faktor Mensch. Mit seinem tagtäglichen Handeln tut der Mensch Dinge, die zwar kein offensichtliches Risiko darstellen, dennoch sind aber beispielsweise 24 Prozent der Cyberkriminalität auf menschliches Versagen zurückzuführen.

Eine Fehlerkultur etablieren – was heißt das?
Aus Fehlern wird man klug, so sagt man. Dennoch ist für viele Unternehmen meist einer mehr als genug. Die Forderungen, eine Fehlerkultur zu etablieren, häufen sich aber in den letzten Jahren immer mehr. Führungskräfte stellen sich dabei jedoch die Frage, was genau hinter dem Buzzword steht und an welchen Merkmalen sie sich erkennen lässt. Auf welche Art und Weise sie mit Fehlern umgehen sollten, stellt daher für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar. In den Köpfen der meisten Chefs bedeuten Fehler noch immer ein furchtbares Desaster, das es unbedingt zu vermeiden gilt.

„Führungskräfte verfolgen die Idee, dass es nur Richtig und Falsch, Schwarz und Weiß, Erfolg und Scheitern für ihr Unternehmen gibt. Sie scheuen sich davor, Risiken einzugehen, aus Angst vor Fehlern“, so Christian Rampelt, Gründer und Geschäftsführer des deutschen Beratungsunternehmens dfind.com. Dabei bieten diese die Möglichkeit, sich zu verbessern und zu wachsen. Es erscheint durchaus nachvollziehbar, dass Führungskräfte Projekte ungern scheitern sehen, da dies in einigen Fällen sicherlich Geld oder Kunden kosten kann. Dennoch sollten laut dfind.com Manager gelassen reagieren. Schließlich lassen sich Fehler nie völlig vermeiden und Chefs lernen daher lieber früher als zu spät, damit umzugehen.

Jeder Mensch macht Fehler
Besonders in Unternehmen mit sehr starren Hierarchien geben Führungskräfte meist ungern die Kontrolle ab. Sie fürchten ihre Kompetenz einzubüßen, wenn sie Verantwortung gleichermaßen auf ihre Mitarbeiter aufteilen. Doch auch Führungskräfte machen Fehler. Wer keine Fehler aufdeckt, bleibt auf der Stelle stehen. Schließlich lassen sich Probleme häufig erst beheben, wenn ihre Ursache gefunden wurde. Führungskräfte sollten in Fehlern also eine Möglichkeit zur Verbesserung des Unternehmens sehen und entsprechend damit umgehen. Ein Vier-Augen-Prinzip bringt dabei sowohl gravierende Fehleinschätzungen als auch neue interessante Ansätze hervor.

Ein lösungsorientierter Ansatz gehört hier in jedes Unternehmen. Das bedeutet, dass der Fokus nicht darauf liegen soll, einen Schuldigen zu finden, sondern den Fehler von der Person zu entkoppeln und die Ursache für das Problem zu suchen. Rampelt erklärt: „Wenn Führungskräfte nicht angemessen auf Fehler reagieren, kann es dazu kommen, dass Mitarbeiter sich nicht ausprobieren, aus Angst davor, zu scheitern, und vor möglichen negativen Reaktionen des Chefs.“ Manager sollten ihren Angestellten vielmehr verdeutlichen, dass Fehler zwar nicht erstrebenswert sind, jedoch auch keine Katastrophe darstellen. Sie gehören zum Schaffensprozess dazu und ebnen die Möglichkeit für Unternehmenswachstum.

Scheitern – aber daraus lernen
In agilen Unternehmen steht seit Längerem das Konzept des Fail-Fast auf der Agenda. Dieser Ansatz fordert, dass das Team Fehler frühzeitig identifiziert, statt sie erst gegen Ende des Projekts zu erkennen. Zwar sollte das Team nicht danach streben, zu scheitern, aber Mitarbeiter können dadurch lernen und sich immer weiter verbessern.

Eine geeignete Fehlerkultur bedeutet in keinem Fall, dass die Zahl der Fehler in Unternehmen ansteigen soll. Vielmehr gilt es, einen Wandel im Umgang mit ihnen zu erwirken. Um die Perspektive zu wechseln, eignen sich beispielsweise sogenannte Fail-Events. Hier erzählen erfolgreiche Menschen, welche Fehler sie begangen haben und wie sie daraus gelernt und sich verbessert haben. Der Trend stammt aus Mexiko, aber auch deutsche Unternehmen haben festgestellt, dass Innovationen selten fehlerfrei entstehen.

„Nur eine gewisse Risikobereitschaft bringt eine Firma voran. Daher sollten sich Manager gemeinsam mit ihren Mitarbeitern trauen, in gewissem Maße zu experimentieren, und anschließend Schlüsse für die Zukunft daraus ziehen“, so Christian Rampelt.

Fehlerketten erkennen und durchbrechen
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Autor und Flugkapitän Eckhard Jann. Er entwickelte vor über zehn Jahren den ersten Unfalluntersuchungslehrgang in der deutschen Luftfahrt und hat mittlerweile hunderte Sicherheitsmanager und Untersucher ausgebildet. Er ist überzeugt davon, dass „Unfälle“, die von Menschen verursacht wurden, meistens das Ergebnis einer sogenannten Fehlerkette sind, deren Beginn ein „Fehler Eins“ kennzeichnet.

Ähnlich wie man nach Ausbruch der Coronapandemie nach dem Patienten 0 gesucht hat, um die Verbreitung des Virus besser zu verstehen und die Weiterbildung der Ansteckungskette zu verhindern, sollte man bei Vor- bzw. Unfällen ebenfalls nach dem Fehler Eins suchen. Denn: „Der gleiche Fehler kann und wird wieder auftreten. Er würde sich beim nächsten Mal eine andere Route suchen und zu einem anders gearteten Unfall führen Denn der Fehler Eins wurde nicht behoben“, erklärt Jann. Meist wäre man zufrieden, wenn der verantwortliche Mitarbeitende zur Rechenschaft gezogen wurde. Man konzentriert sich in der Praxis also eher auf das Ende der Fehlerkette. 

Den Fehler bewerten, nicht die Auswirkungen
„Wir Menschen machen unterschiedliche Fehler: Denkfehler, Arbeitsfehler, Fehltritte, Fehlentscheidungen, Produktionsfehler, Programmierfehler, Wahrnehmungsfehler, Flüchtigkeitsfehler usw.“, zählt Eckhard Jann die menschlichen Fehlerarten auf. Und meint weiters: „Es hat sich mittlerweile ein regelrechter Kult um das Thema Fehler entwickelt.“

Damit meint der Autor etwa die unzähligen sogenannten FUCKUP NIGHTS, die auf der ganzen Welt regelmäßig veranstaltet werden. Hier erzählen Manager, Führungskräfte und Gründer von ihren Fehlern und ihrem Scheitern und wollen damit dem Publikum vermitteln, Scheitern nicht als Makel sondern vielmehr als Chance der Weiterentwicklung zu verstehen. Das ist schon mal ein erster Schritt in Richtung offener Umgang sowie Bewertung von Fehlern im Gegensatz zu Vertuschen bzw. anderen in die Schuhe schieben.

Gerade bei der Bewertung von Fehlern lässt sich ein Fehler Eins schneller identifizieren meint Jann. Wieso? Als Beispiel nennt er einen Autofahrer, der statt Benzin Diesel tankt. Jahrelang nutzte er die richtige Zapfsäule, aber an diesem einen Tag griff er plötzlich zur falschen Pistole. Ein unbewusster Fehler, der ihn teuer kommen wird und auf den er mehrfach den gut gemeinten Rat „Schau halt beim nächsten Mal besser“ bekam. Sinnvoller wäre es, genau hinzuschauen, was VOR dem Tanken passiert ist. War der Autofahrer abgelenkt? Wenn ja, was hat ihn abgelenkt? Hatte er einen langen Arbeitstag und war müde? War er gedanklich bei einem anderen Problem? Gibt es bei der Bedienung Verwechslungsgefahr? Das falsche Tanken ist hier also nur die zufällige Auswirkung eines ganz anderen Problems – nämlich des Fehler Eins. Es hätte auch anders ausgehen können: Er hätte vergessen können zu zahlen und hätte bestraft werden können. Er hätte gedankenverloren einen Unfall bauen können. 

Erfolgreiches Fehlermanagement basiert auf ­Vertrauen
Wer sich dem Fehlermanagement widmet, hat eigentlich zum Ziel, menschliches Handeln besser zu verstehen, damit Fehler gar nicht erst passieren bzw. zumindest keine gravierenden Auswirkungen haben. 

Diese vier Phasen des professionellen Fehlermanagements unterscheidet Eckhard Jann in seinem Buch „Fehler Eins“:
1. Fehlererkennung
2. Fehleranalyse und -bewertung
3. Feedback & Empfehlungen
4. Monitoring

Im Laufe seiner 20-jährigen Erfahrung als Sicherheitsmanager fand Jann heraus, dass ein Faktor die Hauptzutat dieses Prozesses war: Vertrauen! Unternehmen brauchen also eine Vertrauensperson, der sich Mitarbeiter öffnen können. Je mehr Vertrauen, desto mehr „Beichten“. Und je offener die Beichten, desto besser lässt sich ein Fehler Eins finden. Und genau hier hilft aber natürlich wieder eine offene Fehlerkultur, die es erst mal zu etablieren gilt. „Wir Menschen sind alles andere als fehlerfrei, noch weniger perfekt.

Wir tun also gut daran, wenn wir unsere eigene Fehlerhaftigkeit akzeptieren und lernen, damit umzugehen. Wenn wir die Hintergründe verstehen, uns die Zeit nehmen, die Umstände zu analysieren, und den wahren Ursprung der Fehlerkette, den Fehler Eins, finden, nur dann schaffen wir es, ein Unternehmen, eine Organisation, ja sogar unser eigenes Leben sicherer zu gestalten“, möchte der Pilot und Autor Jann zu mehr offenem Umgang mit Fehlern inspirieren. (VM)


BUCH-TIPP
FEHLER EINS: Alles beginnt aus einem Grund 
Wenn Sie sich detaillierter mit dem Thema auseinandersetzen wollen, sei Ihnen das Buch „Fehler Eins“ von Eckhard Jann ans Herz gelegt. Dieses Buch zeigt, wie Unfälle entstehen, warum wir Fehler machen und warum wir uns so schwertun, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Es bringt Aspekte von Sicherheitsmanagement, Psychologie, Fehlertheorie und Untersuchungsmethoden zusammen und beschreibt diese anschaulich. Es ist das erste Buch, welches sich methodisch mit der Analyse und Bewertung von Fehlern und Fehlerketten auseinandersetzt.

Eckhard Jann
FEHLER EINS
Alles beginnt aus einem Grund
Vahlen Verlag
225 Seiten, 26,90 Euro
ISBN 978-3-8006-6697-3

INFO-BOX
FUCKUP NIGHTS: Sometimes you win, sometimes you learn! 
Die Fuckup Nights sind ein Format, das Ende 2012 in Mexiko gestartet wurde. Heutzutage finden regelmäßig Fuckup Nights auf der ganzen Welt statt. Die Idee dahinter ist, die Stigmatisierung, die Misserfolge umgibt, zu lösen und zu zeigen, dass diese wesentliche Bestandteile auf dem Weg zum Erfolg sind. Vor allem in Deutschland und Österreich wird über Misserfolg eher geschwiegen. Die Fuckup Nights sollen genau dies ändern und es gestatten, ganz offen über das Scheitern zu sprechen. Außerdem können Menschen mehr von einer Geschichte des Scheiterns lernen als von einer Geschichte des Erfolges. IT- und Marketingberaterin Salomé Wagner und Serial Entrepreneur und Failure Enthu­siast Dejan Stojanovic brachten das Format der „Fuckup Nights“ im Jahr 2014 nach Wien.

www.fuckupnights.at
www.fuckupnights.com