Auf neuen Wege zu neuen Kompetenzen © Fotolia/Marco2811
Sich die Hände schmutzig machen, ein Orchester dirigieren oder sich von Kindern coachen lassen ...
... In Special-Workshop-Formaten erleben Manager einen Perspektivenwechsel abseits klassischer kognitiver Wissensvermittlung.
Klassische Vorträge für Manager zu verschiedenen Führungsthemen haben definitiv ihre Daseinsberechtigung. Geht es jedoch um Innovationen und Problemlösung, werden heute gern andere Wege eingeschlagen. Das Einlassen auf außergewöhnliche Situationen, Verlassen gewohnter Denk- und Verhaltensmuster sowie das Hinterfragen scheinbarer Selbstverständlichkeiten stehen in so genannten Special-Workshop-Seminaren im Fokus. NEW BUSINESS stellt vier Seminare der etwas ungewöhnlichen Wissensvermittlung vor und erklärt ihren besonderen Nutzen für Führungskräfte. (MW)
1. „DIRTY INNOVATION“
Mit dreckigen Händen Neues schaffen
„Viele gute Ideen kommen nie zur Entfaltung ihres Potenzials, weil wir heutzutage unter ständigem Zeitmangel leiden und dazu noch in einer Welt mit einer kümmerlich entwickelten Feedbackkultur leben“, erklärt Thomas Funke, Innovationsexperte und Leiter des Bereichs Gründung beim Innovationszentrum der deutschen Wirtschaft. Vielen Menschen fehlt heute die Fantasie für Neues. Doch wer etwas bewegen will, muss seine Komfortzone verlassen und selbst anpacken. Der Special-Workshop „Dirty Innovation“ soll dabei helfen. Hier erleben Führungskräfte und Manager einen Perspektivenwechsel. Sie müssen sich ein ausgeklügeltes Konzept einfallen lassen und lernen dadurch, eingefahrene Denk- und Handlungsmuster und liebgewonnene Gewohnheiten zu überwinden. Wie der Titel bereits andeutet, heißt es für die Führungskräfte: „Hände schmutzig machen“. Denn: Innovation braucht Menschen, die anpacken und umsetzen.
Der von der Corporate-and-Management-Development-Abteilung der WU Executive Academy und Thomas Funke gemeinsam konzipierte Workshop hilft, indem der Fantasie der Teilnehmer auf die Sprünge geholfen und die praktische Umsetzung innovativer Modelle ermöglicht wird. Zu diesem Zweck werden die Führungskräfte auf eine Expedition geschickt, die von der Ideenfindung über ein umsetzungsfähiges Geschäftsmodell bis hin zum passenden Prototypen reicht.
Anpacken statt theoretisieren
Das Equipment, mit dem die Teilnehmer für diese Mission ausgestattet werden, besteht aus den neuesten methodischen Ansätzen aus dem Bereich Corporate Entrepreneurship. Um die Inhalte so praxisnah wie möglich zu vermitteln, baut der Workshop auf Interaktion, Teamwork, Umsetzung und „Realität werden lassen“ auf. Im Laufe der Expedition entwickeln die Teilnehmer ein Verständnis dafür, warum es so wichtig ist, innovativ zu sein – gleichzeitig verlassen sie alte Pfade, generieren konkrete Ideen und designen Geschäftsmodelle.
„Wir theoretisieren nicht, sondern machen Erfahrungen am eigenen Leibe“, betont Thomas Funke. „Vielmehr lebt ‚Dirty Innovation‘ von der Entwicklung realer Beispiele aus dem Arbeits- und Unternehmenskontext der Teilnehmer und schafft so maximale Realität und einen hohen Mehrwert.“ Anstatt abstrakter Lektionen erlernen die Führungskräfte anhand von Visualisierungen, Lego Serious Play, Holzarbeiten oder 3D-Druck das Handwerk des Prototypisierens. „Durch das bewusste Erleben eines außergewöhnlichen Settings und die Anwendung innovativer Methoden kann ein Perspektivenwechsel kreiert werden, der die kreative Entfaltung der richtigen Ideen an den richtigen Stellen fördert“, so der Innovationsexperte weiter.
Um die Ecke gedacht
Die Zusammenarbeit der WU Executive Academy mit Thomas Funke kombiniert die wissenschaftliche Expertise einer der führenden Universitäten Europas mit dem Know-how innovativer und kreativer Köpfe aus der Praxis gewinnbringend. Für Prof. Bodo B. Schlegelmilch, Dean der WU Executive Academy, ist dies eine zu begrüßende und sinnstiftende Entwicklung: „Um am modernen Arbeitsmarkt bestehen zu können, reichen gute Ideen schon lange nicht mehr aus. Innovation braucht Menschen, die ums Eck denken, Dinge anpacken und einfach umsetzen. Genau das wird in ‚Dirty Innovation‘ passieren.“
Für den Workshop ist eine Dauer von 2–3 Tagen vorgesehen. Es wird eine Gruppengröße von 12 bis 20 Teilnehmern empfohlen.
2. „LEADERSHIP ORCHESTER"
Chef trifft auf Streichquartett
Wie viele Unternehmer haben wohl schon einmal ein Orchester dirigiert? Wahrscheinlich bescheiden wenige. Dass sich das zu ändern lohnt, beweist der Workshop „Leadership Orchester“. Hier trifft der Chef als Dirigenten auf ein Orchester bzw. Streichquartett, das die Mitarbeiter symbolisiert. Nach einer kurzen Einführung studieren die Führungskräfte mit professionellen Musikern ein Musikstück ein.
In Folge können die Führungskräfte ihr eigenes sowie fremdes Führungsverhalten unmittelbar beobachten und analysieren. Dabei werden besonders die Gesetze effektiver Kommunikation – Adressierung, Fokussierung und Limitierung – thematisiert.
Während des Workshops wechseln die Führungskräfte immer wieder von der Dirigenten- in die Musikerrolle bzw. -perspektive. Führungsverhalten und dessen Auswirkung wird so unmittelbar erlebt. Die Teilnehmer erhöhen ihre Führungswirkung durch das Bewusstmachen von Wirkungsfiltern wie innere Widerstände oder widersprüchliche Verhaltensweisen. Die Teilnehmer bekommen in einer permanenten Feedbackschleife zu hören (und sehen), welche Auswirkungen ihr Handeln, oder auch Nicht-Handeln, und ihre Entscheidungen haben. Diese Auswirkungen werden im Führungsalltag entweder gar nicht oder erst verzögert und damit zu spät wahrgenommen. Der entscheidende Vorteil des Workshops: Die Musiker geben im Unterschied zu Mitarbeiter sofort Rückmeldung. Wenn ein Orchester längere Zeit ohne Dirigent spielt, verliert es die Richtung. Ebenso kann auch ein Team eine Zeit lang allein arbeiten, jedoch wird es so nie die Qualität und Ziele erreichen, die es mit richtiger Führung erreichen kann. Auch für die Musiker sind diese Workshops eine interessante Erfahrung, da sie hier dem „Dirigent“ persönlich Feedback geben können, was im professionellen Musikbetrieb ebenso keine Selbstverständlichkeit ist wie in vielen Unternehmen. Musikalische Vorkenntnisse sind für „Leadership Orchester“ übrigens nicht erforderlich.
Der Workshop dauert einen halben bis ganzen Tag und eignet sich für 8 bis 15 Teilnehmer unterschiedlicher Hierarchieebenen.
3. „KINDER COACHEN MANAGER“
Managementausbildung einmal anders
Bei „Kinder coachen Manager“ findet ein spannender Perspektivenwechsel statt. Entwickelt wurde das Konzept von Margret Rasfeld, Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum, Mitinitiatorin von „Schule im Aufbruch“ und Kernexpertin im Zukunftsdialog der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der Evangelischen Schule Berlin Zentrum zeigen Margret Rasfeld und ihr Team, wie ein radikaler Wandel der Lernkultur gelingen kann. Im Vordergrund des Ansatzes steht die individuelle Potenzialentfaltung. Die Arbeit der Schüler im Rahmen der Workshops ist dabei fixer Bestandteil ihrer schulischen Ausbildung. Kinder und Jugendliche können viel mehr, als Erwachsene ihnen zutrauen. Von „Kinder coachen Manager“ profitieren beide Seiten enorm, „weil die Kommunikation von gegenseitigem Respekt geprägt ist und auf Augenhöhe erfolgt“, sagt Margret Rasfeld.
Perspektivenwechsel auf ganzer Linie
Im Workshop, der von der WU Executive Academy angeboten wird, trifft eine Gruppe von 13- bis 16-jährigen Schülern auf Führungskräfte, um gemeinsam Führungsprinzipien aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Dabei dient das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern in der „Schule im Aufbruch“ als mögliches Leitbild. In Wissenschaft und Praxis gilt aktuell die transformationale Führung als jenes Führungsprinzip, das die höchste Motivation und Zufriedenheit bei den Mitarbeitern erzeugt und damit die Gesamtorganisation leistungsfähiger und erfolgreicher macht. Schüler, die in ihrer eigenen Schule einen solchen Transformationsprozess selbst durchlaufen, können als „Wandelversteher“ ihren Erfahrungsschatz weitergeben. Denn die Schule lebt, was Unternehmen gern für ihre Mitarbeiter erreichen wollen: echte Wertschätzungskultur mit Leistungen auf hohem Niveau.
Durch ihr Auftreten und ihre inspirierenden Visionen wirken die Schüler selbst transformierend auf die Führungskräfte ein und ermöglichen mit ihrer Unbefangenheit und Kreativität ein Umdenken im Führungsverhalten der Teilnehmer:
• Sie stellen Fragen, wo Erwachsene dachten, bereits Antworten gefunden zu haben.
• Sie berichten nicht von Theorien, sondern bringen eigene Erfahrungen mit ein.
• Sie sind ehrlich, angstfrei, wertschätzend.
Der Nutzen, den Manager durch den Transfer auf die Unternehmenskultur ziehen können, ist enorm. Durch den Perspektivenwechsel können die Teilnehmer Einstellungen und Wünsche wieder zu Tage fördern, die sie vielleicht längst begraben hatten. Die Manager lernen komplexe Sachverhalte wieder einfach darzustellen und profitierten vom Aufeinandertreffen der Generationen: Die Diplomatie und Komplexität der Erwachsenenwelt steht im Gegensatz zur Echtheit und Unkonventionalität der Führungskräfte von morgen, weil die Schüler ohne firmeninterne oder gesellschaftliche Scheuklappen an die Themenstellungen herangehen.
Was bedeutet das für die Praxis? Durch diese Erfahrungen erleben und verstehen die Führungskräfte die Reichweite und Möglichkeiten von transformationaler Führung und erarbeiten gemeinsam mit den Schülern neue Wege zur individuellen Umsetzung dieser Führungsprinzipien.
Mögliche Fragestellungen, für die die Jugendlichen überzeugende Experten sein können, sind beispielsweise:
• Wie schaffe ich es, das Vertrauen meiner Mitarbeiter zu gewinnen?
• Wie kann ich die Motivation meiner Mitarbeiter steigern?
• Wie kann ich die Beziehung zu meinen Mitarbeitern verbessern?
• Wie kann ich meine Mitarbeiter fördern?
Jede Führungskraft stellt eine konkrete Frage aus ihrem Führungsalltag, die im Rahmen einer Gruppenarbeit zu je 2–3 Führungskräften und 1–2 Schülern diskutiert und beantwortet wird.
4. „RETHINK LEADERSHIP – BE MINDFUL!“
Achtsamkeit in der Führung
Ein Workshop, der von einem buddhistischen Mönch und Achtsamkeitsexperten der Grenoble Ecole de Management gemeinsam mit einer Psychologin und Verhaltenstherapeutin entwickelt wurde, klingt zugegeben etwas spirituell. Das ist hier auch volle Absicht. Im Zentrum des Seminars steht das Thema Achtsamkeit und wie bewusstes Führen trotz fortschreitender Digitalisierung und Informationsüberflutung Managern gezielt dabei helfen kann, den Blick für das Wesentliche zu schärfen und zukünftige Entwicklungen richtig zu antizipieren.
Achtsam im Hier und Jetzt
Der Zauber der Achtsamkeit beruht auf dem bewussten Leben im Hier und Jetzt, auf der Fähigkeit, sich auf das konzentrieren zu können, was man gerade tut, den Fokus und das Bewusstsein genau auf jener Aufgabe, jenen Menschen oder jener Situation zu haben, um die es gerade geht. Unabhängig davon, wie stressig es ist, oder wie sehr man von anderen Dingen abgelenkt ist. „Forscher haben festgestellt, dass Menschen beinahe die Hälfte des Tages an Dinge denken, die nichts mit ihrer aktuellen Tätigkeit zu tun haben. Das gilt auch für Manager. In Zeiten, die von Schnelllebigkeit, Unsicherheit und zunehmender Komplexität geprägt sind, ist die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum fokussieren zu können, fast genauso wichtig geworden wie fachliches Know-how oder Managementkompetenzen. Genau hier kommt die Achtsamkeit als zusätzliche Kraft- und Inspirationsquelle für Führungskräfte ins Spiel“, so Helga Pattart-Drexler, Head of Executive Education an der WU Executive Academy. Und auch der Mitentwickler des Workshops weiß, auf welche sensiblen Punkte der Workshop drückt: „Eigentlich ist Achtsamkeit genau das Gegenteil von Multitasking“, ergänzt Erwin Glatter, buddhistischer Mönch und Achtsamkeitsexperte der Grenoble Ecole de Management. „Durch verschiedene Strategien, die man aus sich heraus entwickeln kann, können Sie Ihren eigenen und den beruflichen Alltag Ihrer Mitarbeiter bewusster gestalten. Achtsame Führungskräfte sind nicht nur in der Lage, mit Stress und Belastungen besser umzugehen und ihre Emotionen leichter zu regulieren, sondern entwickeln auch kreative Kräfte, die es ihnen ermöglichen, Probleme und Herausforderungen schneller zu lösen. Außerdem fällt es ihnen leichter, sich einer neuen Situation entspannt und konzentriert zu widmen, und sie können ein hohes Leistungsniveau über längere Zeit aufrechterhalten.“
Mehrwert durch Interdisziplinarität
In „Rethink Leadership“ werden wissenschaftliche Expertise und Praxiserfahrung bestens kombiniert. Für Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, ist dies eine zu begrüßende und sinnstiftende Entwicklung: „Um am modernen Arbeitsmarkt bestehen zu können, reichen umfassende Managementskills schon lange nicht mehr aus. In Anbetracht des ständig wachsenden Arbeitsdrucks und der Vielzahl an Informationen ist es für Führungskräfte essenziell, in stressigen Situationen kühlen Kopf zu bewahren und den eigenen Handlungsspielraum zu vergrößern. Denn nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen. Was in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist, ist, dass Führungskräfte sich nicht nur im beruflichen Kontext als Manager, sondern auch wieder als Mensch, als Individuum wahrnehmen.“
Der Workshop, den die WU Executive Academy sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch anbietet, richtet sich an Führungskräfte und Manager unterschiedlicher Hierarchieebenen, wobei der konkrete Ablauf und die Dauer ganz an den Bedarf des jeweiligen Unternehmens angepasst werden.
KOMMENTAR von Helga Pattart-Drexler
Special-Workshop-Formate: Deutlich mehr als Beschäftigungstherapie
Wenn wir lernen wollen, müssen wir unsere Komfortzonen verlassen, über den Tellerrand schauen und Neues ausprobieren. Genau das versuchen wir in unseren Weiterbildungsprogrammen: Wir nehmen Manager bewusst aus ihren Alltagsroutinen und schaffen gemeinsam Lern- und Entwicklungsräume, damit sie ihre Führungsprinzipien aus völlig neuen Blickwinkeln „erleben“ können – Perspektivenwechsel total, abseits klassischer kognitiver Wissensvermittlung. Durch einen bewussten Mix aus unterschiedlichen Disziplinen erleben die Teilnehmer unserer Special Workshops außergewöhnliche Situationen, die es ihnen erlauben, ihre gewohnten Denk- und Handlungsmuster zu hinterfragen, neu zu konstruieren und liebgewonnene Gewohnheiten zu überwinden. Da schlüpfen Führungskräfte in Dirigentenrollen, diskutieren mit Schülern Managementthemen, die sie bewegen, machen „sich die Hände schmutzig“, wenn sie mit Plastilin und Lego neue Geschäftsmodelle erarbeiten, oder erlernen im Kloster die hohe Kunst des achtsamen Führens. Nicht alltägliche Situationen, dafür umso wirksamer – Eye-Opener, die zum Nachdenken und Hinterfragen scheinbarer Selbstverständlichkeiten anregen sollen. Bei all der Herausforderung darf aber die Verbindung zum „Daily Business“ nicht fehlen. Daher greifen wir Problemstellungen aus den Unternehmen dieser Führungskräfte auf und erarbeiten mit ihnen mögliche Lösungsansätze. Augenmerk liegt dabei immer auf dem Lerntransfer und der Anwendung im Alltag. Im Moment designen wir gerade ein neues Workshop-Format, bei dem wir die Themen Fehlerkultur und Scheitern in den Fokus rücken. Inspiriert von einem der fundamentalen Entwicklungsansätze des Silicon Valley, der besagt, dass man am meisten aus seinen und den Fehlern anderer lernt, gehen wir dem Lernpotenzial des Scheiterns auf den Grund.
Zur Person
Helga Pattart-Drexler leitet den Bereich Executive Education an der WU Executive Academy und entwickelt gemeinsam mit ihrem Team maßgeschneiderte Führungskräfteprogramme im In- und Ausland.