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Jerome Berger, Geschäftsführer von Arburg in Österreich, äußert sich zu den technischen und allgemeinen Rahmenbedingungen der Kunststoffbranche für 2024 und wagt einen Ausblick auf 2025. © Arburg/Christian Streili

Energie- und Produktionseffizienz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit spielen auch in der Kunststoffbranche eine große Rolle. Arburg ­unterstützt die Unternehmen der Branche...

... mit seinem umfassenden Lösungsportfolio dabei, ihre Ziele zu erreichen.

Das 1923 gegründete deutsche Familienunternehmen Arburg gehört weltweit zu den führenden Maschinenherstellern für die Kunststoffverarbeitung. Jerome Berger, seit 2020 Geschäftsführer der ARBURG GesmbH in Österreich, hat nicht nur Neuigkeiten von der im Oktober in Friedrichshafen stattgefundenen Kunststoffmesse Fakuma im Gepäck, sondern spricht im Interview mit NEW BUSINESS auch über die aktuellen Rahmenbedingungen der Kunststoffbranche und wirft einen Blick in die nahe Zukunft.

Herr Berger, hat die Fakuma-Fachmesse die zweite Jahreshälfte des Geschäfts in Österreich unterstützt? Oder war sie enttäuschend in Bezug auf Kontakte und Verkäufe?
Es war eine vielversprechende Messe, gerade für die DACH-Region, aber Messeerfolg spiegelt sich nicht sofort in Verkäufen wider. Die Investitionszyklen werden derzeit aufgrund der immer noch hohen Zinssätze verlängert. Unterschriften unter Verträge, insbesondere bei größeren Unternehmen, dauern nicht selten länger.

Aber es ist nach wie vor enorm wichtig, den Kunden zu zeigen, was möglich ist und welche Technologien neu verfügbar sind – sodass sie, wenn es um neue Investitionen geht, zuerst bei Arburg an­rufen. In dieser Hinsicht passt das, was wir an Technik und Know-how gezeigt haben, zu unserer langfristigen, verlässlichen Strategie und unserer starken Marktposition. Das haben auch die Rückmeldungen unserer Kunden gezeigt.

Welche Märkte und Themen waren 2024 am stärksten und warum? Wie sieht Ihre Prognose für 2025 aus?
Im österreichischen Umfeld waren unseren Kunden vor allem die Themen Automatisierung und Turnkey, Digitalisierung und auch Fachkräftegewinnung wichtig. Aktuell sieht es für unseren Markt so aus, dass sich bessere Aussichten frühestens im zweiten Halbjahr 2025 ergeben. Das steht allerdings auch unter dem Vorbehalt, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Variablen für die Unternehmen, was etwa Bürokratieabbau oder Energiekosten angeht, wieder verbessern.

Was glauben Sie: Wie sehen Ihre ­wichtigsten Märkte im Jahr 2025 aus?
Generell sind wir breit aufgestellt, was sich in den letzten Jahren als richtig erwiesen hat. Die Märkte werden sich aufgrund unterschiedlicher Einflüsse unterschiedlich erholen. Potenziell sind jene Märkte, in denen es um technologische High-End-Lösungen, Energie- und Produktionseffizienz, Automatisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit geht, von eminenter Bedeutung für uns. 

Auf welche wesentlichen Auswirkungen muss sich Arburg einstellen?
Als Familienunternehmen denkt Arburg langfristig, was auch für die Niederlassung in Österreich gilt. Wir sind aber auch ein Unternehmen, das sich innovativ, flexibel und anpassungsfähig auf Kunden und Markterfordernisse einstellt– und das werden wir auch weiterhin tun! Wir kennen unseren heimischen Markt sehr gut, denn wir sind dort bereits seit 2010 mit einer eigenen Organisation erfolgreich vertreten. 

Wie kann Ihr Unternehmen Verar­beitern helfen, KI in ihre Produktion zu integrieren? 
Künstliche Intelligenz eröffnet völlig neue Per­spektiven und Möglichkeiten, wenn es darum geht, große Datenmengen zu verarbeiten und daraus sinnvolle Schlüsse zu ziehen. Wir möchten unseren Kunden helfen, ihre Teile so wirtschaftlich, fehlerfrei und qualitativ hochwertig wie möglich zu fertigen.

Deshalb beschäftigt sich Arburg schon lange und intensiv mit KI, etwa in Hinblick auf unsere smarte Steuerung und sich selbst optimierende Maschinen. KI-Lösungen können Mitarbeitende bei ihren Aufgaben unterstützen. Unsere neue KI-gestützte App „askARBURG“ enthält z. B. einfach abrufbares, umfangreiches Spritzgießwissen und kann konkrete Fragen zu Maschinen und Prozessen beantworten. 

Volles Haus bei Arburg: Auch zur diesjährigen Fakuma 2024 kamen wieder viele Besucher und Interessenten an den größten Stand der Messe, um sich die Neuheiten des Unternehmens anzuschauen. © Arburg

Übernehmen die Verarbeiter die ­Technologie? Konzentrieren sie sich hauptsächlich auf die Verwendung von Daten, um Vorhersagen zu ­treffen? Oder gibt es einen Trend zur generativen KI, bei der Daten gespeichert werden, um dann auf der Grundlage der Analyse von Messungen, ­Verfahren, Fehlfunktionen usw. neue Inhalte zu erstellen?
Bei der Digitalisierung sind wir gemeinsam mit unseren Kunden auf dem richtigen Weg. Unser umfassendes Know-how fließt in unsere digitalen Services und Produkte ein. Mit ihnen lassen sich Produktionsprozesse optimieren, Daten in Echtzeit erfassen und die Qualität von Spritz­teilen verbessern und dokumentieren. Gerade in komplexen Produktionsumgebungen und bei hochpräzisen Bauteilen ist eine exakte Prozesssteuerung erforderlich. Hier sind mit dem Arburg-Leitrechnersystem ALS und dem Kunden­portal „arburgXworld“ deutliche Vorteile hinsichtlich Transparenz, Prozesssicherheit, Energie- und Produktionseffizienz erreichbar.

In diesem Zusammenhang werden auch unsere „Pilots“ und Steuerungsassistenten häufig in Anspruch genommen, die die tägliche Arbeit deutlich erleichtern. Ein Beispiel ist die Füll­simulation direkt in der Maschinensteuerung: Mit der Assistenzfunktion „aXw Control Fill­assist“ und der KI-unterstützten Variantenanalyse von Cadmould lässt sich die Auswirkung einer Parametervariation vorhersagen.

Wie wird in den Produktionen auto­matisiert? Befindet Automation sich noch im Anfangsstadium, oder wird sie, gerade in Hochlohnländern wie Österreich, immer häufiger ­eingesetzt?
Als Systemlieferant bietet wir unseren Kunden sowohl weltweit als auch in Österreich individuelle Fertigungszellen aus einer Hand an, die exakt zu deren jeweiligen Teile- und Produktions­anforderungen passen. Wir können dabei auf eine Vielzahl regionaler und lokaler kompetenter Partner zurückgreifen, die nicht nur Spritzgießmaschinen automatisieren, sondern komplette kundenspezifische Turnkey-Projekte konzipieren und realisieren. Interessenten können also mit ihrer Produktidee auf Arburg zukommen und erhalten alles aus einer Hand – von der Auslegung ihrer Teile über die Werkzeug­gestaltung bis zur erforderlichen Anlagen- und Anwendungstechnik.

Die Arburg-Experten konfigurieren und bauen die gesamte Anlage mit den ausgesuchten Partnern auf, fahren sie ein, liefern sie aus und installieren sie vor Ort. Montage- oder Qualitätskontrollfunktionen nach der Entnahme des Teils aus dem Werkzeug sind aktuell sehr verbreitet – nicht nur wegen der Arbeitskräfteproblematik, sondern auch wegen der Verringerung des Ausschusses, was zur Kostensenkung beiträgt.

Wie hilft Ihr Unternehmen den Kunststoffverarbeitern dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?
Bei Arburg ist das Thema Nachhaltigkeit fest in der DNA verwurzelt, und alle Aktivitäten rund um Ressourcenschonung, CO₂-Fußabdruck und Kreislaufwirtschaft sind im Programm „arburgGREENworld“ gebündelt. In Österreich sehen wir ein stark wachsendes Bewusstsein für dieses Thema und eine steigende Recyc­ling­bereit­schaft. Wir helfen mit verschiedenen Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen: Energieeffiziente hybride und elektrische Spritzgießmaschinen sind schlagende Technikbei­spiele.

Wir sind aber auch in der Lage, den Unternehmen durch Messungen den CO₂-Fußabdruck von Maschinen zur Verfügung zu stellen, das heißt, welcher Anteil für die Herstellung der Maschine benötigt wurde. Einige der größeren Unternehmen haben CO₂-Reduk­tionsziele, und um diese zu erreichen, fragen sie nach dem CO₂-Fußabdruck der Maschinen. Und natürlich sind wir überdies in der Lage, eine große Anzahl Biomaterialien und auch recycelte Kunststoffe (PIR und PCR) in hoher Qualität und sicher zu verarbeiten.

Wird der Wiederverwertbarkeit von Kunststoffprodukten von den ­Verarbeitern mehr Aufmerksamkeit geschenkt als in der Vergangenheit? Wenn ja, was treibt sie heutzutage an? Die Öffentlichkeit, neue Rezyklate, Maschineninnovationen oder ­vielleicht das Thema ESG?
Die Nachfrage der Verbraucher und das Marketing der großen Marken sind ausschlaggebend. Wir können unseren Kunden helfen, ihre und auch die Nachhaltigkeitsziele ihrer Kunden schneller und besser zu erreichen – zum Beispiel durch die Verarbeitung alternativer biobasierter Kunststoffe oder von PIR und PCR, mit Technologien zur Kennzeichnung von Kunststoff­tei­len für ein sortenreines Recycling oder Ausstattungen an unseren Maschinen wie etwa dem „aXw Control RecyclatePilot“, die wir zur Verfügung stellen, um hochwertige Kunststoffteile auch umwelt­gerecht und wiederverwendbar ­herzustellen.

Bedienen Sie den Automobilmarkt? Welche Erfahrungen machen Sie? Wie ist Ihr Ausblick?
Wir haben in Österreich einige große Auto­mobil­zulieferer, die mit unseren Maschinen und Anlagen arbeiten. Die Verlangsamung der Umstellung auf Elektrofahrzeuge macht diesen Kunststoffverarbeitern derzeit allerdings erheblich zu schaffen. Viele haben in höhere Kapazitäten investiert, um Teile und Komponenten für Elektrofahrzeuge zu produzieren, und diese Aufträge haben sich nicht vollständig eingestellt.

Elektrofahrzeuge werden sich durch­setzen, aber die Umstellung verläuft augenscheinlich langsamer als vorhergesagt – und das auch hier nicht zuletzt aufgrund politischer und infra­struktureller Rahmenbedingungen.

Möchten Sie noch etwas zum Geschäftsklima für die Maschinen­bauer/Kunststoffindustrie im Jahr 2024 und 2025 sagen?
Unsere Branche muss weiter am Thema Abfall/Recycling und Nachhaltigkeit arbeiten, denn Kunststoff durch Metall oder Papier zu ersetzen, ist nicht nur ein Rückschritt in der industriellen Entwicklung, sondern vergrößert auch den CO₂-Fußabdruck. Das Problem ist nicht der Kunststoff und seine Verarbeitung, sondern die Art und Weise, wie die Menschen damit umgehen.

Mit anderen Worten: Die Ursache für unser Plastikmüllproblem ist nicht der Kunststoff, sondern die Tatsache, dass die Menschen nicht die Logistik und die Anreize geschaffen haben, um das Material wieder in den Stoffkreislauf zurückzuführen. Arburg arbeitet als Vorreiter an der Entwicklung technisch nachhaltiger Lösungen. Kunststoff ist ein nachhaltiger Wertstoff und wird in Zukunft, richtig produziert, eingesetzt und wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt, mit dazu beitragen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. (red.)

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