Ein Blick in die neue Büro-Normalität © Bene GmbH/Wolfgang Zlodej
Im Frühling weitgehend verwaist, wurde dem Büro von vielen Seiten bereits ein jähes Ende prophezeit. Im 2. Lockdown zeigt sich nun: Der Großteil der Mitarbeiter ist Home-office-müde ...
... Doch wie könnte der Post-Corona-Arbeitsplatz aussehen?
Kennen Sie den schon: „Wer hat die Digitalisierung in unserem Unternehmen am stärksten geprägt? Der CEO, der Chief Digital Officer oder Covid?“ Ich gebe zu, den hab ich von Christian Rauscher von der Emotion Bank gestohlen, aber er bringt das Wesentliche auf den Punkt: Corona hat in Windeseile geschafft, was unter normalen Umständen mindestens fünf Jahre Change Management und jede Menge Widerstand gekostet hätte. Fast über Nacht wurden flache Führungsmodelle, agile Teams und Homeoffice zur neuen Normalität. Aber was bedeutet das für die Zukunft? Sollten Unternehmen langsam ans Einsparen der Büroräumlichkeiten denken und den Adamah-Obstkorb für die Büroküche abbestellen? Einiges spricht dagegen!
Büro als Ort der Kommunikation
Obgleich die Covid-19-Fallzahlen wieder stark steigen, der zweite Lockdown das Arbeiten von Zuhause derzeit nahelegt und internationale Konzerne wie Google und Amazon die Homeoffice-Zeit bis Mitte 2021 verlängert haben: Viele Firmen arbeiten weiterhin an sicheren und innovativen Rückkehroptionen ins Büro, sofern sich die Zahl der Infizierten wieder normalisiert. Auch ein Blick auf den Büroimmobilienmarkt zeigt, dass die Arbeitswelt sehr wohl im Wandel ist, der Untergang der Arbeitsstätte aber mehr Fiktion als Realität ist: „Insgesamt hat der Büromarkt das seit dem Corona-Ausbruch veränderte wirtschaftliche Umfeld bisher gut verkraftet“, zieht Stefan Wernhart, Geschäftsführer der EHL Gewerbeimmobilien GmbH eine positive Zwischenbilanz. „Viele Unternehmen prüfen, wie ihre Bürostrukturen an die geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden können. Tatsächlich umgesetzt werden größere Anpassungen vorerst aber nur vereinzelt.“ Wernhart sieht zwei Trends aufkommen: „Einerseits setzt der Einsatz von Remote Working Flächeneinsparungspotenziale durch eine Reduktion der fixen Büroarbeitsplätze frei. Andererseits werden statt Großraumbüros wieder mehr kleinteilige Strukturen benötigt, um die Abstände zwischen den Schreibtischen zu erhöhen und zusätzliche Kommunikationsflächen zu schaffen, was wiederum den Flächenbedarf pro Arbeitsplatz erhöht.“ Auch geänderte Funktion und Bedeutung von Büros werden den Büromarkt mittel- und langfristig deutlich verändern: „Das Büro der Zukunft ist nicht mehr nur Arbeitsort, sondern wird zunehmend zu einem Ort der Kommunikation und der Identifikation“, erklärt der Immobilienexperte. „Dafür werden auch neue Büroformen und Standortqualitäten benötigt werden. Dieser Bedarf wird in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Motor der Flächennachfrage werden.“
Die Neuerfindung des Arbeitsplatzes
Auch Steven Bill Scheffler, Teamleiter Bürovermietung bei OTTO Immobilien, teilte diese Ansicht bereits im Sommer: „Viele Unternehmen haben seit einigen Wochen die Büroflächensuche wieder aktiv auf der Agenda.“ An einen grundlegenden Rückgang des Büroflächenbedarfs angesichts von Homeoffice und Teleworking glaubt Scheffler daher nicht. „Das Büro wird auch weiterhin seine Daseinsberechtigung haben. Aber es wird sich neu erfinden“, ist er überzeugt. Etwa, indem es zum Ort für prozessbasiertes Arbeiten werde. „Dabei wird je nach der zu erledigenden Aufgabe der Arbeitsort gewählt“, erklärt der Teamleiter. Gewechselt wird nicht nur zwischen Büro und Homeoffice, sondern auch innerhalb des Büros. „Statt der bisherigen All-in-one-Arbeitsplätze könnte es künftig Workzones für konzentriertes Arbeiten, ähnlich den Ruheabteilen in den Zügen, sowie Worklounges für Arbeiten, die auch einen informellen Austausch oder Telefonate zulassen, geben“, sagt Scheffler. Allerdings unter der Vermeidung enger Belegungen, um den Abstandsregelungen gerecht zu werden.
Entzaubertes Homeoffice
Hört man sich bei Arbeitnehmern um, gibt es auch viele kritische Stimmen zum Thema Heimarbeit. Neben den Vorteilen wie etwa mehr Flexibilität oder Zeitgewinn wegen der Einsparung der An- und Abreise, gibt es eben auch die andere Seite der Medaille. Bei einer Umfrage des Recruiting-Unternehmens StepStone nannten Befragte etwa folgende Makel am Homeoffice: „Es gibt kein Ende – es fehlt das Nachhausegehen und -kommen“, „Ich will wieder die strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben. Die derzeitige Situation ist extrem stressig“, „Immer zu Hause sitzen beeinflusst die Moral negativ“, „Das ständige Gefühl, man sollte erreichbar sein, kostet viel Energie“ oder auch ganz simpel „Mir fehlen die Kollegen und das Fachsimpeln“. Eine andere Umfrage des deutschen Fachkräftevermittlers Avantgarde Experts ergab Ähnliches: Zwei Drittel (69 Prozent) aller Befragten sehnen sich nach dem gewohnten Alltag im Büro zurück und 90 Prozent vermissen den sozialen Kontakt. Es spricht also doch einiges dafür, den täglichen Gang ins Office wieder zu ermöglichen.
Dazu bedarf es aber einer Strategie, die mehr als nur ein Hygienekonzept beinhaltet. Ebenso wichtig sind technische Neuerungen, die weitere Digitalisierung und Strategien, wie Mitarbeiter während der Bürozeiten künftig besser interagieren und sich trotz Phasen der Abwesenheit mit dem Arbeitgeber identifizieren können. Das Münchner Beratungs- und Architekturunternehmen CSMM hat beobachtet, dass die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland ein halbes Jahr nach dem Beginn der Pandemie keine klare Vorstellung hat, wie die künftige neue Normalität im Office-Alltag aussehen kann. Sie reagieren entsprechend auch jetzt vor allem auf gesetzliche Maßnahmen, Vorgaben und Restriktionen, anstatt die Pandemie zu nutzen, um die Arbeitswelt grundsätzlich neu zu denken. „In der Folge sind sie künftigen Lockdown- oder Krisensituationen immer wieder vergleichsweise hilflos ausgeliefert“, warnt Timo Brehme, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von CSMM. Wie es besser geht? Das Münchner Beratungs- und Architekturunternehmen zeigt mit seinem eigenen Büro ein Modell als Blaupause für alle Unternehmen. Der Architektur liegt die Voraussicht zugrunde, dass Büroarbeit in Zukunft noch agiler, kreativer und kommunikativer werden wird.
Herausforderung: Konträre Mitarbeiterwünsche und Bedürfnisse
Viele Arbeitnehmer wünschten sich schon immer, dauerhaft flexibler zu arbeiten. Die Corona-Krise hat diesen Trend laut Timo Brehme noch verstärkt. Und tatsächlich stehen die meisten Arbeitgeber diesem Thema mittlerweile offen gegenüber. Einer aktuellen Studie der AOK zufolge wollen 76,9 Prozent der Arbeitnehmer auch künftig ab und an von Zuhause arbeiten. Dabei wird gerne vergessen, dass essenzielle Aspekte wie die informelle Kommunikation und die persönliche Interaktion zu Hause meist gänzlich wegbrechen. Doch wie sollen Unternehmen den zur Lösung dieses Konflikts unvermeidlichen Spagat zwischen Sicherheit, Flexibilität und persönlichem Austausch künftig bewältigen? „Bei aller Unabhängigkeit, die die Digitalisierung mit sich bringt, suchen Menschen weiterhin Stabilität und Nähe. Mitarbeitende werden das Büro künftig mehr als Begegnungs- und Kommunikationsfläche nutzen“, weiß Brehme. Auch für die Mitarbeiterbindung wird das Büro wichtiger denn je – wenn sie vor Ort sind. Auf die Herausforderungen des Digitalisierungsschubes folgt nun die Phase, in der auch Bürokonzepte revolutionär neu gedacht werden müssen.
Revolution: Mehr Flächen für Begegnungen – die seltener, aber umso wichtiger werden
Die Gelegenheit, das Büro neu zu denken, ist jetzt günstig wie nie. „Schon vor rund 20 Jahren haben wir von nonterritorialen Büros gesprochen, nun kann das entsprechende Fundament für diese Zukunft gelegt werden“, erklärt Brehme. Dabei wird die in den vergangenen Jahren begonnene Entwicklung vom Großraumbüro hin zum flexiblen Multispace als Möglichkeitsraum die Bürolandschaft künftig prägen. „Was darüber hinaus gefragt ist, ist die Förderung von Teamgeist und Innovationsfähigkeit. Unternehmen, die marktfähig bleiben wollen, benötigen dafür entsprechenden Raum.“
Einen solchen Möglichkeitsraum hat das Münchner Beratungs- und Architekturunternehmen unter Berücksichtigung eines strengen Sicherheits- und Hygienemaßnahmenplans modellhafte Wirklichkeit werden lassen. Im loftartigen Inneren des Büros im Münchner Werksviertel mit über vier Metern Deckenhöhe finden sich überall großzügige Sitzecken. Zudem gibt es eine Tribüne, die Funktionsbereiche trennt und zusätzliche Begegnungsorte schafft. Kommen Besucher, können sie die Meeting-Räume ansteuern, ohne durch das gesamte Büro gehen zu müssen. Das Ergebnis ist damit genau jener Knotenpunkt des Austausches, der Teamarbeit und der Innovationsprozesse, für den die CSMM zusammen mit dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) den Begriff des „Hub & Home“ geprägt hat. Wobei „Home“ hier in bewusstem Gegensatz zum Homeoffice das gemeinschaftliche Büro als sinnstiftenden Ort der Identifikation mit dem Unternehmen meint. „Home is where my office is“: Dieser Grundsatz wird nach Meinung von CSMM in der Post-Corona-Welt das Arbeiten in den hybriden Bürohäusern der Zukunft prägen. Zumindest dann, wenn Unternehmen die sich hierfür bietenden Chancen in der Krise nutzen.
Schöne neue Arbeitswelt
„Mitarbeiter in einem gesunden Arbeitsumfeld sind der Schlüssel für eine gesunde Wirtschaft“, sagt Brehme. Und diesem Grundsatz folgend bietet das Büro der Zukunft nicht nur mehr Raum gerade für jeden einzelnen Mitarbeiter, sondern Flexibilität in räumlicher wie personeller Hinsicht. Stichwort „Wechselarbeitsplätze“. Während Mitarbeiter beispielsweise konzentrierte Schreibarbeiten an mehreren Tagen in der Woche im Homeoffice erledigen können, spielen sich Besprechungen und Kreativmeetings in großzügig gestalteten Teamräumen ab. Zusätzlich zu diesen Orten der Begegnung gibt es nach Vorstellung der Münchner auch Rückzugsräume für den Einzelnen. Dabei helfen flexible Raumtrenner und Einrichtung, die die Möglichkeit des Social Distancings sinnstiftend auffangen. Ergänzt wird dieser Trend zwischen Wechselarbeitsplätzen und Kommunikationsräumen durch die kluge Neuorganisation gemeinschaftlich genutzter Flächen etwa mit Wegweisern und Abstandsmarkierungen.
Österreichische Büromöbelhersteller unterstützen beim Aufbau des Post-Corona-Offices
Wenn Sie sich inspiriert fühlen und Ihr Büro zukunftsfit machen wollen, müssen Sie nicht über die Landesgrenzen blicken. Heimischen Büromöbelhersteller tüftelten bereits an Konzepten und versuchen, der Virusausbreitung mit ausgeklügelten Entwürfen für das Office der Zukunft entgegenzuwirken. So entwickelte etwa der oberösterreichische Möbelbauer hali die Stehleuchte Hailey. Darin ist ein Reinigungsgerät eingebaut, das Luft und Oberflächen von Keimen, Sporen und sogar Corona-Viren befreien kann. Mittels Ozon, einem Molekül, bestehend aus drei Sauerstoffatomen, werden Mikroorganismen aufgesaugt. Danach zerfällt das Ozon und wird zu Sauerstoff. Geschützt werden können Mitarbeiter zudem mittels mobiler Trennwände, Regale oder Pflanzen. Eine mobile Glastrennwand ist bei hali etwa ab 358,42 Euro zu haben, ein Hygieneaufsteller mit Halterungen für Hinweistafel, Desinfektionsmittelspender, Gesichtsmasken oder Einweghandschuhe ab 170,44 Euro.
Auch Bene kümmert sich um soziale Nähe trotz körperlicher Distanz: Mit dem Produkt „SHIELDED by Bene“ präsentiert der internationale Büroexperte ein transparentes und mobiles Schutzschild zur unkomplizierten räumlichen Teilung von Arbeitsplätzen – und gewährleistet damit ein sichereres Arbeitsumfeld. Das Schutzschild aus hochwertigem Acrylglas ist horizontal und vertikal freistehend auf Tischflächen, Empfangspulten und Theken zu platzieren (Preis auf Anfrage). Mit der neuartigen Designlinie PORTS präsentiert Bene zudem ein revolutionäres Bürokonzept, das sich an die jeweilige Situation flexibel anpassen kann. Das Konzept bringt Menschen, Ideen und Funktionen zueinander und kann gleichzeitig Sicherheitsabstände berücksichtigen (siehe Bild 4).
Das niederösterreichische Unternehmen Blaha setzt mit seiner Linie CASONI ein optisches Zeichen für den Personal Space. Die organisch geformten CASONI Raumzonierungsmodule aus akustisch wirksamen Naturmaterialien Hanf und Schafwolle ermöglichen einfaches Konfigurieren des individuellen Workspace. So entsteht Privatsphäre für konzentriertes Arbeiten, und Störungen werden minimiert. Gleichzeitig wird für Sichtschutz und räumliche Distanz gesorgt.
Neben der Möblierung können auch technische Lösungen wie Buchungssysteme für Büroarbeitsplätze helfen, die Zahl der anwesenden Mitarbeiter zu limitieren.
Die Zukunft ist hybrid
Die anfängliche Glorifizierung der Remote Work ist also allmählich in eine Zoom-Müdigkeit gemündet. Vermutlich liegt die Zukunft des Arbeitens irgendwo in der Mitte: das Büro als Basislager, in das man immer zurückkehren kann und das mehr als Ort der Kommunikation und Kreativität dient, während man die eigentliche Arbeit flexibel von überall machen kann. Tools wie Slack, Microsoft Teams & Co bleiben eine sinnvolle Ergänzung zu persönlichen Zusammenkünften. Der Gründer der Freelance-Plattform Malt, Vincent Huguet, fand einmal in einem Interview mit dem Magazin Human Resources Manager schöne Worte: „Wir sind soziale Lebewesen, und obwohl die Werkzeuge immer besser werden und morgen vielleicht Virtual Reality Magie bewirken wird, bin ich überzeugt, dass Millionen von Jahren Körpersprache und physische Verbindung nicht vollständig ersetzt werden können. Wenn wir mit anderen zusammenkommen, werden wir bessere Fachleute und bessere Menschen.“ Und bis dahin heißt es, Abstand halten und Hände waschen. (VM)