„Es braucht einen realistischen, transparenten Dialog.“

NEW BUSINESS - NR. 4, APRIL 2024
Gerald Hirn, General Manager Incyte Biosciences Austria & Switzerland © Johann Szebeni

„Eine funktionierende Gesundheitsversorgung in Österreich – wir können und sollten uns das weiterhin leisten“, sagt Gerald Hirn, General Manager Incyte Biosciences Austria & Switzerland.

Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt – das gilt nach wie vor! Die Versorgung der Bevölkerung mit den benötigten Arzneimitteln kostet Geld. Österreich ist im europäischen Vergleich bei Medikamenten ein „Billigland“. Die Entwicklung der Medikamentenpreise ist stark degressiv. Eine Packung, die vor 25 Jahren noch zehn Euro gekostet hat, kostet heute nur noch knapp über sechs Euro.

Niedrige Preise für Medikamente sind einerseits vorteilhaft, um die Kosten des Gesundheitssystem nicht weiter in die Höhe zu treiben, andererseits jedoch müssen sich Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb für die Hersteller auch rechnen. In diesem Zusammenhang geht es hier nicht nur um preisgünstige Standardmedikamente, sondern auch um innovative Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen, z. B. im Bereich Krebstherapie oder Hauterkrankungen.

Als konkretes Beispiel sei die Autoimmunerkrankung Vitiligo – die Weißfleckenkrankenheit – genannt, von der weltweit zwischen 0,5 und zwei Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Ohne entsprechendes Engagement von Pharmaunternehmen wäre es schwierig, die Bedürfnisse dieser speziellen Patientengruppe hinsichtlich innovativer Therapieoptionen zu erfüllen. 

Im Vergleich zu weitverbreiteten chronischen Erkrankungen wie Diabetes (ca. 900.000 Betroffene alleine in Österreich) trifft diese Hauterkrankung, charakterisiert durch weiße, depigmentierte Hautareale, weniger Menschen, nichtsdestotrotz sollte aber immer das individuelle Wohlergehen betroffener Menschen im Fokus stehen und Lösungen geboten werden. 

Arzneimittelentwicklung braucht einen langen Atem und kostet
Global werden von forschenden Pharma­unternehmen rund 20 Prozent des Umsatzes, erzielt mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, wieder für Forschung und Entwicklung eingesetzt. Zwischen Forschung – dem Finden eines geeigneten Moleküls – und Zulassung als Medikament verstreichen durchschnittlich etwa 13 Jahre. Der dafür not­wendige finanzielle Aufwand von bis zu 2,6 Milliarden US-Dollar ist enorm.

Nicht miteingerechnet sind hier die Kosten für jene therapeutischen Ansätze, die nicht bis zur endgültigen Marktreife entwickelt werden konnten. Um auch die Entwicklung von Medikamenten für kleine Gruppen von Betroffenen finanzieren und die beschriebenen Investitionen tätigen zu können, benötigt ein Pharmaunternehmen daher ein stabiles Produktportfolio. 

Forschung und Entwicklung müssen sich rechnen
2022 wurden in Österreich Arzneimittel mit einem Gesamtwert von 5,7 Milliarden Euro verkauft. Der Umsatz ist im Vergleich zu 2021 insgesamt um neun Prozent gestiegen. Innovative, neu auf den Markt gebrachte Medikamente trugen 2022 nur zu 0,4 Prozent des Wachstums bei. Die ethische Verpflichtung zur Entwicklung innovativer Arzneimittel bzw. Verbesserung bestehender Therapien zählt zu den Hauptherausforderungen der Pharmaindustrie.

Ein zielführender Einsatz bzw. erstattete Verordnung von Arzneimitteln an Patient:in­nen mit Bedarf sind daher zu forcieren. Arzneimittel sind – von der Entwicklung bis hin zur Anwendung – strengstens reguliert. Derzeit befinden sich etwa 140 hochinnovative Arzneimittel in der Zulassungs-Pipeline der Europäischen Zulassungsbehörde EMA. Der nächste Schritt nach erfolgter europäischer Zulassung ist die nationale Freigabe und Bewertung. 

Damit Patient:innen erhalten, was sie brauchen
Viele Substanzen im niedergelassenen Bereich sind in Österreich „chefarztpflichtig“ – das bedeutet, dass verordnete Medikamente einer zusätzlichen Freigabe seitens der Versicherungen bedürfen. Bewertet werden therapeutischer Nutzen und in der Folge auch wirtschaftlicher Nutzen – eine nicht immer einfach zu treffende Entscheidung. Im überwiegenden Teil der Fälle zeigt sich in der Praxis, dass kranke Menschen die für sie notwendigen Medikamente auch erhalten und erforderliche Therapien umsetzen können. Der Bezug von Gesundheitsservices und Leistungen steht für alle Bewohner:innen des Landes offen. 

Die Preis- und Erstattungsgestaltung eines Landes für innovative Medikamente ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine ethische Frage. Denn es gilt, die Versorgungssicherheit und Finanzierbarkeit von Neuentwicklungen, insbesondere von Medikamenten für spezielle und seltene Erkrankungen, zu gewährleisten. Und es liegt im Interesse von Gesellschaft und Gesundheitspolitik, ein Sparprogramm zu Lasten von Patient:innen zu verhindern!

Um dies bestmöglich im Interesse therapiebedürftiger Menschen umsetzen zu können, muss ein auf Fakten basierender Informationsaustausch gewährleistet sein. Es braucht einen realistischen, transparenten Dialog zwischen allen Beteiligten: den forschenden Unternehmen, den für Zulassung und Erstattung zuständigen Stellen und den behandelnden Ärzt:innen – im Interesse und zum Wohl der Patient:innen! (GH)