Nachhaltigkeit und Convenience liegen im Trend.

NEW BUSINESS - NR. 5, MAI 2023
„Bio hat sich auch in der schwierigen Situation der allgemeinen Teuerung als krisenfest ­erwiesen“, sagt Gertraud Grabmann, Obfrau von Bio Austria. © Bio Austria/Sonja Fuchs

Das aktuelle Haushaltspanel der AMA Marketing zeigt für 2022 großes Interesse an Bio-Produkten und Milchprodukten in Glasflaschen. Gleichzeitig wird auch viel Fertiges gekauft.

Von der Coronakrise über den Krieg in Europa hin zur höchsten Inflation seit 1974: Die Auswirkungen auf das tägliche Leben, die Märkte und Menschen sind groß und beeinflussen in vielerlei Hinsicht die Lebensmittelproduktion wie auch das Konsum- und Kaufverhalten in Österreich. Dies veranschaulichen auch die aktuellen Daten aus dem RollAMA Haushaltspanel für 2022.

Die RollAMA ist die rollierende Agrarmarktanalyse der AMA-Marketing in Zusammenarbeit mit der GfK und KeyQUEST Marktforschung. Basis ist das GFK-Haushaltspanel. Dabei führen 2.800 österreichische Haushalte Aufzeichnungen über ihre Einkäufe im Lebensmitteleinzelhandel. Die RollAMA-Daten umfassen die Warengruppen Fleisch und Geflügel, Wurst, Milch und Milchprodukte, Käse, Obst, Gemüse, Erdäpfel, Eier, Tiefkühlprodukte, Fertiggerichte, aber nicht Brot und Gebäck. 

Ausgaben nur um zwei Prozent ­gestiegen
Im Einklang mit der Rücknahme der coronabedingten Restriktionen und Lockdowns passen sich auch die Märkte wieder dem früheren Einkaufsverhalten an. Entsprechend sanken die Einkaufsmengen im Jahr 2022 um acht Prozent gegenüber der Vorjahresperiode und blieben gegenüber der Zeit vor der Coronakrise stabil. Die Mengenrückgänge führten dazu, dass die Ausgaben im Vergleich zu 2021 nur um zwei Prozent stiegen.

„Längerfristig zeigen sich zwei größere Trends: Nachhaltigkeit und Convenience“, erklärt Christina Muten­thaler-Sipek, Geschäftsführerin der AMA-Marketing. „Die Nachhaltigkeit zeigt sich darin, dass die stetig steigende Bio-Nachfrage durch die Inflation nur leicht gedämpft wurde und immer mehr Menschen zu Produkten in wiederverwertbaren Glasflaschen greifen. Convenience-Produkte zeigen satte Zuwächse. Es ist davon auszugehen, dass dieses Segment weiter an Bedeutung gewinnen wird“, fasst sie die Trends zusammen.

Konstante Erfolgsgeschichte Bio
Waren vor zehn Jahren die Motive für Bio-Einkäufe noch primär die Selbstfürsorge und der gute Geschmack, so greifen Konsument:innen heute stärker wegen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Umweltschutz und Tierwohl in das Bio-Regal. Bei jenen Konsumenten, die besonders viel Bio kaufen, sind die Aspekte der Nachhaltigkeit von Bio sogar an die erste Stelle der Bio-Motive gerückt. Die Bio-Käufer:innen sind vor allem bei Familien mit Kindern, aber auch in gut situierten urbanen Haushalten und bei der jungen Generation verortet, die beispielsweise auf das neueste Smartphone verzichtet, um stattdessen bewusster zu essen. „Der Zugang zu Bio hat sich in den letzten zehn Jahren entscheidend verändert“, erläutert Mutenthaler-Sipek.

Einerseits richtet sich die Aufmerksamkeit der Konsument:innen auf nachhaltige Landwirtschaft, weil das Thema durch die Klimakrise in den Fokus gerückt ist. Hinzu kommen artgerechte Tierhaltung und ein ressourcenschonender Umgang mit den Böden. Andererseits wächst eine junge Generation heran, deren Wertesystem stark vom Gedanken der Nachhaltigkeit geprägt ist. Bio-Lebensmittel werden sowohl häufiger als auch mengenmäßig mehr gekauft. „Vor allem bei Bio-Vielkäufern ist das Fleisch als wichtige Bio-Kategorie dazu gekommen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Bio, allen aktuellen wirtschaftlichen Widrigkeiten zum Trotz, gekommen ist, um zu bleiben“, freut sich Mutenthaler-Sipek über die Entwicklung.

Dieser Trend lässt sich auch durch Zahlen aus dem RollAMA-Haushaltspanel belegen. Die Umsätze mit Bio-Lebensmitteln im Lebensmitteleinzelhandel sind 2022 um 3,7 Prozent gestiegen, während die gekaufte Menge an Bio-Lebensmitteln um 3,5 Prozent gesunken ist. Der Grund für den Rückgang der Mengen liegt unter anderem im wieder häufigeren Außer-Haus-Konsum nach Ende der Lockdowns. Vergleicht man die Zahlen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019, dann ist ein klarer Aufwärtstrend deutlich zu sehen: Mengenmäßig gab es von 2019 bis 2022 eine Steigerung um 31,2 und wertemäßig um 42,7 Prozent.

Der Bio-Anteil im Lebensmitteleinzelhandel hat 2022 mit 11,5 Prozent über alle Warengruppen hinweg einen neuen Höchststand erreicht. Innerhalb der einzelnen Warengruppen gibt es deutliche Unterschiede bei den Bio-Anteilen: Besonders hoch sind sie bei Trinkmilch (29,5 Prozent) und Joghurt natur (26,4 Prozent). Deutlich gestiegen sind die Bio-Anteile bei Fleisch und Geflügel (plus ein Prozentpunkt), Frischobst (plus 1,7 Prozentpunkte) und Frischgemüse (plus 2 Prozentpunkte). Mit einem Bio-Anteil von 22,5 Prozent hat sich Frischgemüse 2022 zur drittstärksten Bio-Warengruppe katapultiert.

„Bio hat sich auch in der schwierigen Situation der allgemeinen Teuerung als krisenfest erwiesen. Trotz widrigster wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist der Bio-Umsatz gestiegen und hat ein neues Allzeit-Jahreshoch erreicht. Das ist bemerkenswert! Und es bestätigt in eindrucksvoller Weise einmal mehr, dass die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich starke und verlässliche Partner der biologischen Landwirtschaft und der Biobäuerinnen und Biobauern sind“, zeigt sich Bio-Austria-Obfrau Gertraud Grabmann erfreut.

Der weiter oben bereits genannte geringere Preisanstieg bei Bio-Lebensmitteln sei ein wesentlicher Faktor, der zu einem stabilen Absatz beigetragen habe. „Ein möglichst stabiler Preis ist in Zeiten galoppierender Inflation ein wichtiges Argument beim Griff ins Regal. Die Menschen haben gesehen, dass Bio entgegen hartnäckigen Vorurteilen nicht unleistbar wird. Im Gegenteil: Bio bremst die Inflation im Lebensmittelbereich“, so Grabmann.

Glasflaschen stark im Aufwind
Neben Bio-Lebensmitteln zeigt sich im RollAMA Haushaltspanel auch ein höheres Umweltbewusstsein an der wachsenden Beliebtheit der wiederverwertbaren Glasflasche bei Milch und Fruchtjoghurt aus dem Glas. Bereits 35 Prozent der Haushalte lassen sich von dieser ökologischen Verpackungsart ansprechen.

Selbstbedienung immer beliebter
In einer zunehmend mobileren Gesellschaft spielt das Thema Convenience eine immer größere Rolle. Der Einkauf von Fertiggerichten legte seit 2019 um beachtliche 14 Prozent zu, Konserven und Tiefkühlware von Obst und Gemüse zeigen eine ebenso dynamische Entwicklung. Der Wunsch nach raschem Einkauf und Zubereitung äußert sich im vermehrten Kauf von Fleisch und Wurst in der Selbstbedienung und am boomenden Sortiment von Reib- und Scheibenkäse.

Alternativprodukte wachsen ­langfristig
Seit einigen Jahren sinkt der Anteil jener Menschen, die kaufen. Es steigt vor allem die Zahl derer, die den Fleischkonsum bewusst reduzieren. Der Markt von Alternativen im Bereich Fleisch, Fertiggerichten und Milch ist anteilsmäßig noch gering aber langfristig wachsend. Im Jahr 2022 war die Entwicklung etwas gebremst, wohl auch, weil Imitatprodukte meist teurer sind als das jeweilige Original. Der Anteil der Käufer in dieser Kategorie stagnierte im Jahr 2022 bei 52 Prozent.

Monatliche Haushaltsausgaben meist für Fleisch, Wurst, Milchprodukte
Monatlich gaben die heimischen Haushalte im Jahr 2022 rund 170 Euro für frische Lebensmittel und Fertiggerichte (exkl. Brot und Gebäck) aus. Der größte Anteil entfällt dabei auf tierische Lebensmittel wie Fleisch, Wurst und Milchprodukte. Die Einkaufsfrequenz war rückläufig und lag deutlich unter dem Wert von 2019, was darauf hindeutet, dass neben mehr Außer-Haus-Konsum auch Vorräte aufgebraucht wurden bzw. etwas sparsamer bei der Verwendung der eingekauften Lebensmittel vorgegangen, vielleicht auch weniger weggeworfen wurde.

Fleisch- und Obsteinkauf rückläufig
Am stärksten sanken 2022 die Einkaufsmengen bei Fleisch, insbesondere Rindfleisch, und Frischgemüse, weniger bei Käse, Wurst und Eiern – es wurde weniger gekocht als während der Coronapandemie – und bei höherpreisigen Lebensmitteln wurde eher gespart. Auf längere Sicht ist neben einem Mengenrückgang von Fleisch und Wurst auch ein sinkender Obsteinkauf zu verzeichnen. Der Grund liegt im Wachstum des Segments Beerenobst, das mengenmäßig weniger stark ins Gewicht fällt.

Inflation hinterlässt Spuren
Die Preise stiegen 2022 im Schnitt über alle RollAMA-Warengruppen um elf Prozent, der Indexwert lag um 19 Prozent über dem Jahr 2020. Die Inflationsrate für Nahrungsmittel betrug laut Statistik Austria im selben Zeitraum 22 Prozent Steigende Milchpreise ließen Konsu­men­t:innen vermehrt zur günstigeren Haltbarmilch greifen, aber auch Faktoren wie Bevorratung, sinkende Einkaufsfrequenz und weniger Bedarf durch kleinere Haushalte spielen dabei eine Rolle.

Die steigenden Butterpreise führen jedoch kaum zu Verhaltensänderungen, Butter bleibt gegenüber Margarine stabil. Am Eiermarkt waren die Preissteigerungen im Segment Bodenhaltung besonders ausgeprägt, am geringsten fielen sie bei Eiern aus der konventionellen Freilandhaltung aus, wodurch die Wahl der Käufer verstärkt auf diese Haltungsform fiel.

Top-Aktionsartikel: Butter und Fleisch
Die steigenden Preise führen auch dazu, dass zahlreiche Aktionsprodukte vom Lebensmitteleinzelhandel angeboten und vom Verbraucher auch gekauft werden. Jeder dritte Euro wird für ein vergünstigtes Lebensmittel ausgegeben. Butter und Fleisch gehören wie üblich zu den Top-Aktionsartikeln. Marktanteilsgewinne der Diskonter gehen mit der Entwicklung ebenso einher wie steigende Anteile von Eigenmarken. (BS)