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Almen statt Palmen

NEW BUSINESS - NR. 6, JULI/AUGUST 2020
Natur, Heimat und Gelassenheit – darauf wird seit der Pandemie mehr Wert ­gelegt. © Adobe Stock/SimpLine

Dank Corona erleben wir eine Renaissance der Sommerfrische. Denn trotz geöffneter Grenzen liebäugeln die Österreicher mit einem Heimaturlaub in den Bergen oder am See ...

... Das trifft sich gut, denn die von der Pandemie gebeutelte Tourismusbranche hat viel zu kompensieren. 

Der Tourismus ist zweifelsohne die Branche, die unter der globalen Corona-Epidemie am meisten und wohl auch am längsten leiden wird“, ist sich Martin Winkler, Vorstandsvorsitzender der Verkehrsbüro Group, Österreichs größtem Tourismuskonzern, sicher. Immerhin hatten Hotelbetriebe rund 2,5 Monate Zwangspause und damit einen Totalausfall. Winkler rechne damit, dass die kommenden 18 bis 24 Monate für die heimische Tourismuswirtschaft extrem herausfordernd werden. Hilfsmaßnahmen wie die Verlängerung der Kurzarbeit um nun vorerst drei weitere Monate sowie Fixkostenzuschüsse für die gesamte Branche seien gute erste Schritte – es brauche aber rasche Zahlungen, die die Liquidität sicherstellen. Weitere, langfristige Maßnahmen müssen rasch definiert werden. Auch eine Studie des Institute of Brand Logic kommt zu dem Ergebnis, dass die Tourismusbranche langfristige Auswirkungen der Corona-Krise erwarte. Markus Webhofer, Gründer und CEO des Innsbrucker Instituts, ist sich sicher: „Für Destinationen und Betriebe stellt die Corona-Krise eine wirtschaftliche Bedrohung dar.“
Aber: Die meisten Befragten sehen in der Krise auch einen Katalysator für zentrale Zukunftstrends wie Wellness, Sicherheit, Naturerlebnis, Regionalität und Nachhaltigkeit: „Drastische Einschnitte wie die Corona-Krise beschleunigen häufig bereits bestehende Entwicklungen“, sagt Webhofer. „Für Tourismusunternehmen und Destinationen wird ihr zukünftiger Erfolg davon abhängen, ob es ihnen gelingt, eine Antwort auf diese Zukunftstrends zu finden.“ Neben diesen Vorlieben ist aber noch ein anderer Faktor relevant: Ob die Gäste entscheiden, überhaupt Heimaturlaub zu machen, und nicht auf Balkonien bleiben.

Gäste fühlen sich in Österreich sicherer
Die gute Nachricht: „Trotz der wachsenden Reisefreiheit in Europa steht Heimaturlaub heuer hoch im Kurs“, kommentiert Markus Gratzer, Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung, die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von 1.000 Haushalten durch das Meinungsforschungsinstitut mindtake. Dieser Trend sei auch, aber nicht nur auf COVID-19 zurückzuführen, so WIFO-Tourismusexperte Oliver Fritz: „64 Prozent der Österreicher, die 2019 Urlaub gemacht haben, wählen trotz sich wieder öffnender Grenzen Urlaubsziele in Österreich: 40 Prozent ausschließlich im Inland, 24 Prozent teils im In- und teils im Ausland. Das spricht zum einen klar für die Angebote der heimischen Betriebe, zum anderen fühlen sich die Österreicherinnen und Österreicher gerade in einer Gesundheitskrise in Österreich sicherer.“ Unterstrichen wird das von einer zweiten interessanten Entwicklung: 35 Prozent der Urlauber, die im Vorjahr ihren Urlaub ausschließlich im Ausland verbracht haben, verbringen ihn heuer komplett (20 %) oder teilweise zwischen Bodensee und Neusiedler See. Das, so Fritz, deute auf eine deutlich höhere Nachfrage von Österreichern nach einem Urlaub im eigenen Land hin.

Aktivurlaub boomt, Städtetourismus steht vor ­Herausforderungen
Vor falschen Interpretationen warnt Gratzer jedoch: Die fehlenden Gäste aus dem Ausland könnten dadurch bei Weitem nicht kompensiert werden. Im Gegenteil müsse alles daran gesetzt werden, noch zusätzliches Potenzial zu heben. Auch das bestätigt die Befragung: 9 Prozent sind noch unsicher, ob sie im Sommer auf Urlaub fahren wollen, 14 Prozent wollen aktuell keine Urlaubsreise machen: „Da ist noch Luft nach oben. Mit der richtigen Bewerbung geht da noch einiges“, ist der Branchensprecher überzeugt und baut auf den Impact der Inlandskampagne von Österreich Werbung und den Landestourismusorganisationen. Ein weiterer positiver Trend: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer könnte sich von 2,8 im Vorjahr auf 5,6 Tage heuer verdoppeln. „Haupturlaube werden heuer vermehrt im In- statt im Ausland verbracht. Das zeichnet sich sehr deutlich ab“, erklärt Fritz. Am beliebtesten, wie schon im Vorjahr, sind Erholungs- und Wellnessurlaube (52,3 %), gefolgt von Aktiv- und Erlebnisurlauben (42,5 %): „Man merkt klar, die Leute wollen hinaus in die Natur. Und was gibt es da Besseres als unsere Seen und Berge?“, zeigt Gratzer auf. Einbußen gibt es hingegen im Boom-Segment der letzten Jahre: dem Städteurlaub. „Die Betriebe stehen hier teilweise vor extremen Herausforderungen, die vermutlich in den nächsten paar Jahren nicht leichter werden. Hier braucht es dringend maßgeschneiderte Lösungen, die rasch bei den Betrieben ankommen müssen“, fordert der Generalsekretär und gibt damit auch Martin Winkler vom Verkehrsbüro Recht.
Die beiden entscheidendsten Faktoren bei der Hotelwahl sind laut Umfrage nach wie vor Preis und Lage. Hygie­nestandards findet man, wie auch schon im Vorjahr, erst in den hinteren Rängen. Keine Überraschung, wie Gratzer erklärt: „Top-Hotellerie heißt Top-Hygiene. Wohlfühlen und Entspannung fängt mit Sauberkeit an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Etage sind Vollprofis und die heimlichen Helden eines gelungenen Urlaubes.“

Neue Werte nach Corona: Freiheit, Sicherheit und Natur stehen im Vordergrund
Einen Wermutstropfen erkennt eine weitere Studie, die Meinungsforscherin Sophie Karmasin Mitte Juni veröffentlichte: Auch wenn die meisten Österreicher ihren Sommer- und Herbsturlaub im Inland verbringen möchten, war ein großer Teil der geplanten Urlaube zum Umfragezeitpunkt noch nicht gebucht. „Wir sehen, dass Österreich nach der Corona-Krise als eine relevante Urlaubsoption wahrgenommen wird. Damit aus dieser Wahrnehmung auch eine konkrete Buchung wird, braucht es vielfach aber noch einen finalen Anstoß“, sagt Sophie Karmasin. ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer sieht hier aber vor allem das Potenzial bei den Unentschlossenen: „Die werden wir auch noch überzeugen!“
Eine weitere Frage im Rahmen der Karmasin-Studie war: Was hat die Krise mit den Werten in der Bevölkerung gemacht? Die Verschiebungen sind teils beachtlich. Über 50 Prozent der Befragten gewichten die Themen Freiheit, Natur, Miteinander und Sicherheit jetzt stärker als vor der Pandemie. Auch Heimat, Vertrautheit und Gelassenheit gewinnen an Bedeutung, genauso wie Entschleunigung und Nachhaltigkeit. „Das neue gesellschaftliche Klima ist mehrheitlich optimistisch. Die neue Situation wird als Anlass genommen, seine Lebens- und Werteprinzipien zu überdenken. Ein neuer Lebensstil zeichnet sich ab: bedachter, achtsamer, auf Natur, Heimat, Nachhaltigkeit und Gelassenheit ausgerichtet. Die wiedergewonnene Freiheit ist dabei zentral. Das Miteinander spielt bei entsprechender Sicherheit vor Ansteckung wieder eine große Rolle“, so Karmasin.
Daraus ergeben sich auch neue Schwerpunkte für die Hotellerie: „Die österreichischen Tourismusbetriebe werden sich nach der Corona-Krise – mehr denn je – mit den Themen Nachhaltigkeit, Regionalität und Hygiene auseinandersetzen müssen. Österreich war immer schon ein besonders sicheres Urlaubsland, und Sicherheit wird in jeder Hinsicht auch ein wichtiges Erfolgskriterium für den rot-weiß-roten Tourismusstandort bleiben. Damit können und werden wir bei unseren Gästen punkten“, sagt Martha Schultz, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich. „Deshalb bin ich überzeugt, dass der Neustart des Tourismus mit seinen Betrieben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach dieser fordernden Zeit gelingen wird und unser Land sich – national wie international – als Top-Urlaubsdestination positionieren kann“, so Schultz weiter.

Das Konjunkturpaket aus Sicht der österreichischen Hotellerie
Dass der weitere Verlauf nicht nur an den Hotelbetrieben selbst liegt, ist klar. Die unzähligen Forderungen nach mehr Unterstützung seitens der türkis-grünen Regierung wurden Mitte Juni schließlich erhört. „Die Regierung hat viele Vorschläge aus der Praxis ins Konjunkturpaket aufgenommen. Gut umgesetzt, können wir so viele Arbeitsplätze in den Hotels retten“, hält die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, Michaela Reitterer, fest. Die intensive inhaltliche Auseinandersetzung der ÖHV mit den Auswirkungen der Krise auf Unternehmen über die Branchengrenzen hinaus und wie sie aufgefangen werden können, mache sich jetzt bezahlt. Vor allem die Lohnsteuer- und Umsatzsteuer-Senkung begrüßt Reitterer, weist aber darauf hin, dass die 10 Prozent für Nächtigungen auf viel Unverständnis stoßen: „Wenn die EU keinen zusätzlichen USt-Satz erlaubt, wird der 10%ige USt-Satz wohl auch auf Nächtigungen angewandt.“ Die Stärkung des Eigenkapitals durch Verzinsung hält sie für einen innovativen Schritt zu einer nachhaltigen und unbürokratischen Bilanzoptimierung ohne Aufwand und Risiko. Und auch andere, bereits bekannte Maßnahmen, wie 2.000 Euro Lehrlingsbonus oder das Sonderbudget von 40 Mio. Euro für die Österreich Werbung begrüßt Reitterer ausdrücklich. Für sie ist aber auch klar: „Jede dieser Maßnahmen kann nur gemeinsam mit der Branche optimal für die Branche umgesetzt werden.“ Ob die Neuerungen bei Investitionsprämie und Abschreibung auf das Investitionsklima wirken, will die ÖHV-Präsidentin bei den Betrieben in Erfahrung bringen. In der letzten Standortbefragung haben Hotels, Händler, Gewerbebetriebe und EPUs angegeben, die Investitionen heuer um 350.000 Euro zurückzufahren und im kommenden Jahr um fast 500.000 Euro: „Natürlich helfen Prämien und höhere Abschreibungen. Da ist es wichtig, zu wissen, ob jetzt mehr Investitionen und Abschreibungen überhaupt möglich sind oder ob es noch zu früh ist dafür“, setzt Reitterer auch hier auf Input aus der Praxis: „Niemand kann die Lage, die Aussichten für die kommenden Monate und die Investitionspläne der Betriebe besser beurteilen als die Unternehmer selbst“, bietet Reitterer Input durch eine zeitnahe weitere Branchenbefragung an: „Lassen wir das die bewerten, die zum Investieren animiert werden sollen!“

Und was sagen die Hoteliers selbst?
Seit 29. Mai können Hotels also wieder Gäste empfangen. Viele Betreiber sind mittlerweile wieder positiv gestimmt, erleichtert über die Lockerungen und geben alles, um die Krise zu überstehen. „Wir hatten direkt zu Beginn viele Anfragen und sind auch die nächsten Monate so gut wie ausgebucht. Schön, wenn sich das Haus wieder füllt. Wir freuen uns schon auf die nächsten Lockerungen und auf die Zeit, wenn endlich auch unsere vielen Stammgäste über Grenzen hinweg reisen und in den Hochschober kommen können“, erzählt etwa Karin Leeb vom Hotel Hochschober auf der Turracher Höhe. Vor allem die Kommunikation mit dem Gast steht mehr als zuvor im Mittelpunkt, wie Julia von Deiner vom Falkensteiner Schlosshotel Velden in Kärnten erklärt: „Viele Gäste wissen nicht vollumfassend Bescheid über die bestehenden und immer wieder veränderten Vorgaben der Bundesregierung. Wir informieren unsere Gäste jetzt bereits vor Anreise per Newsletter und haben die am häufigsten gestellten Fragen auf unserer Homepage zusammengetragen. Parallel sprechen wir die Gäste direkt bei Anreise darauf an.“ Von Deiner sieht in der Krise auch eine Chance für Verbesserungen: „In manchen Details konnten wir unsere Qualität und Dienstleistung weiter ausbauen. So gleicht unser Frühstücksbuffet jetzt einem Marktkonzept – unsere Mitarbeiter bereiten direkt am Buffet den Brötchenkorb, das Obst etc. individuell für jeden Gast zu und überreichen einen persönlich zusammen gestellten Teller oder Korb. Die Interaktion mit dem Gast wurde damit noch weiter verstärkt.“ Einfach war es für niemanden in der Tourismusbranche, aber für die Gastgeberin ist klar: „Jetzt krempeln wir unsere Ärmel hoch und los geht‘s…dieses Jahr werden wir uns noch mehr anstrengen!“ (VM)