Statt einfach nur der Hitze in den klassischen Sommerdestinationen zu entfliehen, legen immer mehr Urlauber:innen Wert auf nachhaltiges Reisen. © Adobe Stock/Atstock Productions
Das erste Halbjahr 2024 ist um und die heimischen Touristiker ziehen eine positive Bilanz. Weniger zu lachen haben derzeit große Buchungsplattformen.
Hohe Strafzahlungen sowie Einschränkungen bei Kurzzeitvermietungen trüben den heißen Sommer.
Begonnen hat alles mit einer bemerkenswerte Reise im Jahr 1841: Am 5. Juli organisierte Thomas Cook eine Eisenbahnreise für 570 Aktivisten der Abstinenzbewegung von Leicester ins nahegelegene Loughborough. Neben der Hin- und Rückfahrt beinhaltete der Preis von einem Schilling ein Schinkenbrot und eine Tasse Tee. Und damit war auch schon die Idee der Pauschalreise geboren.
Heute zählt der Tourismus zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Welt, und natürlich auch in Österreich. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO haben 2023 aus- und inländischen Touristen in Österreich schätzungsweise 35,9 Milliarden Euro ausgegeben, was eine Steigerung von 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Daraus resultierten direkte und indirekte Wertschöpfungseffekte von rund 29,5 Mrd. und 6,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Auf der anderen Seite haben die Sehnsucht nach fremden Ländern und Instagram-tauglichen Spots oder nur der Wunsch nach Erholung und Unterhaltung auch ihre Schattenseiten. Neudeutsch werden diese als Overtourism bezeichnet. Mallorca und Venedig haben es heuer regelmäßig mit Protesten der Einheimischen und Eintrittsgeldern in die Nachrichten geschafft.
Auf Mallorca lautet der Vorwurf: Die Massen an Touristen würden den Einheimischen zunehmend zum Fremden auf der eigenen Insel machen. Vor allem zu wenig leistbarer Wohnraum macht den Mallorquinern zu schaffen und treibt sie auf die Straße. 18 Millionen Urlauber kamen 2023 auf die Baleareninsel. Denen stehen 1,2 Millionen Einheimische gegenüber, denen es nicht um den kompletten Stopp, sondern nur um eine Reduktion des Tourismus geht.
Um den Besucherströmen Herr zu werden, versucht es Venedig mit einer Eintrittsgebühr für Tagesgäste. Fünf Euro waren in der Testphase bis Mitte Juli zu bezahlen. An manchen Tagen wurden mehr als 25.000 zahlende Gäste registriert. Mit dieser Gebühr soll die Stadt mehr als zwei Millionen Euro eingenommen haben. Ab 2025 soll die Gebühr fix zurückkommen und bis zu zehn Euro kosten.
Auch in Hallstatt, dem Österreich-Hotspot, wächst der Unmut der Bewohner:innen. Von Eintrittsgebühren will man absehen, vom Protestieren aber nicht. Letztes Jahr wurde der Straßentunnel für eine Viertelstunde von den Bewohner:innen blockiert. Weitere Blockaden gab es diesen Sommer. Auch die Arbeiterkammer Tirol will die Einheimischen schützen und fordert, dass sie die Angebote im Sommer- und Wintertourismus zu vergünstigten Tarifen nutzen können.
„Es ist völlig klar, dass die Bedürfnisse und Interessen der Tirolerinnen und Tiroler ebenso angemessen zu berücksichtigen sind wie jene von Urlaubern“, stellt AK Präsident Erwin Zangerl klar. Auch wenn der Tourismus in Tirol ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, darf nicht vergessen werden, dass die heimische Bevölkerung das ganze Jahr in Tirol lebt, hier Steuern zahlt und direkt bzw. indirekt maßgeblich zum Erfolg des heimischen Tourismus beiträgt.
Zusätzlich gäbe es neben den direkten gesundheitlichen und sozialen Vorteilen auch langfristigen ökonomischen Nutzen von vergünstigten Tarifen für die ansässige Tiroler Bevölkerung. „Eine gesunde und zufriedene Bevölkerung stärkt das positive Image Tirols als attraktives Reiseziel. Wenn wir die Einheimischen nicht mit ins Boot holen, wird das über kurz oder lang zu schweren Verwerfungen führen“, warnt Zangerl.
Erfolgsmeldungen aus Österreich
Die Ängste vor zu vielen Touristen plagen die Bundeshauptstadt nicht. Hier freut man sich über zehn Prozent mehr Nächtigungen im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahres. 8,2 Millionen Nächtigungen verzeichnete Wien im ersten Halbjahr. „Die Bilanz zeigt deutlich: Wiens Visitor Economy nimmt erneut ihre gewohnte Rolle als Wirtschaftsmotor und Garant für Ganzjahresarbeitsplätze ein. Dazu kommen vielfältige Spillover-Effekte auf angrenzende Wirtschaftsbereiche wie den Handel, die vom Städtetourismus profitieren. Für den beständigen Einsatz der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter:innen bedanke ich mich herzlich! Was mir besonders wichtig ist: Wiens touristischer Erfolg wird auch von den Wiener:innen hoch geschätzt. Neun von zehn Befragten sagen, dass sie dem Tourismus in der Stadt positiv gegenüberstehen“, erklärte Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke, Präsident des Wien Tourismus, bei der Präsentation der Zahlen Anfang August.
Norbert Kettner, Geschäftsführer des Wien Tourismus, präzisiert: „Unser bedingungsloses Festhalten am Qualitätstourismus, die Ansprache eines kulturinteressierten und kaufkräftigen Publikums sowie die globale Positionierung Wiens als Meeting Destination haben sich bewährt. Wiens Tourismus ist in gewohnter Stärke zurück und liefert im ersten Halbjahr 2024 eine Top-Performance ab. Mit rund 80 Prozent Auslandsnächtigungen ist Wiens Tourismus so international wie vor der Pandemie. Maßgeblichen Anteil daran hatten die USA, die als Wiens aufkommensstärkster Fernmarkt nach Österreich und Deutschland zu unseren Top-3-Herkunftsländern gehören.“
Auch das Burgenland meldete Anfang August Rekordzahlen für die ersten sechs Monate. Es verbrachten mehr Menschen denn je ihren Urlaub im Burgenland. Die Zahl der Ankünfte kletterte auf 531.064 und stieg damit um 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Auch die Übernachtungen erreichten mit 1,5 Mio. und einem Plus von sieben Prozent einen neuen Höchstwert. Didi Tunkel, Geschäftsführer von Burgenland Tourismus, ist mit der bisherigen Entwicklung mehr als zufrieden und erklärt:
„Der Sommer ist in vollem Gang und das bisherige Tourismusjahr verläuft für das Burgenland sehr erfreulich. Nach Rekord-Nächtigungsergebnissen im Januar, Februar, März und Mai sorgte das generell sehr wechselhafte und kühle Wetter im Juni, einschließlich der massiven Unwetter im Südburgenland, für etwas Verunsicherung im Markt. Die negativen Auswirkungen der Wettersituation und Unwetterschäden konnte man auch signifikant in anderen betroffenen Bundesländern beobachten. Dennoch haben sich die Betriebe im Burgenland schnell und gut auf die Situation eingestellt, insgesamt zeigt sich, dass wir den Juni unter den gegebenen Umständen gut bewältigt haben und dass die betroffenen Regionen und Betriebe die schwierige Phase gut meistern konnten.“
Die österreichischen Erfolgsmeldungen nehmen kein Ende. Sogar kleine Betriebe in Kärnten zeigen sich mit der bisherigen Saison zufrieden. Eine Blitzumfrage des Landesverbandes Urlaub am Bauernhof Anfang August zeigte insgesamt ein sehr positives Bild für die bäuerlichen Gastgeber in Kärnten. 80 Prozent der befragten Vermieter sind mit der aktuellen Saison sehr zufrieden bzw. zufrieden.
Flughafen Wien hebt ab
Viele Wege führen nach Österreich. Und einer davon führt über den Flughafen Wien. Bei dem läuft es auch gut. „Wir fliegen von Rekord zu Rekord: Schon das erste Halbjahr entwickelte sich mit Passagierzuwächsen von 7,9 Prozent in Wien und 10,1 Prozent in der Gruppe sehr gut, aber der Sommerreiseverkehr hebt nun richtig ab. Mit über 3,3 Millionen Fluggästen verzeichneten wir im Juli den stärksten Monat aller Zeiten – das sind 5 Prozent mehr Reisende als vor der Pandemie“, freut sich Julian Jäger, Vorstand der Flughafen Wien AG.
Am 26. Juli wurde mit 115.989 Passagieren sogar ein neuer Tageshöchstwert aufgestellt. „Für das Gesamtjahr 2024 sind wir daher sehr optimistisch und erwarten in der Gruppe über 39 Mio. Passagiere und am Standort Wien über 30 Mio. Passagiere“, so Jäger. Damit sich die Reisenden am Flughafen noch wohler fühlen und man den Sprung in die Top-Liga der internationalen Flughäfen schafft, wird gebaut und erweitert. Auf rund 70.000 m² werden für die Reisenden mehr Aufenthalts-, Gastronomie- und Shoppingflächen sowie neue Lounges geschaffen. Die Bauarbeiten laufen auf Hochtouren, die Erweiterung soll 2027 in Betrieb gehen.
Hotels unter Druck
Doch es läuft nicht für alle so blendend. Die Hotelbuchungsplattform Booking.com wurde in Spanien zu einer Rekordstrafe in Höhe von 413 Millionen Euro verurteilt. Der Grund: fortgesetzter Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung. Bereits im Juli sprach auch die ungarische Wettbewerbsbehörde (GVH) eine Strafe in der Höhe von 2,5 Milliarden Forint (umgerechnet 6,1 Mio. Euro) wegen unlauterer Geschäftspraktiken aus. Die spanische Kartellbehörde CNMC wirft Booking.com vor, den Hotels in Spanien unlautere Geschäftsbedingungen auferlegt sowie den Wettbewerb mit anderen Buchungsportalen beschränkt zu haben. Zudem herrsche Intransparenz bei Bonusprogrammen.
Vorwürfe, die Markus Gratzer, Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung ÖHV, nur zu gut kennt: „Booking.com hat in Österreich einen Marktanteil von rund 75 Prozent. Zwar emanzipieren sich die heimischen Hotels immer weiter, dennoch fühlen sich vier von zehn Hotels von den Geschäftsbedingungen der Onlinevermittler unter Druck gesetzt“, zitiert er die Ergebnisse der ÖHV-Vertriebsstudie Hotellerie 2024. Von dem internationalen Online-Multi fordert Gratzer mehr Transparenz und einen Umgang auf Augenhöhe mit den Hotelbetrieben.
Um nicht auf die Buchungsplattformen angewiesen zu sein, schult die ÖHV seit Jahren ihre Betriebe in Sachen Direktvertrieb im Internet. „Die Arbeit macht sich bezahlt. 67 Prozent aller Buchungen bei ÖHV-Hotels kommen mittlerweile über direkte Kanäle wie E-Mail oder die eigene Website. Das ist eine klassische Win-win-Situation für die Betriebe und die Gäste. Denn nur direkt beim Hotel finden sie garantiert das beste Angebot zum besten Preis“, verspricht Gratzer.
Und auch der Plattform Airbnb geht es an den Kragen. Also zumindest den Vermietern, die mit der Kurzzeitvermietung von Wohnungen an Touristen mehr Einnahmen als durch die Dauervermietung an Einheimische erwarteten. Nachdem bereits Paris, Barcelona oder Berlin dem Treiben mit verschiedenen Regeln einen Riegel vorgeschoben haben, hat auch Wien mit 1. Juli die Regeln verschärft.
Mit der jüngsten Bauordnungsnovelle hat die Stadt die kurzfristige Vermietung von Wohnungen auf maximal 90 Tage pro Kalenderjahr beschränkt. Für eine Vermietung über diesen Zeitraum hinaus ist neben der Zustimmung aller Wohnungseigentümer:innen auch eine Ausnahmebewilligung erforderlich, die nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird. Je nachdem, ob sich die Wohnung innerhalb oder außerhalb einer Wohnzone befindet, sind unterschiedliche Kriterien zu erfüllen.
Zudem wurde heuer auf EU-Ebene eine Registrierungspflicht für Gastgeber:innen beschlossen, die in den nächsten zwei Jahren von den Mitgliedsländern umgesetzt werden muss. Damit muss künftig jedes Angebot einer Plattform zur touristischen Kurzzeitvermietung einer eindeutigen Registriernummer zuordenbar sein. „Die weitreichenden Einschränkungen für die touristische Kurzzeitvermietung von Wohnungen im gesamten Stadtgebiet führen die Plattformökonomie zurück zu ihrem Gründungsnarrativ, werden den Wiener Wohnungsmarkt entlasten und eine wesentliche Rolle für die qualitätsvolle Weiterentwicklung der Destination einnehmen“, erwartet der Wien-Tourismus-Chef Kettner.
Die neuen Regeln sind aber kein Grund zu verzweifeln und sie bedeuten auch nicht das grundsätzliche Ende für die Vermietung, meint Jan Hase, Co-Gründer und CEO von Wunderflats, einem Spezialisten für mittelfristiges möbliertes Wohnen. „Wir haben ähnliche Regelungen bereits in anderen europäischen Städten gesehen”, so Hase. Dort haben viele Wohnungseigentümer, aber auch privat Vermietende spontan von kurz- auf mittelfristige Vermietung umgestellt und bieten ihre Apartments nun nicht mehr für Touristen, sondern Geschäftsleute, Studierende oder Familien auf Wohnungssuche an – was durchaus Vorteile mit sich bringt.
Mittelfristige Vermietung erfolgt in der Regel für Zeiträume von einem Monat bis zu einem Jahr oder darüber hinaus. Die Mieter profitieren von einer flexibleren Wohnlösung, die seltener Umzüge erfordert. Vermieter haben hingegen stabile Mieteinnahmen und einen geringeren Verwaltungsaufwand im Vergleich zur Kurzzeitvermietung, da nur ein bis drei Mieterwechsel pro Jahr notwendig sind.“ Angesichts der neuen Regulierungen, die Kurzzeitvermietungen einschränken und mittelfristige Optionen für Vermieter immer attraktiver machen, sind wir überzeugt, dass sich dieses Geschäftsmodell langfristig durchsetzen wird“, so Hase weiter.
Die Nebensaison ist die neue Hauptsaison
Lange Schlangen, überfüllte Strände und horrende Preise – die Schattenseiten des Reisens in der Hochsaison kennt fast jeder. Die Lösung: Auf die Nebensaison ausweichen. Was früher als Notlösung galt, zeigt sich für 2024 laut einer Umfrage der französischen Hospitality-Gruppe Accor als neuer Reisetrend. Jede:r dritte europäische Reisende macht laut der Umfrage einen großen Bogen um Buchungen in der Hauptsaison.
Einer der größten Vorteile liegt schnell auf der Hand: In der Nebensaison entflieht man dem Massentourismus und genießt mit großer Wahrscheinlichkeit ein deutlich entspannteres Reiseerlebnis. Hauptgrund für die Urlaubsverlegung in die Off-Season ist laut den Umfrageteilnehmer:innen allerdings der Faktor Preis.
Auch wenn über 47 Prozent der Befragten von einem höheren Urlaubsbudget für 2024 ausgingen, müssen laut Accor-Umfrage immerhin 44 Prozent mit einem gleichbleibenden und teilweise sogar geringeren Urlaubsbudget haushalten. Daher verwundert es nicht, dass den Urlaub in die Nebensaison zu verlagern die Nummer-eins-Maßnahme ist, um die Reisekosten im Zaum zu halten. Für jede:n fünfte:n Befragte:n sind auch die Folgen des Klimawandels ein Mitgrund, nicht mehr in der Hauptsaison zu buchen.
Statt einfach nur der Hitze in den klassischen Sommerdestinationen zu entfliehen, legen immer mehr Urlauber:innen Wert auf nachhaltiges Reisen. Um die Reisebranche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen zu können, haben die Österreich Werbung und das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Ende Juni zum ersten Sustainable Tourism in Austria Summit (STiAS) geladen. Über 300 Teilnehmer:innen aus dem In- und Ausland – darunter Vertreter:innen aus allen Bundesländern sowie der Tourismusbranche wichtiger Kernmärkte – verfolgten die Keynotes, Vorträge und Paneldiskussionen. Im Rahmen von Workshops wurden gemeinsam Lösungen für die Tourismusbranche erarbeitet.
„Wir müssen uns heute mehr denn je sehr konsequent mit den aktuellen ökologischen Veränderungen und den daraus resultierenden Herausforderungen auseinandersetzen. Nachhaltigkeitskonferenzen wie STiAS unterstützen die Tourismusbranche bei der Vernetzung, Kooperation und Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsinitiativen. Die Sichtbarmachung von Best-Practice-Beispielen und die Präsentation von persönlichen Lernprozessen der Regionen und Betriebe sind essenziell für die zukunftsfitte Weiterentwicklung des gesamten Tourismuslandes, um mit zu den nachhaltigsten Destinationen der Welt zu gehören. STiAS ist ein voller Erfolg und wir können mit Stolz behaupten, einen richtungsweisenden Event etabliert zu haben“, sagt Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Und eines ist klar: Ohne Nachhaltigkeit hat der Tourismusstandort Österreich keine Zukunft. (BS)