Unter dem Schlagwort „Design for Safety“ entwickeln Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette neue Strategien, um Recyclingmaterialien auch in sensiblen Bereichen wie Lebensmittelverpackungen unbedenklich einsetzen zu können. © OFI
Kunststoffrezyklate im Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Sicherheit – wie der Balanceakt zwischen Regulierung und Innovation mit kooperativen Ansätzen gelingen kann.
Die europäische Kreislaufwirtschaft nimmt zusehends Gestalt an. Mit den ambitionierten Zielen der EU wie der stufenweisen Anhebung der Recyclingfähigkeit aller Kunststoffverpackungen sowie verpflichtenden Rezyklat-Anteilen wird der Druck auf Industrie und Forschung immer größer. Dabei rückt neben Recyclingfähigkeit und Materialeffizienz ein weiterer Aspekt in den Mittelpunkt: die Produktsicherheit. Unter dem Schlagwort „Design for Safety“ entwickeln Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette neue Strategien, um Recyclingmaterialien auch in sensiblen Bereichen wie Lebensmittelverpackungen unbedenklich einsetzen zu können.
Rechtlicher Rahmen
Die seit 2022 beziehungsweise 2025 gültigen EU-Verordnungen über recycelte Kunststoffe für den Lebensmittelkontakt (Nr. 2022/1616 und 2025/40) bilden das regulatorische Fundament für die Entwicklung sicherer Rezyklate. Sie stellen klar, dass Rezyklate nur dann in Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden dürfen, wenn sie keine gesundheitlichen Risiken bergen. Besonders für sogenannte „novel technologies“, also neue Recyclingverfahren, bestehen strenge Anforderungen an Rückverfolgbarkeit, Dekontamination und analytische Absicherung.
Doch wie kann sichergestellt werden, dass ein Rezyklat tatsächlich keine problematischen Substanzen enthält? Und welche Tests und Analysen sind notwendig, um dies zuverlässig zu prüfen? Die überbetrieblichen Kooperationsprojekte „AURELIA“, „OneMoreTime“ und „SafeCycle“ des ecoplus Kunststoff-Clusters widmen sich genau diesen Herausforderungen.
Jedes der Projekte, die jeweils von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert werden, beleuchtet unterschiedliche Aspekte der Herstellung sicherer Rezyklate – von der automatisierten Analyse über das Verhalten bei Mehrfachverarbeitung bis zur Identifikation systemischer Verunreinigungen.
„Was diese Projekte vereint, ist ihr interdisziplinärer und anwendungsorientierter Ansatz: Wissenschaft, Wirtschaft und Clusterakteure bündeln ihr Know-how, um Lösungen zu entwickeln, die nicht im Labor stecken bleiben, sondern direkt auf die Bedürfnisse der Industrie abgestimmt sind. Der Cluster bietet dafür das ideale Umfeld – als Plattform für Austausch, Kooperation und gemeinsames Vorantreiben von Innovationen mit Verantwortung und Weitblick.“
Thomas Gröger, ecoplus-Clustermanager Kunststoff-Cluster © Daniel Hinterramskogler
Smarte Analytik für sichere Rezyklate
Das Projekt „AURELIA – Automatisierte Beurteilungsstrategie für Recyclate im Lebensmittelkontakt – Interdisziplinäre Ansätze“ setzt an einer zentralen Schwachstelle im Kunststoffrecycling an: der bisher fehlenden systematischen Überwachung der Rezyklatqualität, insbesondere bei Materialien für sensible Anwendungen wie Lebensmittelverpackungen. Um künftig eine belastbare Aussage über die Sicherheit von Recyclingkunststoffen treffen zu können, wird im Projekt ein automatisierter Analyseansatz entwickelt. Bei der sogenannten „Aurelia Methode“ werden erstmals chemische, sensorische und toxikologische Prüfmethoden kombiniert.
Materialverhalten im Kreislauf verstehen
Während sich viele Projekte mit dem Recycling an sich beschäftigen, geht das Projekt „OneMoreTime“ der Frage nach, was mit den Materialeigenschaften von Kunststoffen geschieht, wenn sie mehrfach recycelt und wiederverwendet werden. Dieser Aspekt, der speziell im industriellen Maßstab noch wenig erforscht wurde, ist für einen langfristig funktionierenden Stoffkreislauf jedoch entscheidend.
„OneMoreTime“ nimmt vor allem Polyolefine und Polystyrol ins Visier und analysiert, wie sich mechanische, thermische, chemische und biologische Eigenschaften mit jedem Recyclingzyklus verändern. Die Besonderheit: Die Materialien werden unter realen Bedingungen im industriellen Maßstab mehrfach verarbeitet – keine Laborsimulation, sondern ein echter Stresstest.
Eine abschließende Machbarkeitsstudie soll demonstrieren, ob und wie mehrfach recycelte Materialien wieder in hochwertige Anwendungen zurückgeführt werden können. So entsteht ein praxisnahes Verständnis für das Verhalten von Rezyklaten über den gesamten Lebenszyklus.
Auf der Spur systemischer Verunreinigungen – für mehr Sicherheit im Recycling
Eine weitere Herausforderung im Bereich Kunststoffrecycling betrifft die systemischen Verunreinigungen in mechanisch recycelten Polyolefinen – also Schadstoffe, die trotz gängiger Reinigungsprozesse im Material verbleiben.
Im überbetrieblichen Kooperationsprojekt „SafeCycle“ des ecoplus Kunststoff-Clusters arbeiten die Projektpartner an Lösungsmöglichkeiten, denn wenn Ursprungsquellen für Kontaminationen gefunden werden, können sie auch ausgeschalten werden.
Statt nur Endprodukte zu analysieren, rückt das Projekt den gesamten Recyclingprozess in den Fokus. Ziel ist es, die Eintragungsquellen solcher Substanzen zu identifizieren – sei es über unzureichende Vorreinigung, Additivabbau, externe Einflüsse oder ungeeignete Mischungen im Inputstrom.
„SafeCycle“ kombiniert chemische Analytik mit bioanalytischen Methoden und liefert dadurch eine deutlich höhere Auflösung bei der Identifikation kritischer Stoffe. Die Erkenntnisse werden in einem praxisnahen Leitfaden zusammengefasst, der Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Verbesserung von Prozessen und Materialien an die Hand gibt.
Zum Projekt „SafeCycle“, das im Mai 2025 abgeschlossen wurde, gibt es bereits ein Nachfolgeprojekt: „Colour Cycle“ startet im September 2025 und wird sich mit dem Recycling kolorierter Komponenten und deren Sicherheitsbewertung beschäftigen.
Fazit: Sicherheit als Schlüssel für Kreislauffähigkeit
Rezyklate in den Markt zu bringen, ist keine reine Stoffstromfrage – es geht vielmehr um Vertrauen, Transparenz und Qualitätssicherung. Die drei vorgestellten Kooperationsprojekte zeigen, wie breit das Themenfeld „Design for Safety“ gefasst werden muss, um Kreislaufwirtschaft in der Praxis wirklich sicher zu gestalten. (red./PR)
INFO-BOX
Der ecoplus Kunststoff-Cluster – Das NÖ Netzwerk für Kunststoff-Technologie
Der Kunststoff-Cluster ist eine Initiative der Länder Niederösterreich und Oberösterreich und eines der größten Netzwerke für Kunststoff-Technologie in Europa. Die thematischen Schwerpunkte der Arbeit des ecoplus Clusterteams liegen in den Bereichen Kunststoffkreislauf, Materialien der Zukunft und Werkzeugbau.
Der Kunststoff-Cluster in Niederösterreich fördert, initiiert und koordiniert die überbetriebliche Zusammenarbeit von Unternehmen sowie von Unternehmen mit F&E-Einrichtungen. Damit legt der Kunststoff-Cluster die vorwettbewerbliche Basis für innovative Produktentwicklungen seiner Clusterpartner aus Wirtschaft und Forschung. Darüber hinaus wird gemeinsam mit dem Mechatronik-Cluster aufgrund der thematischen Nähe das hohe Vernetzungspotenzial beider Branchen aktiviert. Ziel ist die Bündelung von Potenzialen und Kompetenzen zur Steigerung der Innovationskraft und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Clusterpartner. Dabei wird besonders auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen eingegangen.
Träger des Kunststoff-Clusters sind ecoplus, die Wirtschaftsagentur des Landes Niederösterreich, sowie die oberösterreichische Wirtschaftsagentur Business Upper Austria.
Der ecoplus Kunststoff-Cluster wird über das Projekt „NÖ Innovationsökosystem“ von der Europäischen Union kofinanziert.
www.ecoplus.at