Der Begriff "Scrum" stammt aus der Fachsprache des Rugby und meint ein „Gedränge“. © Olga Guryanova/Unsplash
Warum gemeinsame Werte in der Teamarbeit der Schlüssel zum Erfolg sind und wie Kollaboration im agilen Projektmanagement funktioniert, weiß Bildungsreferent Thorsten H. Bradt.
Scrum zählt zu den bekanntesten Rahmenwerken im agilen Projektmanagement. Der Ansatz umfasst nur wenige, dafür eingängige Regeln – konkrete Handlungsanleitungen gibt er jedoch nicht. Im offiziellen Scrum Guide, dem verbindlichen Leitfaden zur Umsetzung des Frameworks, wird eine umfassende Kollaboration fokussiert. Mitglieder in Scrum-Teams teilen nach diesem einschlägige Werte.
Nicht nur das klassisch planungsorientiertes Projektmanagement birgt ein hohes Risiko des Scheiterns. Auch agile Vorgehensmodelle werden so lange nicht sicher zum Ziel führen, bis sämtliche Beteiligten sich deren Wesenskern zuverlässig erschlossen haben. Dazu sind verbindliche Begriffsdefinitionen – etwa zu Rollen und Ereignissen – genauso wie die darauf basierende Ausprägung eines gemeinsamen Verständnisses für das zukünftige Vorgehen unabdingbar. Das Teilen von Werten innerhalb von Scrum-Teams setzt insoweit voraus, dass deren Mitglieder diese auch durchgängig „leben“ wollen.
Grundlegende Spielregeln
Scrum versteht sich nicht als universeller Lösungsansatz und bildet auch keinen vollständigen Projektablauf ab. Der Begriff selbst stammt aus der Fachsprache des Rugby und meint ein „Gedränge“. Er steht für den Neuanfang eines Spiels. Die Spieler konzentrieren sich in der Gruppe – physisch, durch eine „geballte“ Aufstellung, sowie gleichsam mental. Das übergeordnete Ziel ist es, den weiteren Spielverlauf, in dem jeder Einzelne sich auf die Zuarbeit der anderen „unbedingt“ verlassen können muss, zugunsten der eigenen Mannschaft zu entscheiden.
Die Scrum-„Begründer“ Ken Schwaber und Jeff Sutherland schufen bereits 2001 das „Agile Manifest“, dessen Ursprung in der Softwareentwicklung liegt. In seinen vier Leitsätzen werden die Grundsätze eines „leichten“ Arbeitens wiedergegeben, auf denen ebenso Scrum in seinem Wesenskern basiert (vgl. dazu www.agilemanifesto.org):
• Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.
• Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation.
• Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen.
• Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.
Bei einem Mangel an der Motivation von Mitgliedern eines Teams, greifbaren Resultaten, Ressourcen wie Finanzmitteln oder der Klarheit in der Gestaltung von Projekten bietet sich Scrum als richtungsweisende Alternative für eine aufstrebende Projektverwirklichung an.
Verantwortet wird das Rahmenwerk stets von kleineren beziehungsweise einzelnen Teams. Eine professionelle Skalierung ermöglichen unter anderen die Frameworks Large Scale Scrum (LeSS) und Nexus. Verbindliche Ereignisse, Rollen und Artefakte stellen den eigentlichen Rahmen des Vorgehensmodells Scrum dar. Es besitzt einen iterativ-inkrementellen Charakter, ist also auf brauchbare Zwischenergebnisse (Artefakte), die es in einer vorgegebenen Zeit zu erreichen gilt, ausgerichtet.
Die entsprechende Wegstrecke wird als Sprint, das zentrale Ereignis im Scrum-Prozess, bezeichnet. Das Development-Team bzw. das Entwicklungsteam wiederum zeichnet für den Erfolg eines Sprints verantwortlich. Um die Qualitätserreichung zu sichern, kommt es zu einem täglichen Stand-up-Meeting, dem Daily Scrum. Während des gesamten Sprints steht der Scrum Master als Ansprechpartner zur Verfügung. Durch seine obligatorische Erreichbarkeit ist er Garant für das Vermeiden bzw. das Lösen von Problemen während des gesamten Scrum-Prozesses. Weiters nimmt er die Rolle eines Dienstleisters dem Product Owner sowie den Stakeholdern gegenüber bzw. die eines Moderators ein.
WERTE IM DETAIL
• Selbstverpflichtung
Im Sinne einer Arbeitsgemeinschaft verstehen sich Scrum-Teams als Einheit. Ihre Mitglieder verbindet deren jeweilige Selbstverpflichtung (engl. Commitment) nicht nur zur Kooperation, sondern eben zur beschriebenen Kollaboration. Es gilt, die kollektive Intelligenz sowie das individuelle Innovationspotenzial zu bündeln.
• Fokus
Erst die obligatorische Konzentration auf das Ziel des jeweiligen Sprints (Fokus, engl. Focus), die Entwicklungsphase eines Teilergebnisses, ermöglicht ein effizientes Vorgehen zur Lösung von Problemen. Durch die enge „Taktung“ von Iterationsschleifen fallen dabei weniger Hindernisse an.
• Offenheit
Kommunikationswege sind im Scrum-Prozess klar zu gestalten, jedes Teammitglied muss vorbehaltlos seine Position offenlegen sowie darstellen können. Offenheit (engl. Openness) meint zudem das Bestreben, sich konsequent neuen Herausforderungen stellen zu wollen.
• Respekt
Die scheinbare Selbstverständlichkeit dieses Wertes unterstreicht nur dessen Bedeutung. Der gegenseitige Respekt (engl. Respect) sollte sämtliche Ebenen eines Unternehmens durchdringen. Da unternehmerische Positionen nicht den vorgesehenen Rollen des Rahmenwerks entsprechen, bedeutet eine Verwirklichung dieser Wertvorstellung immer auch die Konfrontation mit bestehenden hierarchischen Mustern bzw. Positionen. Im Idealfall können diese durch eine Veränderung der Corporate Culture, so durch einen Paradigmenwechsel, aufgelöst werden.
• Mut
Mut (engl. Courage) ist gleichsam die Voraussetzung für einen anderen Wert: die Offenheit. Er stellt auf die Befähigung des Einzelnen zum pragmatischen Handeln in volatilen sowie ambivalenten Situationen ab und beinhaltet die Bereitschaft zu einem dementsprechenden Risiko. Ein mögliches Scheitern muss von vornherein miteinkalkuliert werden.
Solange diese Werte nicht auch konsequent geteilt werden, bleibt es bei reinen „Worthülsen“. Scrum setzt auf einen gemeinsamen Erkenntnisgewinn als Voraussetzung für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Der Austausch von Wissen, dessen Wert sich durch Gebrauch erhöht und im Gegensatz zur Nutzung sonstiger Ressourcen nicht verringert, ist essenziell für ein erfolgreiches agiles Arbeiten.
Die Scrum-Werte bilden das Fundament des Frameworks, darauf basierend stellen sich seine drei Säulen Transparenz, Überprüfung und Anpassung als formale Voraussetzungen für den angestrebten kontinuierlichen Verbesserungsprozess dar:
• Transparenz: Als Voraussetzung für Transparenz (engl. Transparency) stellen sich eine offene Kommunikation sowie die umfassende Bereitschaft der Prozessbeteiligten zum Teilen von Wissen dar.
• Überprüfung: Sämtliche Ergebnisse müssen einer Überprüfung (engl. Inspection) standhalten.
• Anpassung: Zur Steigerung der Arbeitseffizienz ist eine fortlaufende Anpassung bzw. Adaptation (engl. Adaption) der zugrunde liegenden Rahmenbedingungen erforderlich.
12 Prinzipien
Zwölf weitere Prinzipien des Scrum-Prozesses zielen auf die Zufriedenheit der Auftraggeber bzw. Kunden und Anwender ab. Deren Bedarf an einer frühen und kontinuierlichen Auslieferung wertvoller Produkte muss in jedem Fall befriedigt werden. Auch radikale Anforderungsänderungen – selbst zu einem späten Zeitpunkt in der Entwicklung – sind dabei stets willkommen, weil nur dadurch weitere Veränderungen zugunsten von Wettbewerbsvorteilen bewirkt werden können.
Kürzere Zeitspannen zur Auslieferung werden bevorzugt – bei einer täglichen Zusammenarbeit von Fachexperten und Entwicklern. Ein Umfeld und eine Unterstützung motivierter Teammitglieder sind insoweit wesentlich für den Entwicklungserfolg. Besonders in Gesprächen von Angesicht zu Angesicht kann ein dazugehöriges Vertrauen zum Ausdruck kommen.
Als wichtigstes Fortschrittmaß wird die Funktionalität ausgemacht, und zwar unter Anerkennung der Tatsache, dass agile Prozesse immer auch eine entsprechende Nachhaltigkeit bedingen. Die Prozessbeteiligten müssen ein gleichmäßiges Tempo auf unbestimmte Zeit halten können – unter der Prämisse des Erreichens bzw. Beibehaltens einer hohen technischen Qualität sowie eines guten Designs.
Einfachheit als die Kunst, den Umfang nicht getaner Arbeit zu maximieren, ist ferner anzustreben. Selbstorganisierende und kontinuierlich reflektierende Teams sind entscheidend für die Gewährleistung von Anpassungen im Sinne eines „Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“. (THB)
INFO-BOX
Der Autor
Thorsten H. Bradt ist Bildungsreferent mit den Schwerpunkten Kommunikation, Medien und agiles Arbeiten. Außerdem verfasst er regelmäßig Fachbeiträge für renommierte Periodika.