Digitale Workflows und Collaboration-Tools erobern die Arbeitswelt. © Adobe Stock/Sergey Nivens
Virtuell und remote lautet die Zauberformel, die einen beachtlichen Teil der Arbeitswelt seit COVID-19 am Laufen hält. Digital Workplaces haben sich in Windeseile im Geschäftsalltag etabliert ...
... und ebnen den Weg für eine Entwicklung, die die Wirtschaft noch lange beschäftigen wird.
Seit vielen Jahren geht mit der Digitalisierung der Arbeitswelt die Befürchtung einher, sie würde Jobs vernichten und für existenzielle Konsequenzen am Arbeitsmarkt sorgen. In der aktuellen Ausnahmesituation scheint jedoch genau das Gegenteil der Fall zu sein. Ein Großteil der Arbeitgeber und -nehmer, die ihre tägliche Arbeit seit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung von COVID-19 weiter verrichten können, verdanken dies einem digitalen Arbeitsplatz, der sich aus gegebenem Anlass meist in die eigenen vier Wänden verlagert hat.
Von der Kür zur Pflicht
Bis vor Kurzem bestimmte in den meisten Unternehmen noch die Präsenzkultur den Arbeitsalltag der heimischen Mitarbeiter. So gaben bei der XING-Studie im Vorjahr nur 48 Prozent der österreichischen XING-Mitglieder an, dass in ihrem Unternehmen Home-Office möglich wäre; selbst bei angebotener Option nutzten dies nur rund 51 Prozent – was im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz ein sehr niedriger Wert war. Allerdings wünschten sich 73 Prozent der Befragten in Österreich, deren Unternehmen keine Home-Office-Option anboten, eine solche. Viele Unternehmen sind diesem Wunsch jedoch erst im aktuellen Krisenfall nachgekommen und standen nun vor der akuten Herausforderung, die Infrastrukturen für eine effiziente Heimarbeit ihrer Mitarbeiter in einer Hauruck-Aktion aus dem Boden zu stampfen. Die Beschaffung von unternehmenskonformer Hardware stellte in diesen Fällen – abgesehen von unzähligen organisatorischen Blitzentscheidungen – nur einen kleinen Teil einer informationstechnischen Mammutaufgabe dar.
Mehr als Home-Office – der „Digital Workplace“
Mehrere Unternehmensstandorte miteinander verbinden, die Zusammenarbeit verteilter Teams ermöglichen, Projekte flexibel von jedem Ort aus bearbeiten – verteilte Arbeitsumgebungen erfüllen vielfältige Funktionen. „Wie wertvoll der Digital Workplace aber für die Existenz eines Unternehmens werden kann, führt uns derzeit die Corona-Problematik vor Augen“, weiß Karsten Renz, Gründer und CEO des ECM-Software-Spezialisten OPTIMAL SYSTEMS. Denn Unternehmen, die in Sachen mobiles Arbeiten und Datenmanagement ihre Hausaufgaben gemacht haben, bleiben auch dann arbeitsfähig, wenn ihre Manager am Urlaubsort stranden, ihre Zeit in Quarantäne verbringen müssen oder der Betrieb gar für mehrere Wochen seine Pforten schließen muss.
Viele denken beim Stichwort „Digital Workplace“ vor allem ans altbekannte Home-Office. Dabei gehört zu einer leistungsfähigen, verteilten Arbeitsumgebung viel mehr als ein Diensthandy und ein Laptop mit Internetzugang, wie Karsten Renz betont: „Außerhalb des Büros tätig zu sein, heißt ja nicht nur, ein paar E-Mails vom Sofa aus zu beantworten. Es geht vielmehr darum, von überall aus auf Daten und Projektunterlagen zugreifen zu können und beispielsweise bei der Bearbeitung eine strukturierte Ablage und transparente Versionierung beizubehalten sowie die revisionssichere Archivierung zu gewährleisten.“ Je größer und zahlreicher die verteilten Teams, desto kritischer wird die Erfüllung dieser Anforderungen bei der Kollaboration – das gilt erst recht für die Zusammenarbeit über verschiedene Kontinente und Zeitzonen hinweg.
Dennoch ist selbst die einfachste Form des Digital Workplace, das Home-Office, noch immer meilenweit von einer flächendeckenden Verbreitung entfernt. Um die Bereitschaft für „remote work“ zu steigern die damit verbundenen neuen Arbeitsformen zu realisieren, ist eine Unternehmens-IT notwendig, die das Arbeiten von theoretisch jedem beliebigen Einsatzort aus bequem, sicher und optimal an die Kernsysteme angebunden ermöglicht. Halbherzige technische Lösungen reichen dafür nicht aus, weiß Karsten Renz: „Voraussetzungen sind eine leistungsfähige Dokumentenmanagement-Lösung, die digitale Workflows unterstützt, sichere Collaboration-Tools – und vor allem die Bereitschaft, den Digital Workplace als echten Beitrag zur Wertschöpfung zu begreifen.“ Wie die jüngeren Ereignisse gezeigt haben, kann er für viele Geschäftsmodelle in Krisenszenarien sogar zum Schlüssel für die Betriebssicherheit – oder noch besser: zum Schutz vor Betriebsunterbrechungen durch höhere Gewalt – werden.
Virtuelle Wege in der Kundengewinnung
Die Minimierung sozialer Kontakte wirkt sich jedoch nicht nur auf die interne Unternehmenskommunikation aus. Betriebe müssen auch im Kundenkontakt auf Alternativen wie Videokonferenzen statt auf persönliche Meetings zurückgreifen. Sie sollten allerdings noch einen Schritt weitergehen und bei der Neukundengewinnung ebenfalls auf die Digitalisierung setzen, wie Mike Warmeling, Speaker und Erfolgstrainer aus Osnabrück sowie Gründer von Warmeling Consulting empfiehlt. Denn die sogenannte Marketingautomatisierung nimmt Unternehmern nicht nur einen großen Teil der Arbeit ab, sondern sorgt während der Krise auch dafür, dass weiterhin beständig neue Kunden generiert werden. „Vor allem eine gute Auffindbarkeit im Netz, also eine gute Platzierung bei den gängigen Suchmaschinen, ist nun wichtiger denn je“, weiß Warmeling. „Diese lässt sich durch verschiedene Maßnahmen wie nutzerorientierten Content und die Platzierung von wichtigen Keywords optimieren. Im B2B-Bereich bieten insbesondere Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn eine Möglichkeit, mit vielen potenziellen Kunden in Kontakt zu treten – mit den richtigen Tools lassen sich diese Prozesse ebenfalls automatisieren.“ Wenn alle Mitarbeiter dezentral aus dem Home-Office arbeiten, sollten Unternehmer zudem auf Customer-Relationship-Management(CRM)-Systeme setzen. Diese halten fest, was mit welchem Kunden besprochen wurde, sodass alle Mitarbeiter auf demselben Stand bleiben.
Zugang zum Internet wird zur Existenzgrundlage
Mit der wachsenden Anzahl an digitalen Arbeitsplätzen wächst dieser Tage auch die Bedeutung von geschäftskritischen Internetdiensten. Die Übertragungskapazitäten stoßen dabei allerdings noch an ihre Grenzen. Vor allem in ländlichen Regionen waren die Engpässe bereits spürbar und Anbieter evaluierten Maßnahmen zum Kapazitätsmanagement oder erwägten die Drosselung gewisser Dienste. Damit wären jedem noch so gut vorbereiteten Remote-Team die virtuellen Hände gebunden.
Seit Jahren setzt sich die Action Group Gigabit Fiber Access (AGGFA) für leistungsfähige, zukunftssichere Kommunikationsnetze, basierend auf Glasfaserinfrastruktur, ein. „Die Maßnahmen zur Einschränkung der sozialen Kontakte gelten für alle gleich. Allerdings haben die Menschen am Land eine deutlich schlechtere Ausgangsposition. Das Krisenmanagement der Politik ist derzeit vorbildlich. Den gleichen Spirit erwarten wir uns auch für die Zeit danach. Nach der Krise wird der Bandbreitenbedarf wahrscheinlich noch rascher ansteigen, da Home-Office oder Videokonferenzen dann breitere Akzeptanz haben. Eine leistungsfähige Glasfaserinfrastruktur trägt zur Reduktion der CO2-Emissionen bei und sie wird auch helfen, dass sich die Wirtschaft rasch wieder erholt“, erklärt AGGFA-Leiter Heinz Pabisch.
In urbanen Gebieten können private Anbieter die Errichtung der Infrastruktur übernehmen. Hier sind die Kosten vergleichsweise niedrig und die Einnahmen sorgen für eine Amortisierung der Investitionen in relativ kurzer Zeit. In ländlichen Regionen stellt sich das anders dar. Hier erweist sich das Modell der offenen Netze als beste Möglichkeit. Die öffentliche Hand sorgt für den Ausbau der Glasfaserinfrastruktur, über die dann unterschiedliche Serviceprovider ihre Dienste anbieten können. Die Infrastruktur bleibt langfristig in öffentlicher Hand. In fünf Bundesländern koordinieren Infrastrukturgesellschaften den Ausbau nach diesem Modell: die Niederösterreichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft (nöGIG), die Fiber Service OÖ, die Steirische Breitband- und Digitalinfrastrukturgesellschaft (sbidi), die Breitbandinitiative Kärnten (BIK) und die Breitbandserviceagentur Tirol. Zur Finanzierung tragen nicht nur staatliche Beihilfen, sondern auch private Investoren bei, die in längeren Zyklen denken. In Niederösterreich etwa ist mit Allianz Capital Partners (ACP) ein institutioneller Investor eingestiegen. Das Land hat sich Ende 2019 mit ACP auf ein Investitionspaket in der Höhe von 300 Millionen Euro geeinigt. Damit werden 100.000 Glasfaseranschlüsse in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern errichtet. „Um unser Land gigabitfähig zu machen, braucht es ein perfektes Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. Wo das gegeben ist, können auch Unternehmen und Haushalte in dünn besiedelten Gebieten mit zukunftsfähigen Anschlüssen versorgt werden“, ist auch AGGFA-Netzexperte Igor Brusic überzeugt. „Die aktuelle Situation ist ein Weckruf, die Anstrengungen zu intensivieren. Ich hoffe, dass er gehört wird.“
Technik allein reicht nicht aus
Selbst wenn alle technischen Hürden beseitigt sind, ist die Funktionalität von digitalen Arbeitsplätzen nicht garantiert. Denn um vom Verwalter zum Gestalter dieser neuartigen Form des Arbeitens zu werden, müssen Unternehmen selbst aktiv werden. Wer die Attraktivität des Unternehmens für bestehende und zukünftige Mitarbeiter sichern will, muss zum Vorreiter in den eigenen Reihen werden. Und nicht zuletzt: Wer den Digital Workplace fest etablieren will, kann sich nicht alleine auf die IT verlassen, sondern muss über Silogrenzen hinweg mit allen Abteilungen zusammenarbeiten. Zu diesem Schluss ist eine Studie von Damovo, einem Anbieter von Lösungen für die Unternehmenskommunikation, bereits im vergangenen Jahr gekommen. Die Gestaltung neuer Arbeitsweisen auf der einen sowie Organisation, Führung und Kultur auf der anderen Seite gehen Hand in Hand. Dies bedeutet im Besonderen, dass traditionelle Kommunikations- und Machtstrukturen verändert werden. „Dazu gehört im Übrigen auch, sich über die neuesten Technologien zu informieren, diese selbst auszuprobieren und ein Verständnis für die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen zu gewinnen“, so Andreas Stiehler, Lead Analyst und Verfasser der Studie.
Grund zur Vorsorge: Die Wirtschaftswelt wird nach Corona noch digitaler werden
Um das volle Potenzial digitaler Arbeitsplätze auszuschöpfen, stehen also noch einige Punkte auf der To-do-Liste der heimischen Wirtschaft, aber man kann durchaus sagen, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Die Digitalisierung wird jedoch nicht nur in der aktuellen Krisensituation beweisen, welche Kräfte in ihr schlummern, denn wir erkennen zunehmend, was alles möglich ist, wenn es möglich sein muss. Sollte sich in Zukunft erneut eine solche Herausforderung ergeben, dürfte auch Österreich digital besser gerüstet sein. (BO)
INFO-BOX
Was Entscheidungsträger im Home-Office beachten sollten:
• Seien Sie flexibel: Wenn Sie ein Team mit Mitarbeitern in sieben verschiedenen Zeitzonen leiten, können Sie nicht erwarten, dass jeder die gleichen Zeitpläne einhält – selbst wenn die Umstände optimal sind. In Zeiten, in denen Schulen geschlossen sind und die Kinderbetreuung vielerorts nicht funktioniert, ist Verständnis dafür wichtig, dass Ihre Mitarbeiter ihre Arbeit nach individuellen Zeitplänen verrichten können.
• Abstand und Nähe: Denken Sie daran, dass kurze Absprachen wie im Büro im Home-Office nicht so einfach möglich sind. Arbeiten auf Zuruf ist schwierig. Nehmen Sie sich deshalb vor, viel zu kommunizieren. Vergessen Sie auch nicht die Basics wie ein „Hallo“ zum Beginn der Arbeit und die Verabschiedung am Ende des Tages. Auch der alltägliche Smalltalk mit den Mitarbeitern gehört im Home-Office dazu. Selbst wenn es nicht wichtig erscheint, sind die kleinen Unterhaltungen essenziell – und sorgen obendrein für gute Stimmung.
• Behalten Sie Ihre Zielvorgaben im Blick: Wie Sie und Ihr Team dahin gelangen, sollte sekundär sein. Wenn Sie Ihrem Team bis Ende der Woche zehn Aufgaben gegeben haben und diese bis Mittwoch alle bereits erledigt sind, sollte das nicht bedeuten, dass Sie gleich das Aufgabenpensum erhöhen. Andererseits: Wenn Teams ihre Ziele nicht schaffen, sollten Sie nicht gleich die Vorgaben niedriger stecken. Suchen Sie lieber nach Gründen und überlegen Sie, ob Ihren Mitarbeitern alle Möglichkeiten für ein erfolgreiches Home-Office zur Verfügung stehen.
www.thesoul-publishing.com
INFO-BOX
Was bietet ein ECM?
Ein Enterprise Content Management oder Dokumentenmanagement-System (ECM/DMS) steuert Informationsfluss und Wissensmanagement im Unternehmen effizient. Es verwaltet alle Informationen und hierarchischen Ablagestrukturen zentral und erleichtert über eine intuitive Suche das Auffinden, die Ablage und Versionierung von Dokumenten unterschiedlichster Formate.
www.optimal-systems.de