Mehr Frauenpower an die Spitzen.

NEW BUSINESS - NR. 4, APRIL 2024
Zwischen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften gibt es große Unterschiede in der Frauenquote. © Adobe Stock/Roman Milert

Der Weltfrauentag 2024 ist zwar bereits Vergangenheit, aber die Gleichstellung von Mann und Frau bleibt ein langer Weg.

Das gilt auch für die heimische Wirtschaft und die Führungsagenden von Unternehmen ganz besonders.

Inspire Inclusion! So lautete das Motto des Weltfrauentages 2024. Laut Organisatoren sollte der 8. März dieses Jahres dazu anregen, dass Frauen u. a. besser in Unternehmen einbezogen werden. Entstanden ist International Women’s Day, kurz IWD, in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als Initiative sozialistischer Organisationen, die sich für Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen einsetzten. Seit der ersten Ausgabe im Jahr 1911 hat sich natürlich vieles gebessert – aber noch lange nicht genug.

Frauenanteil in den ATX Prime Vorstandsetagen ­verbessert sich auf niedrigem Niveau
Eine aktuelle Untersuchung der Zusammensetzung der Vorstände in den vierzig ATX-Prime-Unternehmen, den finanzstärksten börsennotierten Konzernen Österreichs, zeigt einen klaren Trend zur Erhöhung des Frauenanteils. Im Jahr 2023 waren von den insgesamt 164 Vorstandsmitgliedern 16 Frauen, was einem Anteil von 9,8 Prozent entspricht. Dies markiert einen sukzessiven Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren, in denen der Frauenanteil niedriger lag. 

Besonders hervorzuheben ist das Jahr 2023 als Rekordjahr für die Berufung von Frauen in Vorstandspositionen der ATX-Prime-Unternehmen. Insgesamt sieben Frauen (von insgesamt 23 Bestellungen, das sind 30 Prozent) wurden in diesem Jahr in Vorstandsgremien berufen – ein deutlicher Anstieg gegenüber zwei im Jahr 2022 (bei 9 Bestellungen / 22 Prozent) und nur einer im Jahr 2021 (bei 11 Bestellungen / 6 Prozent).

Dieser positive Trend setzt sich auch im Jahr 2024 fort, mit bereits drei nominierten Frauen in Führungspositionen bis dato. „Auch wenn im letzten Jahr mehr Frauen in Top-Positionen von ATX-Unternehmen berufen wurden, sind Frauen in Führungspositionen immer noch drastisch unterrepräsentiert. Die Unternehmen verzichten damit auf die Hälfte des möglichen Spitzenpersonals“, so Stefan Bergsmann, Partner und Geschäftsführer der Managementberatung Horváth in Österreich. 

Die Vorreiterinnen von 2024
Zu den Neuzugängen im Jahr 2024 gehören Claudia Trampitsch als Finanzvorständin der AMAG Austria Metall, Maria Koller als Personalvorständin der Palfinger AG und Susanna Zapreva-Hennerbichler, als Vorstandsmitglied verantwortlich für Erneuerbare Energieversorgung & Wasserstoff der Verbund AG. Alle drei Frauen bringen umfangreiche Erfahrungen in ihre Rollen ein und sind als exzellente Managerinnen bekannt.

Vielfalt an der Spitze: Frauen in Schlüsselrollen der ATX-Prime-Unternehmen
„In Österreichs ATX-Prime-Unternehmen zeichnet sich eine steigende Diversifikation der Rollen ab, die Frauen in Vorständen einnehmen“, so Linda Pewal, Senior Project Managerin bei Horváth. Fast ein Drittel der Frauen sind als Chief Financial Officer (CFO) tätig. Im Vergleich dazu sind Chief-Operating-Officer(COO)-Positionen die zweithäufigste Rolle für Frauen, gefolgt von den Schlüsselpositionen als CEOs bzw. Divisionsvorständinnen, Chief Risk Officers (CRO) und Chief Sales oder Chief Scientific Officers (CSO).

Diese Verteilung unterscheidet sich von der in Deutschland, wo Frauen laut einer analogen Horváth-Studie zu den DAX-Vorständ:innen in DAX-Unternehmen häufig als Finanzvorständinnen und in Personalrollen anzutreffen sind. (Quelle: Faktencheck Vorstandsstrukturen DAX-Vorstände 2023).

Die Entwicklung im ATX Prime spiegelt einen positiven Trend zur Steigerung der Diversität und des Frauenanteils in den Führungsebenen österreichischer Unternehmen wider. Obwohl der Frauenanteil im Vergleich zu den deutschen DAX-Unternehmen noch Aufholbedarf hat und auf niedrigem Niveau bleibt, zeigen die jüngsten Entwicklungen eine klare Richtung hin zu sukzessive mehr Geschlechtervielfalt und Gleichstellung in den Vorstandsetagen.

Unternehmen mit hohem Frauenanteil sind ­wirtschaftlich erfolgreicher
Auch CRIF Austria, einer der führenden Anbieter von datenbasierten Lösungen, zeigte anlässlich des diesjährigen Internationalen Frauentages am 8. März exklusive Daten zum Frauenanteil in österreichischen Unternehmen und stellte fest: Hohe Frauenquoten scheinen einen positiven Effekt auf den Unternehmenserfolg zu haben. Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in leitenden Positionen sind tendenziell finanziell stabiler und weisen eine bessere Bonität auf.

„Wir haben sehr genaue Daten zu den Unternehmen in Österreich. Sie sagen, dass sich die Diversität positiv auf die finanzielle Leistungsfähigkeit von Unternehmen auswirkt, somit auch den langfristigen Erfolg maßgeblich beeinflusst und in Folge auch die Wirtschaft stärkt“, sagt Ruth Moss, Strategy Lead für Nachhaltigkeit bei CRIF.

Einzelunternehmen weisen den höchsten Frauenanteil auf. Von den 465.901 Inhaber:innen von Einzelunternehmen in Österreich sind 204.996 oder 44 Prozent Frauen. Nur die Prokurist:innen von Einzelunternehmen haben mit 54 Prozent einen höheren Frauenanteil. Bei Kapitalgesellschaften wie AGs, GmbHs oder KGs zeigt sich ein anderes Bild. So ist der Anteil von Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen bzw. mit einer Frauen­quote von über 50 Prozent bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften doppelt so hoch wie bei Kapitalgesellschaften.

Von 254.011 Geschäftsführer:innen-Positionen sind gerade einmal 38.517, das sind 15 Prozent, weiblich besetzt. Von den 15.394 Aufsichtsratspositionen in Österreich nehmen Frauen lediglich 23 Prozent ein – gesamt 3.496. Generell liegt die Frauenquote in Aufsichtsräten um die 20-Prozent-Marke, unabhängig von der Größe der Unternehmen. Von 2.097 Vorstandsmitgliedern sind nur 11 Prozent Frauen (225).

Hier zeigt sich jedoch: Je größer ein Unternehmen ist, desto höher ist der Frauenanteil in den Vorständen: Kleine Unternehmen weisen eine Frauenquote von 7,6 Prozent auf, mittlere eine Quote von 8,5 Prozent, große Unternehmen eine Frauenquote von 10,6 Prozent.

„Von Geschlechtergleichheit sind wir hier noch weit entfernt“, so Moss. Österreichische Einzelunternehmen sind generell sehr frauen­getrieben. Die meisten Inhaberinnen sind im Dienstleistungssektor (79 Prozent), im Gesundheits- und Sozialwesen (76 Prozent) und in Erziehung und Unterricht (48 Prozent) tätig. 54 Prozent der Prokurist:innen von Einzelunternehmen sind weiblich. Den höchsten Prokuristinnenanteil gibt es im Handel mit 64 Prozent.

Angemessener Frauenteil ist auch für Erfüllung von ESG-Kriterien bedeutend 
„Die Daten belegen eindrucksvoll, dass die Integration von Frauen in Führungspositionen nicht nur ein Akt der Diversität ist, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung von Unternehmen und der allgemeinen Wirtschaft“, so Ruth Moss. Zudem ist die Einhaltung einer angemessenen Frauenquote auch ein wesentlicher Faktor, wenn es um die Erfüllung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) geht.

Seit Anfang 2023 ist die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) in Kraft, die fast alle kapitalmarktorientierten Unternehmen zur Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichtes verpflichtet, und zwar als Teil ihres Geschäftsberichtes. Im ESG-Reporting legen Organisationen offen, wie sich ihre Aktivitäten auf die Umwelt, die Gesellschaft und Mitarbeiter:innen auswirken.

Moss abschließend: „Das ‚S‘ in ESG steht für Soziales – dazu gehört die Gleichberechtigung von Frauen in der Wirtschaft. Die Daten heben nicht nur die Bedeutung von Diversität für die interne Unternehmenskultur, sondern auch für den Nachhaltigkeitsgrad eines Unternehmens, hervor.“

Von wegen Quotenfrau: Was starke Frauen in Führungspositionen für Unternehmen wirklich bedeuten und wie sie Unternehmen zukunftsfähig machen
Die Vorteile von mehr Diversität in den Führungsriegen sind vielen Unternehmen zwar bekannt, doch eine Vielzahl an Frauen kann sich nicht vorstellen, eine Führungsposition einzunehmen oder für männlich dominierte Berufe geeignet zu sein, weil ihnen entsprechende Vorbilder fehlen.

Natalia Czajecka, Vertriebsleitung bei der Topregal GmbH, und Nina Urban, stellvertretende Leitung für Logistik und Fuhrpark bei Topregal, berichten im Interview von ihren Erfahrungen als weibliche Führungskräfte in einem Industrieunternehmen und erklären, was Unternehmen leisten sollten, um qualifizierte weibliche Kräfte zu gewinnen und diese zu fördern:

Gab es bestimmte Herausforderungen während Ihrer Karriere, die speziell auf Frauen zutreffen?
Nina Urban: „In unserem Lager sind zu 95 Prozent Männer tätig. Am Anfang gab es schon Vorurteile und manche Männer mussten kurz schlucken, als sie eine weibliche Führungskraft bekamen. Dabei gibt es bei uns im Unternehmen schon viele Frauen in Führungspositionen. Meine Fachkenntnis hat jedoch von Beginn an eine Basis auf Augenhöhe geschaffen und das Vertrauen in mich gestärkt.

Schnell wurde klar: Hier zählt nicht das Geschlecht, sondern einzig die Qualitäten, die jemand mitbringt. Ansonsten gibt es in jedem Unternehmen, in dem Dynamik und Entwicklung stattfinden, tägliche Herausforderungen. So bleibt man am Puls der Zeit. Die Frage ist, wie man mit Herausforderungen umgeht. Sei es in Bezug auf das Geschäft oder bei der Genderfrage.

Bei Topregal agieren wir nach dem Credo: Wir fokussieren nicht Probleme, sondern schaffen für Herausforderungen erfolgreiche Lösungen. Hier gilt es, lösungsorientiert heranzugehen und dabei Können vor Geschlecht zu stellen – das bedeutet, nur die Herausforderung zu betrachten und nicht zu fragen, ob Frau oder Mann das hinkriegt. Wir fokussieren uns bei der Problemlösung einzig auf das Know-how und die Fähigkeiten des Einzelnen.

Daher gibt es bei uns auch keine Ellenbogenmentalität oder Machtkämpfe, sondern es entstehen Synergien. Konkurrenzdenken nutzt nur der eigenen Person, während die Kundinnen und Kunden oder das Ziel aus den Augen verloren werden. Eine solche Arbeitsatmosphäre sollten Geschäftsführende daher vermeiden und stattdessen den Teamgedanken fördern. Auf diese Weise können sich Mitarbeitende gegenseitig unterstützen und mit ihren jeweils einzigartigen Fähigkeiten bestens ergänzen.“

Gibt es bestimmte Qualitäten, die Frauen in F­ührungs­positionen besonders auszeichnen?
Nina Urban: „Ich denke schon, dass viele Frauen in bestimmten Punkten anders vorgehen würden und etwas feinfühliger und empathischer sind als Männer, sodass sie für ihre Mitarbeitenden eher ein offenes Ohr haben – gerade bei privaten Problemen. In dieser Hinsicht haben einige Frauen bestimmt einen anderen Führungsstil als manche Männer und eröffnen andere Blickwinkel und neue Möglichkeiten für die Entwicklung der Mitarbeitenden.

Besonders Charakterzüge wie Empathie, Offenheit für Mitarbeitende oder auch Gewissenhaftigkeit, die vielen Frauen zugeschrieben werden, sind für eine gute Führungskraft wichtig. Doch man sollte sich auch hier nicht von Klischees leiten lassen. Es gibt auch Männer, die sehr feinfühlig sind, und Frauen, die es nicht sind. Allein das Geschlecht sollte keine Rückschlüsse auf die Eigenschaften einer Person geben.“

Natalia Czajecka:
„Dass ich eine Frau bin, hat weder bei meiner Anstellung noch meiner Beförderung eine Rolle gespielt. Daher hat mich auch das Thema Frauenquote überhaupt nicht tangiert. Aber ich würde auch nicht nur aufgrund meines Geschlechtes eine Position erhalten wollen. Es sollte nicht differenziert werden, ob ich ein Mann oder eine Frau bin.

Um die Qualitäten eines Menschen zu erkennen, gilt es, nicht nur auf das Offensichtliche zu schauen oder sich einzig von Äußerlichkeiten, dem Werdegang oder Hard Skills blenden zu lassen. Vielmehr zählt, wie der Mensch selbst und dessen Persönlichkeit ist. Bei uns gilt das Mindset: Es kommt weniger darauf an, was jemand vorher gemacht hat – das heißt, ob man eine Ausbildung oder ein Studium hinter sich hat oder als Quereinsteiger anfängt. Wichtiger ist es, dass es auf menschlicher Ebene passt und man gemeinsam mit seinem Team das Unternehmen nach vorne bringen will – also an einem Strang zieht und den Sinn in seinen täglichen Aufgaben sieht.“

Welche Vorteile ergeben sich aus einer diversen Führungsebene?
Natalia Czajecka: „Ein diverses Team bringt unterschiedliche Blickwinkel, Meinungen und Ansätze mit sich. Das hat den Vorteil, ein Problem, Produkt oder eine Fragestellung von verschiedenen Seiten aus betrachten zu können, um die bestmögliche Lösung zu finden oder möglichst vielfältige Ideen zu sammeln. Wenn verschiedene Sichtweisen oder Persönlichkeitstypen aufeinandertreffen, Ideen und Gegenideen diskutiert oder unterschiedliche Herangehensweisen abgewogen werden, können besonders kreative und gut durchdachte Lösungen oder Ideen entstehen. Auch treffen auf diese Weise Personen mit verschiedenen Stärken und Fähigkeiten aufeinander, die sich effektiv ergänzen und zusammen besonders produktiv sind.

Diversität sollte sich aber nicht nur auf die Geschlechterverhältnisse beziehen. Ein effektives Team sollte aus Mitgliedern mit verschiedenen Persönlichkeitstypen, Lebensläufen, Altersklassen oder kulturellen Hintergründen bestehen. Diese soziale Vielfalt bringt ein Unternehmen voran. Zugleich schaffen sich Arbeitgeber durch eine tolerante, integrative Personalpolitik einen Attraktivitätsvorteil im Wettlauf um Fachkräfte. Auch die Zusammenstellung eines crossfunktionalen Teams mit Mitgliedern aus verschiedenen Abteilungen ist oftmals sinnvoll.“ 

Wie können Unternehmen Frauen dabei unterstützen, in Führungspositionen aufzusteigen?
Natalia Czajecka: „Unternehmen sollten ihr Vertrauen nicht ins Geschlecht, sondern in den Menschen und die Persönlichkeit dahinter mit ihren Hard und Soft Skills setzen. An Vorurteilen festzuhalten, behindert nicht nur die Person, die mit diesen Vorurteilen zu kämpfen hat, in ihrer Entwicklung, sondern auch das Unternehmen, dem dadurch wichtige Fachkräfte und Führungspersönlichkeiten verloren gehen. So viele ungenutzte Potenziale schlummern noch in der Schublade, in die sie gesteckt werden, anstatt durch eine progressive, zukunftsorientierte Geschäftsführung die Möglichkeit zu bekommen, sich zu entfalten.

Durch das Vertrauen, das mir von meinen Vorgesetzten und meinem Team entgegengebracht wurde, und die Möglichkeit, mich auf meinem Feld mit meinen Fähigkeiten zu beweisen, bin ich zu einer starken Führungspersönlichkeit geworden, die keine Angst vor Entscheidungen oder Verantwortung hat. Gerade in traditionell männlich dominierten Berufen braucht es oft nur ein paar mutige Vorreiterinnen, die anderen Frauen als Vorbild und Orientierung dienen.

Mit der Einstellung von weiblichen Führungskräften kann ein dynamischer Prozess entstehen, durch den Frauen in Führungspositionen andere Frauen nachziehen. Frauen könnten für andere Frauen zu Mentorinnen werden, ihnen zeigen, wie sie in der Arbeitswelt agieren und mit Herausforderungen, Stress oder Vorurteilen umgehen.“

Welche Ratschläge würden Sie jungen Frauen geben, die eine Karriere in der Industrie oder generell als Führungskraft anstreben?
Natalia Czajecka: „Mein Ratschlag lautet, einfach mutig zu sein, es auszuprobieren und sich dabei nicht von Klischees aufhalten zu lassen.“

Nina Urban: „Man sollte einfach seinen Weg gehen, ganz egal, was andere sagen. Das Wichtigste ist, an seine Ziele und Fähigkeiten zu glauben. Wenn man weiß, was man kann, sollte man sich nicht beirren lassen – auch nicht von der Branche.“ (BO)