"KI kann in allen Bereichen Kosten reduzieren und Effizienz erhöhen", sagt Österreichs SAP-Chef Andreas J. Wagner. © RNF
Andreas J. Wagner, Geschäftsführer von SAP Österreich, im Interview über seine neue Aufgabe, den digitalen Entwicklungsstand heimischer Unternehmen und seine Ziele für den heimischen Markt.
Der gebürtige Steirer Andreas J. Wagner, seit Jahresanfang Geschäftsführer von SAP Österreich, ist seit rund 18 Jahren für das europäische Softwareunternehmen tätig. Zuletzt zeichnete er global für digitalisierte Lieferketten verantwortlich. Für seine neue Aufgabe hat er sich einige Dinge vorgenommen. Im Gespräch mit NEW BUSINESS spricht Wagner über seine Ziele, wie er den digitalen Entwicklungsstand in Österreich einschätzt und welche Potenziale künstliche Intelligenz und Cloud den heimischen Unternehmen bieten.
Herr Wagner, wie war es, als globaler Chief Business Officer für digitalisierte Lieferketten wieder in eine lokale Rolle zu schlüpfen?
In der globalen Rolle fühlt man sich wie ein Satellit, der im Orbit kreist. Man hat diesen Gesamtüberblick und einen starken strategischen Fokus. Ich war auch global in einer kundenspezifischen Rolle und habe viele Kundenbesuche in vielen Ländern gemacht. So lernt man andere Kulturen, andere Märkte kennen und sieht auch das Potenzial in diesen Märkten. Das ist eine sehr spannende Rolle.
Das Interessante in der Geschäftsführungsrolle ist auf der anderen Seite, dass ich nun End-to-End-Verantwortung für einen Markt und einen starken persönlichen Impact auf ein Land habe. Somit baut man eine ganz andere Beziehung zu den Kunden auf. Das ist sehr motivierend. Vor meiner Rückkehr nach Österreich hat ein Kollege zu mir gesagt: "Andreas, there is one thing I can tell you. There is nothing more rewarding than being the managing director of your own home country." Er hatte recht. Das ist etwas, was Spaß macht.
Als "Satellit" hatten Sie einen guten Überblick. Wie würden Sie den digitalen Entwicklungsstand der österreichischen Unternehmen einschätzen – etwa in Sachen KI?
Was mir an den Amerikanern gefällt, ist ihre positive Grundeinstellung. Die fehlt manchmal hier in Österreich. In den Medien liest man viel Negatives, obwohl es viele positive Dinge zu berichten gibt. Aber ja, ich glaube im Bereich der Digitalisierung – gerade, was KI betrifft – hat Österreich noch Nachholbedarf. Einer Studie zufolge nutzen nur 8 Prozent der Unternehmen in Österreich generative KI, in Europa sind es im Durchschnitt schon 13,5 Prozent.
Es wäre wichtig, bei der digitalen Bildung mehr zu machen. Die Schere zwischen dem Zugang zu neuen Technologien und der Weiterentwicklung der digitalen Bildung geht immer weiter auf. So entstehen dieser soziale Schmerz und die Angst vor neuen Technologien, was dann dazu führt, dass zum Teil überreguliert wird. Das spürt man in Europa und in Österreich stark.
An welchen Punkten sollte man ansetzen, um diese Situation zu verbessern?
Neben der Bildung wäre es auch wichtig, den Standort für Unternehmen und Entwickler, die sich mit dem Thema KI beschäftigen, attraktiver zu machen – mehr Netzwerke, mehr Cluster, mehr Förderung. Natürlich fehlt es auch ein bisschen an Risikokapital, gerade für Start-ups.
In den vergangenen Monaten ist viel Bewegung in das Thema europäische IT-Souveränität gekommen. In welcher Rolle sieht sich die SAP, als eines der größten europäischen IT-Unternehmen?
Unser Vorstand hat klar seine Absicht erklärt, in eine europäische Cloud zu investieren. Wir sind bereit, beim Aufbau einer europäischen Cloud eine Führungsrolle einzunehmen. Dazu steht SAP als Unternehmen. Wir bauen zum Beispiel in Deutschland die Delos Cloud für den Verwaltungsbereich auf. Momentan fließt sehr viel Entwicklung in den Bereich der Sovereign Cloud.
Europa wird sich nicht von heute auf morgen von Anbietern aus anderen Regionen der Welt unabhängig machen können. Von welchen Zeiträumen sprechen wir Ihrer Meinung nach?
Es müssen ja nicht gleich alle Prozesse in die Sovereign Cloud. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass in den nächsten fünf Jahren einiges passieren könnte und dass kritische Kernprozesse in eine Sovereign Cloud wandern können.
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Von der Cloud zurück zur KI. Wobei kann KI aus Sicht von SAP die Anwenderunternehmen am meisten unterstützen?
KI kann in allen Bereichen Kosten reduzieren und Effizienz erhöhen. Ein ganz wichtiger Bereich sind entscheidungsrelevante Informationen. Mit unserer neuen SAP Business Data Cloud geben wir Unternehmen die Möglichkeit, sowohl externe als auch interne, strukturierte und unstrukturierte Daten zu standardisieren. Für den Einsatz von KI braucht es auf der einen Seite vertrauensvolle Daten, aber auch starke Prozesse. SAP kann extrem viel dazu beitragen, dass die richtigen Daten zur schnellen und besseren Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Das könnte zu einem KI-Meilenstein werden.
Generell lässt sich aber auch vieles automatisieren, Prozesse lassen sich papierlos machen, Bürokratie in unterschiedlichen Bereichen kann reduziert werden, Reports – denken Sie nur an ESG-Reports – lassen sich automatisch generieren. Es gibt vielfältige Anwendungsfälle.
Man muss aber immer zwischen genereller künstlicher Intelligenz und generativer künstlicher Intelligenz unterscheiden. Heute wird viel als KI bezeichnet, das es schon länger gibt und was man früher auch anders genannt hat. Unser KI-Agent Joule zum Beispiel ist eine agentische KI, die über alle unsere Prozesse hinweg unterstützt.
SAP sitzt an einer zentralen Schlüsselstelle zwischen Daten und KI, um daraus einen Mehrwert zu generieren.
Genau. Dieses Zusammenspiel zwischen Prozessen, Daten und KI empfinden wir als extrem wichtig. In unseren Systemen laufen viele Daten zusammen – auch Daten, die nicht aus SAP-Systemen kommen. KI-Systeme brauchen diese Daten, und mit der SAP Business Data Cloud versuchen wir, das Ganze zu standardisieren.
Die Krux sind immer die Daten, besonders im Zusammenhang mit KI. Hat sich die Datenqualität in den Firmen – oder sagen wir Datendisziplin – in den letzten Jahren verbessert?
Eher im Gegenteil. Es werden immer mehr Daten produziert und immer mehr davon sind unstrukturierte Daten, die ebenfalls einbezogen werden müssen. Es geht darum, diese Daten aufzubereiten, zu standardisieren, auszulesen und in den Business-Kontext zu setzen.
Da kommt auch wieder KI ins Spiel?
Absolut. Da kann KI eine sehr, sehr große Rolle spielen.
Wie ist es bei den Unternehmen, mit denen Sie sprechen, um das Verständnis dafür, was KI wirklich kann und ist, bestellt?
Es gibt einen großen Hype um das Thema. Da wird der Begriff manchmal vielleicht auch etwas erweitert oder größer gemacht, als er tatsächlich ist. Nichtsdestotrotz bietet KI eine unheimliche Chance. Wir lernen jeden Tag dazu, was man mit KI machen kann. In einer Woche wird die Situation wieder eine neue sein. Das ist ein extrem spannender Bereich. KI ist ein ganz wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation. Wir werden immense Einsparungen und Effizienzsteigerungen sehen, die wir auch in vielen Bereichen brauchen werden, weil wir auch aufgrund der demografischen Situation gar nicht die Ressourcen und das Personal haben, die anstehenden Herausforderungen zu stemmen.
Was haben Sie sich in Ihrer Position als Österreich-Geschäftsführer vorgenommen?
Bei uns intern habe ich für 2025 und darüber hinaus das Motto "Collective Power" ausgerufen. Ich möchte alle Bereiche zusammenbringen, weil ich glaube, nur dann, wenn man gemeinsam arbeitet, kann man erfolgreich sein. Collective Power ist für mich der Zusammenschluss aus Vertrieb, der Beratung, der Supporteinheit, aber auch unseren Partnern, unserem Ökosystem. Wir haben Collective Power Awards ausgeschrieben, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Projekte und Erfolge einreichen können. Die Zusammenarbeit als ein großes Ganzes wird damit stärker in den Vordergrund gerückt.
Was mir auch wichtig ist, ist, den Standort Österreich zu stärken. Das heißt, mehr SAP-Experten in Wien zu verankern, sowohl bei uns als auch bei den Kunden und Partnern, und weiter auf einen Wachstumskurs zu setzen – was Umsatz, aber auch was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft. Wir wollen in diesem Jahr auf über 700 Mitarbeitende wachsen.
Wir setzen auch stark auf den Ausbau unseres Partner-Ökosystems. Aktuell haben wir rund 100 Softwarepartner, die in Österreich tätig sind, mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dieses Ökosystem ist wichtig, um die Reichweite zu erhöhen, gerade wenn man verstärkt in den Mittelstand geht, aber auch, um Innovationen zu treiben, etwa zum Thema KI. Darüber hinaus haben wir heuer ein eigenes Neukundenteam gegründet und wollen die Zusammenarbeit mit der DSAG (Anm.: der Verband "Deutschsprachige SAP Anwendergruppe") und auch die Partnerschaften mit unseren Kunden weiter verstärken.
Die Unterstützung von Unternehmen bei ihrer Transformation in die Cloud ist ein weiteres großes Ziel von mir. Gerade dem Mittelstand kann Cloud sehr viel bringen, weil es oft schwer ist, die notwendigen IT-Ressourcen am Markt zu finden. Insofern ergeben sich dadurch große Chance für den Mittelstand, an Innovationen zu partizipieren und dadurch die eigene digitale Transformation voranzutreiben. (RNF)
SAP NOW AI Tour Vienna
Am 25. September findet in der Marx Halle in Wien die "SAP NOW AI Tour Vienna" statt. Sie bietet den passenden Rahmen, um sich mit Branchenkolleg:innen und SAP-Expert:innen zu aktuellen Themen auszutauschen und herauszufinden, wie KI, Daten und Anwendungen auf innovative Weise kombiniert werden können.
www.sap.com/austria/events/sapnowvienna.html