Was die KI-Revolution von früheren technologischen Umwälzungen unterscheidet, ist ihre demokratisierende Wirkung. © Freepik/johnstocker
Wie KI Österreichs KMU transformiert: Viele kleinere und mittlere Unternehmen stehen bei künstlicher Intelligenz vor einem hochmodernen Werkzeugkoffer, können aber...
...ihre Baustellen nicht identifizieren. Die Lösung liegt in der Weiterbildung.
In der südsteirischen Gemeinde Deutschlandsberg zeigt eine unscheinbare Ölmühle, wie die Zukunft österreichischer Kleinunternehmen aussehen könnte. Inhaberin Sandra Pronnegg nutzt einen digitalen Assistenten, der für nur 20 Euro im Monat ihre tägliche Arbeit unterstützt und optimiert. Durch diese kluge Investition in künstliche Intelligenz kann sie ihr Fachwissen noch gezielter einsetzen und ihre Produktivität deutlich steigern. Noch ist Pronneggs Pioniergeist eher die Ausnahme. Eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftskammer zeichnet ein ernüchterndes Bild: Sieben von zehn Ein-Personen-Unternehmen (EPU) planen in naher Zukunft keine Integration von KI-Tools. Diese Zurückhaltung könnte sich als folgenschwerer strategischer Fehler erweisen.
Der angespannte Arbeitsmarkt als KI-Treiber
Die Dringlichkeit wird durch eine beispiellose Entwicklung am Arbeitsmarkt verschärft. Nach der Pandemie hat sich der Wettbewerb um Talente grundlegend verändert. Durch die Normalisierung der Telearbeit stehen lokale Unternehmen plötzlich im Wettbewerb mit Arbeitgebern aus ganz Österreich. Für kleine Unternehmen wie lokale Einzelhändler, Restaurants und Produktionsbetriebe bietet KI die Möglichkeit, ihre bestehenden Mitarbeitenden durch intelligente Unterstützung wettbewerbsfähiger zu machen.
Der Produktivitäts-Durchbruch
Was die KI-Revolution von früheren technologischen Umwälzungen unterscheidet, ist ihre demokratisierende Wirkung. Erstmals können kleine Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit KI-Werkzeugen so unterstützen, dass sie deutlich produktiver arbeiten können. Ein Beispiel: Während früher der Kundenservice mit Routineanfragen überlastet war, können heute KI-gestützte Assistenzsysteme Mitarbeitende bei Standardanfragen entlasten. So kann sich das Team auf die anspruchsvolle Kundenbetreuung konzentrieren – eine Effizienzsteigerung, die früher nur Großunternehmen vorbehalten war.
Die neue Dynamik schlägt sich in Zahlen nieder: Eine Market-Studie zeigt, dass 48 Prozent der österreichischen Unternehmen und 46 Prozent der Unternehmen mit bis zu drei Mitarbeitenden KI-Entwicklungen positiv gegenüberstehen. Zwischen grundsätzlicher Offenheit und erfolgreicher Umsetzung klafft aber noch eine große Lücke.
Konkrete Auswirkungen
Die größten Effekte erzielt KI als unterstützendes Werkzeug in den marktnahen Bereichen Marketing, Vertrieb und Service. Diese Abteilungen profitieren besonders von der Fähigkeit der KI, Mitarbeitende bei der Analyse des Kundenverhaltens zu unterstützen und Routineaufgaben zu vereinfachen. Kleine Onlinehändler beispielsweise nutzen bereits KI-Systeme, die ihre Teams bei der Optimierung der Produktsuche, der Bestellverfolgung und der Retourenabwicklung unterstützen. Diese intelligente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine steigert nicht nur die Effizienz, sondern entspricht auch den Erwartungen moderner Verbraucher an einen schnellen Service.
Mentale Barrieren überwinden
Die Haupthindernisse für österreichische KMU liegen weniger in der Technik als in der Psychologie. Viele Unternehmer stehen vor einem hochmodernen Werkzeugkasten, können aber ihre Baustellen nicht erkennen. Die Angst vor der Abhängigkeit von externen Beratern, mangelndes internes Know-how und die Sorge um die Implementierungskosten bilden ein komplexes Geflecht von Widerständen. Die vielleicht drängendste Herausforderung ist der Mangel an KI-Schulungen. Das "Digital Skills Barometer" offenbart eine beunruhigende Realität: Nur 10,4 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zwischen 15 und 74 Jahren nehmen jährlich an einer digitalen Weiterbildung teil. Diese Kluft zwischen technologischem Potenzial und praktischem Know-how droht die Einführung von KI in KMU zu bremsen.
Strategischer Ausblick
Die Entwicklung ist jedoch nicht aufzuhalten. Da KI-Lösungen immer erschwinglicher und datenschutzfreundlicher werden, entdecken immer mehr kleine Unternehmen, wie sie ihre Mitarbeitenden durch den strategischen Einsatz von KI stärken können. Von der KI-gestützten Marktanalyse bis zur vereinfachten Verwaltung schaffen diese Tools eine neue Form der Zusammenarbeit, von der kleine wie große Unternehmen profitieren. Der Schlüssel liegt nicht in einer pauschalen Übernahme, sondern in einer durchdachten Integration – beginnend mit kleinen Schritten, fokussiert auf spezifische Geschäftsprobleme, mit einer schrittweisen Ausweitung der KI-Nutzung parallel zum wachsenden Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie das Beispiel von Sandra Pronnegg zeigt, kann schon eine minimale Investition von 20 Euro pro Monat den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen, indem Menschen befähigt werden, ihre Arbeit noch besser zu machen. (CB)
© APA/Schedl
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Christoph Becker ist KI-Experte und Geschäftsführer des österreichischen Bildungsanbieters ETC. Nähere Informationen finden Sie unter www.etc.at.
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