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Marco Gattringer-Ebner, Geschäftsführer der Lenze Austria GmbH, ist seit vergangenem Jahr ­außerdem als Senior Vice President für den Wertstrom Elektromechanik aktiv. © Lenze

Marco Gattringer-Ebner, Geschäftsführer der Lenze Austria GmbH, spricht im Interview mit NEW BUSINESS über wirtschaftliche Heraus­forderungen, neue Technologien und spannende Innovationen.

Über 75 Jahre Firmengeschichte, mehr als 3.700 Mitarbeiter in über 45 Ländern: Lenze hat sich von seinen Anfängen als reines Handelsunternehmen in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem weltweit führenden Automatisierungsunternehmen für den Maschinenbau entwickelt.

Mechatronische Produkte, Automatisierungssysteme und digitale Services kommen bei Lenze aus einer Hand. Marco Gattringer-Ebner, Geschäftsführer der Lenze Austria GmbH, gibt im Interview einen Überblick über die Entwicklungen des vergangenen Jahres, wie Lenze damit umgegangen ist, spricht über Innovationen und wirft auch einen Blick in die Zukunft.

Herr Gattringer-Ebner, die Welt – und damit auch die Unternehmen – stehen seit geraumer Zeit vor vielfältigen Herausforderungen. Teure Energie, Wirtschaftsschwäche, Abwanderungstendenzen, ­Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel. Wie sind Sie diesen Herausforderungen im vergangenen Jahr begegnet, und sind sie mit dem, was sie dadurch erreicht haben, zufrieden? Wie geht es Lenze in ­Österreich mit Stand heute?
Für Lenze stellt sich die aktuelle Situation so dar, dass auch wir feststellen, dass der ex­treme Nachfrageboom zu Ende ist. Damit haben sich aber dessen negative Folgen auf Energiekosten, Fachkräftemangel et cetera deutlich verändert. Aufgrund unseres stabilen Netzes an Lieferanten sind derzeit Lieferkettenprobleme kein Thema. Die Herausforderungen sind daher ganz klar die weitere Optimierung unseres Produktions-Set-ups und unserer Prozesse. So nutzen wir die ruhigere Zeit der Nachfrage bestmöglich.

Seit vergangenem Jahr bin ich als Senior Vice President für den Wertstrom Elektromechanik aktiv – neben meiner Geschäftsführertätigkeit in Österreich und der neu hinzugekommenen in Deutschland (gleiche Operations-Bereiche). Lenze hat die beiden Wertströme (Anm.: siehe Info-Box) Elektromechanik (z. B. Motoren, Getrie­bemotoren) und Elektronik (z. B. Steuerun­gen, Frequenz- und Servoumrichter) definiert, weil deren Anforderungen teils unterschiedlich sind und wir mit dieser Fokussierung schneller auf die jeweiligen Herausforderungen reagieren können. In meiner Verantwortung für den Wertstrom Elektromechanik unserer vier Werke in Europa (Österreich, Deutschland, Polen, Italien) bin ich häufig unterwegs, um das Optimum aus dem Produktions-Footprint heraus­zuholen und weiter nachzuschärfen. Wir sehen darin den Hebel für die zukunftsfähige Produktion. Die Übernahme meiner zusätzlichen Funktion im Wertstrom Elektromechanik ist nur dank der herausragenden Teams an den zu verantwortenden Lenze-Standorten möglich.

Bei der Energieversorgung haben wir am Standort Asten seit Jahren eine Vorreiterrolle hinsichtlich des effizienten Umgangs mit Energie inne und sind schon früh im Kontext zum Energieeffizienzgesetz auditiert worden. Gemein­sam mit unserem Energieversorger haben wir Einsparungspotenziale in unserer Infrastruktur definiert und den daraus abgeleiteten Maß­nahmenplan Schritt für Schritt umgesetzt. Beispiele dafür sind die Lichtsteuerung inklusive Umrüstung auf LED, der Energieverbrauch der Lackieranlage und die Optimierung von Heizzeiten. Anfang 2024 ließen wir uns reauditieren: Mit dem Ergebnis, dass uns eine hervorragende Umsetzungsgüte bescheinigt wurde. Der effiziente Umgang mit Energie war mir immer ein Anliegen, und ich wollte unsere Mitarbeiter stets dafür begeistern. Wir haben sprichwörtlich jeden Stein umgedreht und gemeinsam an einem Strang gezogen, sodass wir signifikante Energie- und damit Kosteneinsparungen generieren konnten.

Vom aktuell nicht ganz so akuten Fachkräftemangel sollten wir uns nicht blenden lassen, denn ich sehe ein großes demografisches Pro­blem auf Europa zukommen. Diesem müssten wir mit mehr Automation und Robotik begegnen – asiatische Länder, insbesondere China, machen es vor. 

Wir in Europa haben gut begonnen, uns dann jedoch links und rechts über­holen lassen. Wollen wir weiter hier produzieren, müssen wir massiv in Automatisierung und Digi­talisierung investieren. 
Ein wichtiger Schritt, um die für die Veränderung in der Produktion erforderlichen gut ausgebildeten Mitarbeiter zu finden, ist die bereits seit Langem praktizierte Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen: Das garantiert uns, bestens ausgebildete Mitarbeiter zu finden, die Lenze eine erfolgreiche Zukunft ermöglichen. Mit der Bereitschaft, etwas zu leisten, und dem Mut zur Veränderung.

Summa summarum bin ich mit dem Erreichten durchaus zufrieden, jedoch gibt uns der Markt keine Zeit zum Ausruhen. Unser Maßnahmenkatalog ist daher nach wie vor lang, was die Umsetzungsziele in Richtung Effizienz, Flexibilität oder Zuverlässigkeit betrifft. Wir haben auf unserem Weg bereits sehr viel richtig gemacht, geben uns damit aber nicht zufrieden.

„Summa summarum bin ich mit dem Erreichten durchaus zufrieden, jedoch gibt uns der Markt keine Zeit zum Ausruhen.“ Marco Gattringer-Ebner, Geschäftsführer Lenze Austria GmbH © Lenze

Digitalisierung und Energieeffizienz sind aktuell ein Zugpferd für wei­t­reichende Investitionen: Welche Dienstleistungen und Lösungen bietet Lenze Austria seinen Kunden in diesem Zusammenhang an, womit kann Lenze punkten?
Energieeffizienz ist untrennbar mit den Lenze-Produkten verbunden und gleichermaßen mit dem Weg, wie wir diese Produkte unseren Kunden zur Verfügung gestellt haben. Die korrekte Dimensionierung eines Antriebs bzw. einer Automatisierungslösung ist essenziell: Over­sizing ist nicht nur teurer, sondern in den allermeisten Fällen auch wenig energieeffizient. Passgenaue Lösungen anzubieten, liegt in unserer DNA.

Hervorheben möchte ich unser neues Motor Drive System der Effizienzklassen IE5/IE7, das wir auf der SPS in Nürnberg vorgestellt haben und 2025 auf den Markt bringen werden. Es bildet eine Kombination aus Getriebemotor g500, Frequenzumrichter i550 oder i650 und perfekt abgestimmter Software. Die Effizienzsteigerung des Systems bedeutet aber nicht mehr Bauraum – ganz im Gegenteil: Die Drehstrommotoren sind entweder gleich groß oder sogar kleiner als vergleichbare IE2/IE3-Motoren.

Digitalisierung ist das Fundament aller aktuellen und künftigen Lenze-Produktentwicklungen. Mit unserer Lenze Nupano Suite haben wir eine hervorragende Basis zur Verwaltung des kompletten Lösungsportfolios gelegt. So unterstützen wir Maschinenbauer dabei, die IT für die von ihnen erzeugten Maschinen nutzbar zu machen, indem wir eine Brücke schlagen, die neue Möglichkeiten eröffnet. Eine Maschine mit einer Applikation auszustatten, ist mit der Lenze Nupano Suite so einfach wie eine App am Smartphone zu installieren.

Lenze hat sich ein einzigartiges Branchen- und Lösungswissen aufgebaut und bietet mit den FAST Technologiemodulen Softwarepakete an, die unsere Kunden dabei unterstützen, schneller Lösungen zu etablieren und die Aufwände für die Entwicklung drastisch zu reduzieren. Wir verstehen das als Digitalisierungsdienstleistung, und hier werden wir in Zukunft noch einiges mehr anbieten. Immer mit der Zielsetzung der optimalen Auslegung, einfachen Inbetriebnahme und der Möglichkeit für unsere Kunden, selbst digitale Dienstleistungen anzubieten.

Die Resonanz des Markts auf diese branchenindividuelle Thematik ist sehr hoch, ebenso wie die Nachhaltigkeit: Diese Themen sind gekommen, um zu bleiben. Mit den auf Energieeffizienz getrimmten, voll digitalisierten und langlebigen Produkten unterstützen wir unsere Kunden beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele.


Lenze begleitet den ganzen Entwicklungsprozess einer Maschine – von der Idee bis zum Aftersales, von der Steuerung bis zur Antriebswelle. © Lenze

KI findet in immer mehr Prozessen ­Einzug. Inwieweit können Sie mit Ihren Kunden dieses Potenzial nutzen, bzw. gibt es in diesem Zusammenhang spezielle Entwicklungen, die Ihnen und Ihren Kunden das Arbeitsleben leichter machen? Befindet sich in dieser Hinsicht vielleicht gerade ein spannendes Projekt in Entwicklung, von dem Sie uns berichten können?
Ich bin überzeugt, dass KI in der Zukunft fundamentale Veränderungen bringt. Der tägliche Umgang mit aktuellen KI-Lösungen begeistert und ernüchtert mich jedoch gleichermaßen. KI ergänzt Automatisierung und Digitalisierung, die wir in Europa massiv forcieren müssen, um gegen Asien zu bestehen. Aktuell vereinfacht und automatisiert KI repetitive Prozesse und entlastet Mitarbeiter von Standardaufgaben.

Ein Beispiel dafür sind die großen Sprachmodelle wie ChatGPT. Wir wollen diese nutzen, um mit einer LenzeGPT-Applikation Produkt-, Anwendungs- und Servicewissen einfacher zugänglich zu machen und schnell eine passende Antwort mit zugehöriger Referenz zu bekommen, ohne dass Informationen mühsam in Handbüchern und PDF-Dokumenten gesucht und gelesen werden müssen. So können wir auch eine jüngere Generation ansprechen. DOCK ONE, das Digital- und Innovations­labor der Lenze Gruppe mit Sitz in Bremen, welches sämtliche Kompetenzen hinsichtlich KI und Digitalisierung bündelt, ist hier hochaktiv.

Ein anderes Beispiel sind umrichtergesteuerte Antriebssysteme: Die Nutzung der Daten dieser Systeme bietet – ganz ohne zusätzliche Sensoren – ein großes Potenzial für die kostenoptimale Zustandsüberwachung. Durch Anwendung von Domänenwissen und KI auf die bestehenden Daten der Antriebe lassen sich potenzielle Schäden und Verschleiß sowohl in den Antrieben als auch in der eigentlichen Maschine vorzeitig erkennen und das Eintreten eines teuren Anlagenstillstands vermeiden.

Dennoch muss man meiner Meinung nach den aktuellen KI-Hype relativieren: ChatGPT für Privatanwender ist etwas anderes als eine KI-Lösung für die Industrie, denn diese muss robust, zuverlässig und letztlich zertifiziert sein.

Welche Produkte und Dienstleistungen werden besonders stark nach­gefragt, und worin liegt die Besonderheit der Lösungen aus dem Hause ­Lenze? Gibt es aktuell Neuerungen, über die Sie berichten können?
Zwei besonders innovative Neuerungen kann ich hier konkret nennen: Zum einen die dezentralen Frequenzumrichter i-series motec als intelligente, kosten- und energieeffiziente Lösung, von der vor allem Maschinenbauer und -betreiber aus der Intralogistik, der Automobilindustrie und der Konsumgüterproduktion ­profitieren.

Mit seinen digitalen Funktionen übernimmt der Frequenzumrichter gleich mehrere Aufgaben: Er fungiert als effizienter Sensor im System, sammelt Daten und leitet diese standardisiert und zuverlässig an IIoT-­Platt­for­men und übergeordnete Edge-Systeme weiter. Mit diesem vielfältigen, robusten und gleichzeitig kompakten Gerät hat Lenze ein Produkt gelauncht, das bei unseren Kunden sehr stark nachgefragt wird und diese in Sachen dezentrale Umrichter hervorragend unterstützt. Zum ande­ren möchte ich die Motor Drive Rolle, kurz MDR, erwähnen, die aufgrund ihrer neuartigen technischen Eigenschaften eine riesige Resonanz am Markt erfahren hat.

Die getriebelose MDR kann direkt in eine Förderanlage integriert werden und ist mit einer Leistung von 115 Watt mehr als doppelt so stark wie vergleichbare Systeme. Die kompakte Bauform mit enormer Performance und das hervorragende Regel- bzw. Positionierverhalten setzen Maß­stäbe – hier ist unsere ganze Antriebs- und Regelkompetenz mit eingeflossen. Zudem arbeitet die Motorrolle mit 24 Volt oder 48 Volt, und das bedeutet, dass auch Personen mit ­geringerem elektrischem Fachwissen den Motor einbauen oder warten dürfen.

Wie sehen Sie die wirtschaftliche ­Entwicklung von Lenze in Österreich, aber auch die des Markts generell in den kommenden drei Jahren, und was sind Ihre Pläne?
Da die aktuelle Situation aufgrund der Entwicklung am Maschinenbaumarkt keine validen Aussagen zulässt, ist es derzeit sehr schwierig, vorauszusehen, was in drei Jahren sein wird. Für 2025 erwarte ich eher eine wirtschaftliche Seitwärtsentwicklung. Asien und die USA hingegen sind zurzeit positiver unterwegs. Wir wollen dem insofern Rechnung tragen, als wir diese Märkte verstärkt lokal bedienen. Zudem sind unsere Pläne mit der bereits genannten weiteren Produktionsoptimierung dicht gefüllt.

Weiters denke ich, dass die Zeit der raschen Auf- und Abwärtsentwicklungen vorbei ist und sich die Konjunkturkurven zukünftig sanfter bewegen. Mit unseren derzeitigen und zukünftigen Produkten, den Lösungen und den Menschen, die dahinter stehen, sind wir überzeugt, dass wir, wenn die Wirtschaft wieder anzieht, ganz vorn mitspielen können. Dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen und unsere Hausauf­gaben gemacht, denn der Themenbereich Automatisierung wird immer Konjunktur haben. (red.)

www.lenze.com

INFO-BOX
Wertstrom
Seitens Lenze umfasst der Wertstrom alle Aktivitäten, sprich die Gesamtheit aller wertschöpfenden und nicht wertschöpfenden Geschäftsprozesse, die notwendig sind, um ein Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung herzustellen und anzubieten, wobei der Strom auch über die Unternehmensgrenzen hinausgehen kann.