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Sabine Nadherny-Borutin, ­Generalsekretärin PlasticsEurope Austria © PlasticsEurope Austria

Die Kunststoffindustrie steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Die Notwendigkeit, Produktion und Verwendung von Kunststoffen nachhaltig zu gestalten, ist unumstritten...

... und wird durch die Plastics Transition Roadmap von Plastics Europe, dem europäischen Verband der Kunststofferzeuger, adressiert.

Seit über 100 Jahren sind Wissenschaft und Innovation die treibenden Kräfte unserer Branche. Aus diesem Grund hat Plastics­Europe eine umfassende Strategie entwickelt, die auf vier zentralen Säulen basiert: Regeneration des Materials unter ökologischen, ökonomischen und sozioökonomischen Gesichtspunkten, Steigerung der Ressourceneffizienz, Reduktion der CO₂-Äquivalent-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg und kontinuierliche Innovation. Die Roadmap definiert konkrete Meilensteine für das Jahr 2030, Schlüsselfaktoren als Wegbereiter und legt Indikatoren fest, die den Fortschritt messbar machen. So wird beispielsweise prognostiziert, dass die Substitution fossilbasierter Kunststoffe bis zum Jahr 2030 mehr als 25 % betragen und bis 2050 sogar 65 % erreichen könnte. Die Roadmap bietet darüber hinaus detaillierte Einblicke in die kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen der kunststoffproduzierenden Industrie. 

Es ist unerlässlich anzuerkennen, dass Kunststoffe eine entscheidende Rolle beim Übergang zu nachhaltigen Praktiken spielen und zur Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Sektoren in Europa beitragen. Kunststoffe bleiben für viele Anwendungen unverzichtbar – sei es in der Digitalisierung, Mobilität, im Transportwesen, beim Produktschutz, in medizinischen Anwendungen, im Bauwesen und in der Konstruktion (beispielsweise bei Isolierungen sowie Trink- und Abwasserversorgung), in der erneuerbaren Energieerzeugung, in der Landwirtschaft und beim Schutz von Lebensmitteln. Denn die Bedürfnisse der Verbraucher und die gesellschaftlichen Anforderungen sind jener Fokus, der letztlich nachhaltig zu erfüllen ist. 

Regeneration schafft ­Wirtschaftswachstum
Ressourceneffizienz wird oft mit populistischer Materialsubstitution gleichgesetzt, die nicht immer auf Fakten basiert und häufig ebenfalls primäre Rohstoffe einsetzt. Eine nachhaltige Verwendung von Kunststoff hingegen hinterfragt grundsätzlich, ob ein Produkt überhaupt aus Kunststoff hergestellt werden soll und dessen technisches Potenzial genutzt wird, Primärrohstoffe zu ersetzen und auch Sekundärrohstoffe einzusetzen. Gleichzeitig muss die Frage gestellt werden, ob wir das Produkt an sich, als Gesellschaft benötigen.

Wird das Produkt an sich benötigt, so bedingt dies, sich mit der tatsächlichen Reduktion von Primärrohstoffen durch Nutzbarmachung – Regeneration – von schon in Verwendung befindlichen oder gewesenen, sprich sich in Lagerstätten des Verbrauchs und Gebrauchs befindlichen Sekundärrohstoffen – zu beschäftigen. Nur so ist das Ziel des EU Green Deals, die Entkoppelung des Verbrauches von neuen Primärressourcen vom Wirtschaftswachstum, auch ausnahmslos zu erreichen. 

Die Plastics Transition Roadmap ist eine proaktive Antwort
auf die wachsenden ökologischen Herausforderungen
und steigenden und steigernden Erwartungen der Gesellschaft.
Ihr Ziel ist es, den Sektor in eine zirkuläre und klimaneutrale Zukunft zu lenken.


Investitionen und Anreize für ­geschlossene Kreisläufe
Um Sekundärrohstoffe effektiv herstellen zu können, müssen technologische Innovationen gefördert werden – etwa effizientere Recyclingverfahren, wie das chemische Recycling, sowie die Entwicklung neuer sekundärer Materialien. Dabei ist zu berücksichtigen, dass solche Vorhaben lange Entwicklungszyklen erfordern und Investitionsstaus bei großen Infrastrukturinvestitionen nahelegen. Entscheidungen, die aufgrund rechtlicher Unsicherheiten erst Mitte der 2020er-Jahre getroffen werden können, werden maßgeblich darüber entscheiden, ob die Branche erfolgreich agieren kann.

Da die Wertschöpfungsketten für Kunststoffe noch immer zu linear und degenerativ angelegt sind, führt dies zur Verschwendung vieler wertvoller Ressourcen. Es bedarf einer Bewegung aller vor- und nachgelagerten Hebel – einschließlich der Förderung von Mehrwegprodukten zur Reduktion von Einwegprodukten, recyclinggerechtem Design, mechanischem und chemischem Recycling sowie der Nutzung von Kunststoffen aus Biomasse und CO₂-Abscheidung und -nutzung (CCU).

Darüber hinaus ist eine Anpassung der Infrastruktur erforderlich, um die Sammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen zu verbessern. Hier sollten neue Wege überdacht werden – wie etwa das Konzept einer Gesamtkunststofftonne oder verbesserte Restmüllsortierung. Es sollte auch legitim sein, die Frage stellen zu dürfen, wo der höchste finanzielle Aufwand gesetzt wird. Denn die getrennte Erfassung kostet ebenso Ressourcen – ökonomisch, ökologisch und auch sozial. Innovationen und Innovationsoffenheit sind hier gefragt.

Die Schaffung eines funktionierenden Marktes für recycelte Kunststoffe ist ein weiterer entscheidender Aspekt. Dies erfordert nicht nur hochwertiges Rezyklat, sondern auch Anreize für Unternehmen zur Verwendung recycelter Materialien in ihren Produkten, denn allein das Angebot von Sekundärrohstoffen schafft nicht die Notwendigkeit des Einsatzes. Steuerliche Erleichterungen für Produkte mit nachweisbarem Sekundärrohstoffanteil könnten ein wirtschaftsfördernder Ansatz sein oder eine intensivierte CO₂-Äquivalent-Besteuerung.

Kooperation und Bildung als ­Schlüsselfaktoren
All diese notwendigen Maßnahmen zur Beschleunigung des Wandels wiederum erfordern die enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren: Regierungen, Unternehmen, Verbraucher und NGOs müssen gemeinsam an der Umsetzung der Roadmap arbeiten. Politische Rahmenbedingungen wie als aktuelles Beispiel die Packaging and Packaging Waste Regulation spielen eine entscheidende Rolle. Aber auch die Fragen der Massenbilanzierung bei chemischem Recycling oder der Kriterien für ein Abfallende sind dringlich zu klären. Hier setzt PlasticsEurope Austria – als Gründungsmitglied – seit Jahren erfolgreich auf eine enge Kooperation mit dem Verein Österreichischer Carbon Cycle Circle – Team für nachhaltigen Kohlenstoffkreislauf (ÖCC²).

Letztlich sind das Bewusstsein und das Verständnis der Verbraucher für die Thematik rund um Kunststoffe intensiv zu fördern. Weitere Bildungsinitiativen und Kampagnen sind dringend notwendig, um das Recyclingverhalten zu verbessern und die Akzeptanz für Produkte aus recycelten Materialien zu steigern. Letztendlich entscheidet der Endverbraucher schon bei seinem Kauf darüber, welche Produkte mit welchen Inhaltsstoffen aus welchen Ursprungsländern erworben werden, und nach Gebrauch, ob diese am Ende ihres Lebenszyklus einer Regeneration (Kreislaufwirtschaft) oder einer Degeneration (Verbrennung und Littering) zugeführt werden. (red./PR)

plasticseurope.org