INTERVIEW
50
JUNI 2017
© Gra k Quelle: Atradius Economic Research
KREDITVERSICHERUNG – QUO VADIS?
Schutz vor Forderungsverlusten und laufende Überwachung von Kunden durch
einen Kreditversicherer sind in vielen großen Unternehmen Österreichs tägliche
betriebswirtschaft liche Praxis (ca. 30 Prozent aller B2B-Forderungen sind versichert).
Aber ist das Mittel der Kreditversicherung auch zukünftig noch ein taugliches Instrument?
Wir haben dazu Peter Androsch, Geschäftsführer von
A.C.I.C., Österreichs führendem Kreditversicherungsmakler,
befragt.
Herr Androsch, das digitale Zeitalter macht Information
für jedermann leicht verfügbar. Dies betri t oftmals
auch Finanzdaten von Unternehmen. Wozu braucht
man noch eine Kreditversicherung?
Wenn die Kreditversicherung wieder die zentralen Aufgaben
wahrnimmt, die sie eigentlich zu einem unverzichtbaren
Instrument des Lieferanten gemacht hat, dann ist
ihre Zukunft nicht infrage gestellt. Im Zentrum der Kreditversicherung
stand weniger die „Versicherung“ als die
„Dienstleistung“– also die Informationsrecherche, die Beurteilung
der Ergebnisse und eine transparente Entscheidung,
die dem Lieferanten nicht nur erklärt, sondern auch
mit diesem diskutiert wurde. Die Versicherungskomponente,
also die Übertragung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit
mit all seinen Facetten, ist relativ einfach abbildbar,
während eine umfassende Dienstleistung besondere Anforderungen
an den Versicherer stellt. Am Ende des Tages
sprechen wir von Kosten, die für den Versicherer entstehen.
Es ist kostengünstiger, auf strukturiert verfügbare Informationen
zurückzugreifen, als die eigene Erfahrung, insbesondere
bei Länder- und Branchenrisiken, zu kultivieren und–
einer meiner wesentlichen Kritikpunkte– die Erfahrungen
und Informationen des Lieferanten zu negieren. Die Errichtung
eines „Monopols“ auf unternehmerische Wahrheit
wird nicht funktionieren.
Ist diese Kritik an den Kreditversicherern neu?
Im von mir intendierten Ausmaß ist dies bedauerlicherweise
eine sehr aktuelle Entwicklung. Trotz niedriger Schadensquoten
sind manche Versicherer nur eingeschränkt bereit,
„Digitalisierung“ neu zu denken. Die automatisierte Informationsverarbeitung
ist ja bei Kreditversicherern nicht neu,
sie steht aber mittlerweile dem Lieferanten über verschiedene
Softwaresysteme o en, die auch dessen Datenbasis
nutzen. Man könnte auch sagen, dass die Erhöhung der
Automatisierungsgrade in den Beurteilungssystemen zwar
zu einer deutlichen Beschleunigung der Entscheidungsprozesse
geführt hat, dafür jedoch oftmals eine einseitige
und undi erenzierte Darstellung der Bonität der Abnehmer
und von Länder- und Branchenrisiken erfolgt. Darüber
hinaus werden von manchen Versicherern diese restriktiven
Entscheidungen nicht nachvollziehbar erklärt. Lieferanten
sollen sich eine Beurteilung in der Tiefe und aus verschiedenen
Perspektiven erwarten können. Das setzt aber wieder
Investitionen in die personelle Basis und deren Entwicklung
voraus. Um Daten in den Kontext des Lieferanten zu setzen,
kommt man an Humanressourcen nicht vorbei.
Bleibt Kreditversicherung vor diesem Hintergrund ein
notwendiges betriebswirtschaftliches Instrument?
Davon bin ich trotz aller Kritik sehr überzeugt. Der Auswahl
des zum Geschäftsmodell des Lieferanten optimal passenden
Kreditversicherers kommt jedoch besondere Bedeutung
zu. Kreditversicherung ist am Ende des Tages keine
Preisfrage, vielmehr ist die permanente Verbesserung des
eigenen Kundenportfolios und damit die Verringerung der
Insolvency Matrix 2017
Deteriorating
Luxembourg
Stable
Austria, Canada,
Finland, Germany,
New Zealand,
Norway, Sweden,
United States
Australia,
Switzerland
Belgium, Greece,
Ireland, Italy,
Portugal
Improving
Netherlands United Kingdom
Denmark, France,
Spain
Low Average High