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INDUSTRIE
JUNI 2017
KRITIK AN
CHINESISCHEN
INVESTITIONEN
Die Zunahme chinesischer Übernahmen
von Hochtechnologieunternehmen,
insbesondere im
Bereich Produktion und Maschinenbau,
löst in Europa auch Sorge
aus: Die Beteiligung des chinesischen
Staats an diesen Deals
wird ebenso debattiert wie die
langfristigen Risiken, die mit einem
Ausverkauf von Kerntechnologien
an China einhergehen
könnten. Eine Reihe von kontroversen
Aufkäufen und Übernahmeversuchen in Deutschland
stand dabei im Zentrum.
Insbesondere die Übernahme von Kuka durch Midea befeuerte
Befürchtungen über einen Ausverkauf deutscher
Technologien. Das chinesische Angebot für den Chiphersteller
Aixtron wiederum rückte die Fallstricke einer staatlichen
chinesischen Beteiligung an solchen Übernahmen
ins Zentrum. Die Bundesregierung setzte 2016 deutliche
Zeichen, indem sie gleiche Bedingungen für deutsche Unternehmen
in China einforderte, chinesische Investitionen
stärker überprüfte, wenn sie eine Bedrohung nationaler
Sicherheitsinteressen befürchtete, und die zunächst
erteilte Zustimmung zur Übernahme von Aixtron wieder
rückgängig machte. Letztlich wurde die Übernahme gestoppt,
weil die US-Regierung den Verkauf des
amerikanischen Anteils am Unternehmen
blockiert hatte.
AUSBLICK 2017
Die Autoren der Studie, Thilo Hanemann und
Mikko Huotari, warnen davor, die Wachstumszahlen
chinesischer Investitionen im letzten
Jahr auch in die Zukunft zu projizieren. Stattdessen
könnte der chinesische Expansionskurs
schon bald deutlich an Fahrt verlieren.
Zum einen wegen der Versuche der chinesischen
Regierung, den Kapitalabfl uss ins Ausland
stärker zu kontrollieren, zum anderen
wegen der wachsenden Befürchtungen europäischer
Länder vor einem Ausverkauf von
Kerntechnologien an China. Die Autoren argumentieren,
die Zuwächse bei den chinesischen
Auslandsinvestitionen seien 2016 so dramatisch
gewesen, dass die chinesische Führung
nun auf die Bremse tritt und das Tempo des
Kapitalabfl usses zu drosseln versucht. Angesichts des verlangsamten
Wirtschaftswachstums im Inland, von Risiken
im Finanzsystem und des Abwertungsdrucks auf die chinesische
Währung hat Beijing bereits damit begonnen,
Auslandsinvestitionen stärker zu überprüfen und gegen
unerwünschte Transaktionen vorzugehen. Wie Europa
künftig auf Investitionen aus China reagiert, hängt aus
Sicht der Autoren in erster Linie von Chinas Reformfortschritten
ab. Nur wenn China die Rolle des freien Wettbewerbs
stärke und gleiche Bedingungen für ausländische
Unternehmen schaµ e, werde man in Europa chinesische
Investitionen als für alle Seiten gewinnbringend ansehen
können. Ein Durchbruch in den Verhandlungen über ein
bilaterales Handelsabkommen könnte ebenfalls ein wichtiges
Signal senden. Wenn China dagegen weiterhin mit
fehlendem Reformwillen nach innen und außen enttäusche,
sei eine wachsende Abwehrhaltung gegenüber chinesischen
Investitionen in Europa unvermeidbar.
INDUSTRIESTAATEN BRAUCHEN KLUGE
ANTWORTEN
Entscheider in Politik und Wirtschaft sollten sich nicht
von kurzfristigen Geschäftschancen täuschen lassen, die
„Made in China 2025“ für ausländische Hightech-Hersteller
bereithalte, heißt es in der Studie. Am Ende gehe es
der chinesischen Führung darum, ausländische durch chinesische
Technologien zu ersetzen.
Kluge Antworten auf Chinas Strategie sind nötig. Europa
empfehlen die MERICS-Autoren eine erweiterte Palette
Chinesische Auslandsinvestitionen haben im
Jahr 2016 erneut ein Rekordniveau erreicht.
Das Investitionsvolumen stieg weltweit auf etwa
200Milliarden US-Dollar (180Mrd. Euro).