Die Angst und ihr Ende
Oder: Sinn ist auch der natürliche Gegner der Angst
Angst ist zum „Grundrauschen“ im Alltag vieler Menschen geworden. Angst vor
den Unwägbarkeiten der Märkte, dem „Fremden“, den Bocksprüngen der Politik,
dem Unbekannten, der angeblichen Verkommenheit des Systems, Angst vor der
Veränderung oder auch schlicht vor dem eigenen Versagen und den damit
verbundenen ökonomischen, sozialen und emotionalen Verwüstungen.
62 STUDIEN- & BILDUNGSGUIDE 2017
Text: Dr. Hannes Sonnberger
Angst ist ein (diffuses) Grundgefühl in
bedrohlich empfundenen Situationen.
Angst ist Emotion und sozial schlecht vertretbar
(dekodiert als Feigheit). Es ist halt nicht so cool zu
sagen: „Ich habe Angst.“
Sorge wird aus dem Intellekt gespeist und ist
sozial entsprechend hoch angesehen, weil sie eine
vernünftige Vorschau suggeriert. Die sogenannten
„besorgten Bürger“ würden wohl selbst davor
zurückschrecken, sich „ängstliche Bürger“ zu nennen,
auch wenn ihr Verhalten viel eher der Angst
entspricht als der Sorge.
Angst kommt von Enge (= Verengung von
Perspektive und Optionen/„Tunnelblick“).
Furcht ist konkret, auf ein Objekt oder eine
Person gerichtet. Furcht ist das Gefühl einer konkret
fassbaren Bedrohung. Meist rational begründbar
und wirklichkeitsgerecht („Realangst“). In
Ziele umkehrbar. Minimum: „Vermeidungsziele“.
Ideal: „Erreichungsziele“.
In der Gegenbewegung bezeichnet Mut die
Fähigkeit, ein Wagnis einzugehen. Mut generiert
Risikobereitschaft für die positive
Herausforderung. Sich gegen Widerstand und
Gefahren für eine als richtig und notwendig
erkannte Sache einsetzen.
Tapferkeit ist das Durchhaltevermögen (auch
mental!) in schwierigen Situationen. Der/Die
Tapfere ist bereit, aus Erfahrungen zu lernen, und
fähig zur Kontinuität. Tapfere Menschen halten
durch, wenn sie lange krank sind. Oder bleiben
ausdauernd, wenn sie an ein Ziel glauben, die
Erreichung dieses Ziels aber anstrengend und mit
Rückschlägen verbunden ist.
Meine These: Angst verhält sich zu Mut wie
Furcht zu Tapferkeit.
Angst sehnt sich nach Reduktion von Komplexität,
nach einfachen Lösungen. Angst scheut Fakten.
Fakten stehen für Komplexität. Komplexität für
Verschwörung. Angst ist in dieser unangenehmen
Gemengelage der Hebel für kollektive Unvernunft.
Angst möchte Angst bleiben dürfen.
Keine Angst zu haben ist aber nicht immer ein
Zeichen von Mut oder Tapferkeit, sondern oft
auch ein Resultat von Erfahrung. (Oder auch von
Naivität.)
Gegenpole zur Angst können also sein: Vernunft,
Wissen, Erfahrung, Vertrauen. In Summe:
Sicherheit.
Es geht also nicht um die Vermeidung von
Risiken (Komfortzone!), sondern um „Lernen“ als