
COACHING-ZONE
Souveränität: Selbstherrlichkeit oder Selbstbestimmung?
Perfektionismus oder Fehlerkultur? Selbstrefl ektierte
Führung oder Willkür nach Gutsherrenart?
Abstand zu sich selbst gibt dem Anstand eine Chance.
50 NEW BUSINESS | JUNI 2018
Foto: Beigestellt • Illustration: Claudia Molitoris
V ielleicht liegt es ja an den Umständen, mit
denen wir seit wenigen Jahren konfrontiert
sind: Selbstherrliche, narzisstische, bis zur
Lächerlichkeit selbstverliebte Führungskräfte
auf der internationalen politischen und wirtschaftlichen
Bühne (meist Männer!). Oder ist es eine
gewisse Ernüchterung, die den Glauben an den „guten
Menschen“ durch ungezählte
konkrete Erfahrungen des
glatten Gegenteils unterminiert
hat. Die Kraft der Selbstreflexion,
des wohlwollendkritischen
Umgangs mit den
eigenen Weichenstellungen,
scheint keine besonders hohe
Konjunktur zu haben. Das
Beharren auf sogar als objektiv
falsch erwiesenen Sachverhalten
siegt über das Eingeständnis
des Irrtums. Fake News
triumphieren über die schwer
verdauliche Tatsache.
Fehler zugeben macht stark
Im Führungsalltag in der Wirtschaft
kann so eine Verhärtung
der Perspektiven schreckliche
Konsequenzen haben. Ich habe einmal einen Teamleiter
gecoacht, der in der Analyse des Coaching-Gesprächs
feststellen musste, dass er in einer sehr wichtigen geschäftlichen
Angelegenheit falsch entschieden hatte.
Die Konsequenz waren viele leere Kilometer, die sein
Team gelaufen war. Und: Kein Eingeständnis dem Team
gegenüber, dass nun einmal eine Fehlentscheidung des
Chefs passiert war. Ich schlug vor, dem Team kooperativ
gegenüberzutreten und die falsche Entscheidung
zuzugeben. Und das Team um seine weitere Loyalität
zu bitten, man werde alles gemeinsam wieder reparieren,
schließlich ging es ja nicht um eine Operation am
offenen Herzen und die Lage ließe sich ja auch wieder
sanieren. Große Entrüstung seitens meines Kunden.
Das ginge wohl gar nicht, wo käme man da hin, da
würde doch die Achtung des
Teams verloren gehen. Später
rief mich sogar der Chef des
Teamleiters an und beschwerte
sich bei mir, welchen halsbrecherischen
Schwachsinn
ich seiner Führungskraft da
einrede.
Wochen später: Alarm! Ich soll
sofort anrücken, das gesamte
Team hätte die Arbeit niedergelegt
und dem Teamleiter die
Gefolgschaft versagt. In einem
Dutzend Einzelgespräche hat
mir jedes Teammitglied die
gleiche Botschaft vermittelt:
Wenn unser Chef bloß einmal
zugeben könnte, dass auch er
Fehler macht – wir würden
ihn auf den Schultern um den
Häuserblock tragen. Souveränität.
Zugeben können, dass man Mensch ist. Und nicht
Gott. Offen re ektieren, was falsch läuft und was der
eigene Anteil daran ist. Den Lösungsmodus ankicken
und beherzt nach vorne gehen. Vom toten Pferd absteigen
und sich bewegen. Selbstbewusst. Selbstbestimmt.
www.drsonnberger.com
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: sein neues Sachbuch „Tool Box“.