COVERTHEMA
Die fünf Phasen bei der Bewältigung einer Krise: Prevent, Prepare, Protect, Respond und Recover. Wird die Leistung im Zeitverlauf betrachtet, wird
deutlich, wie gut das Unternehmen oder die Organisation reagiert und in welcher Phase es noch Verbesserungsbedarf gibt.
APRIL 2021 | NEW BUSINESS 25
Fotos: Peggy und Marco Lachmann-Anke/Pixabay (1), Fraunhofer (2+3)
Was macht das Thema eigentlich so
komplex?
Ein auch langfristig erfolgreiches Resilienzkonzept
beinhaltet viel mehr als
nur die Fähigkeit, Schocks und Krisen
mit einer gewissen Robustheit zu begegnen
und danach schnell wieder den
alten Zustand herzustellen. Ziel ist es
vielmehr, während einer Krise die
Kernfunktionen in Bereichen wie Wirtschaft,
Gesundheits- oder Bildungswesen
aufrechtzuerhalten sowie aus den
Erfahrungen zu lernen und dementsprechend
gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Voraussetzungen hierfür
sind aus Sicht der Autorinnen und Autoren
der Studie drei wesentliche Kompetenzen.
Erstens müssen Organisationen
oder Unternehmen in der Lage sein,
schnell und agil auf Störereignisse zu
reagieren. Zweitens sollten sie Warnzeichen
oder Indikatoren für das Aufziehen
von Krisen frühzeitig erkennen und
schnell Gegenmaßnahmen einleiten.
Und drittens ist es entscheidend, kontinuierlich
aus Krisen zu lernen und diese
Erkenntnisse in innovative Maßnahmen
und dynamische Strukturen zu
verwandeln. Jakob Edler vom Fraunhofer
Institut für System- und Innovationsforschung
ISI, einer der Autoren der
Studie, fasst zusammen: „Resilienz bedeutet,
schnell und exibel auf Schocks
und Krisen zu reagieren und sich mittels
Innovation an neue Situationen anzupassen.“
Transformation aktiv mitgestalten
Edler weist zudem auf die Rolle von
Entwicklungen wie Digitalisierung und
Energiewende hin: „Diese tiefgreifenden
Transformationsprozesse müssen wir
aktiv gestalten und dabei die Resilienz
von Anfang an mitdenken“. Gerade die
Digitalisierung erhöht die Komplexität
der Systeme und damit die Gefahr von
Störungen. Durch Kaskadeneffekte könnten
aus begrenzten regionalen Störfällen
ernste systemische Bedrohungen werden.
Um dies zu verhindern, fordert das
Fraunhofer-Konzept ein tiefgehendes
und ganzheitliches Verständnis der eigenen
Strukturen. Das gilt für Unternehmen
ebenso wie für Behörden oder
Einrichtungen der lebenswichtigen Bereiche
wie Gesundheitswesen, Energie-
und Wasserversorgung. Erst eine tiefe
Analyse aller Strukturen und Arbeitsabläufe
bringt die verborgenen Schwachstellen
und Risiken an den Tag. Entscheidend
dabei: Die technische Betrachtung
allein genügt nicht. Eine nachhaltige,
systemische Resilienz berücksichtigt
immer auch den menschlichen Faktor.
Die Technik muss robust und die Mitarbeitenden
müssen auf Störfälle vorbereitet
sein. „Wir nutzen systemische
Ansätze, um die Resilienz sowohl von
einzelnen Organisationen als auch beispielsweise
von komplexen Lieferketten
und ganzen Volkswirtschaften holistisch
zu betrachten. Die Erkenntnisse daraus
tragen zu deren Stärkung bei“, erklärt
Florian Roth, Projektleiter am Fraunhofer
ISI.
Bessere Resilienz, bessere
Wettbewerbsfähigkeit
Nach Überzeugung der Forscherinnen
und Forscher zahlen sich Investitionen
in Resilienz auch ökonomisch aus. Unternehmen,
die proaktiv und flexibel
agieren, meistern nicht nur Krisen viel
besser sondern exibilisieren auch ihre
Geschäftsprozesse und stärken ihre Innovationsfähigkeit.
„Politik und Wirtschaft
haben mittlerweile erkannt, dass
Resilienz ein zentrales Element der strategischen
Planung sein muss. Wer jetzt
schnell und entschlossen Prozesse und
Infrastrukturen resilient gestaltet, der
hat auch klare Wettbewerbsvorteile“,
sagt Stefan Hiermaier vom Fraunhofer
Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-
Mach-Institut, EMI.
Von dieser Einsicht können auch kleine
und mittlere Unternehmen (KMU) pro-
tieren. Speziell für sie haben Fraunhofer
Forschende das kostenlose Onlinetool
Fraunhofer Resilience Evaluator (FReE)
entwickelt. Unternehmen können mithilfe
eines webbasierten, interaktiven
Fragebogens ihre Resilienzfähigkeiten
erfassen, analysieren und visualisieren.
Auf dieser Basis lassen sich konkrete
technische oder organisatorische Maßnahmen
entwickeln, um die Resilienz
weiter zu verbessern. BO
www.emi.fraunhofer.de
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