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20 NEW BUSINESS | OKTOBER 2018
Fotos: dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss, Freepik
Sehen Sie Parallelen zwischen der Gig Economy und
dem Modell der Zeitarbeit?
Ja, hier sehe ich schon Parallelen. Es gibt ja mehrere
Begriffe für Arbeitskräfteüberlassung, aber Zeitarbeit
ist in diesem Kontext ein passender Begriff, denn: der
Uber-Fahrer startet zu dem Zeitpunkt los, an dem er
von Ihnen bestellt wird. Das ist eine Analogie, die man
generell für die Wirtschaft schließen kann. Denn macht
es nicht Sinn, Arbeit und Leistung dann zu liefern, wenn
sie auch nachgefragt sind? Man kann dieses Konzept
also verteufeln oder – was mir näher liegt – sich den
Rahmenbedingungen als Unternehmen anpassen und
sich mit der Nachfrage weiterentwickeln. Warum wir
uns in Österreich über diese Modelle aufregen, ist, weil
wir immer noch sehr starre Arbeitszeitregelungen haben
und diese neuen Modelle anecken.
Ist Zeitarbeit ein Modell der Zukunft?
Zeitarbeiter verbindet man ja immer noch stark mit Blue
Collar, also Arbeiter in der Fabrik. Man hat einen Zusatzauftrag
vor Augen, für den möglichst schnell exible
Mitarbeiter gebraucht werden. Bei uns ist das Geschäft
aber mittlerweile 60:40 – also 60 Prozent Blue Collar,
40Prozent White Collar. Der White-Collar-Bereich ist
bei Trenkwalder also stark ausgeprägt, vor allem in sehr
spezialisierten Berufen wie etwa im IT-Bereich. Ein
Mitarbeiter, der auf Cybersicherheit spezialisiert ist, ist
in der Regel Mitte bis Ende Zwanzig, gut ausgebildet
– klassische Generation Y. Glauben Sie, dass Sie den mit
einem 9-to-5-Job anlocken können? Diese Menschen
arbeiten oft lieber projektbezogen, teilweise lieber drei
Tage durchgehend als nur acht Stunden am Tag. Sie
wollen zum einen schnell das zugrundeliegende ITProblem
lösen, aber natürlich auch gutes Geld verdienen,
wenn der Fall gelöst ist – zu Recht! Im Anschluss gönnen
sie sich gerne zwei Wochen Auszeit. Wir haben
genug Leute, die nach einem Projekt einen Monat auf
Weltreise fahren und danach wieder einsteigen. In der
Regel sind es Menschen, die noch keine Familie haben.
Das sind neue Ansprüche am Arbeitsmarkt, wo wir als
Wirtschaftsstandort Rahmenbedingungen schaffen und
als Arbeitgeber reagieren müssen. Sonst brauchen wir
uns nicht beschweren, dass die Menschen lieber für
amerikanische oder asiatische Konzerne arbeiten
– genau auf dieser Projektbasis.
Gehen die Bedürfnisse der sogenannten
Millennials und die Bedürfnissen der
Unternehmen auseinander?
Vielmehr glaube ich, dass die Erwartungen
auseinandergehen zwischen dem, was Mitarbeiter
wollen, und dem, was die Arbeitgeber
bieten dürfen. Beim Beispiel Eventgeschäft:
Hier braucht man für einen sehr kurzen Zeitraum
sehr viele Mitarbeiter. Die gesetzliche
Mindestruhezeit einzuhalten ist schwer. Wenn
der Mitarbeiter bis zwei Uhr morgens arbeitet,
darf er gesetzlich nicht wieder um 6 Uhr beginnen,
zu arbeiten. Auch wenn die Mitarbeiter
das wünschen, ist es nicht erlaubt. Der
Arbeitgeber haftet sonst.
Sehen Sie die Personalbranche gefährdet
durch die Automatisierung?
Ich fürchte mich hier überhaupt nicht. Alle
reden von Industrie 4.0 und von Artificial
Intelligence und dass wir alle keine Verwendung mehr
für Arbeitskräfte nden werden. Und auf der anderen
Seite sind die Zeitungen vollgespickt mit den Horrorszenarien,
wie viel Hunderttausende Facharbeitskräfte
uns fehlen aufgrund der demogra schen Entwicklung
– die Baby Boomer gehen ja langsam in Pension. Durch
die Automatisierung werden manche Jobs verloren
gehen, dafür aber andere Jobs entstehen. In meinem
Tagesgeschäft merke ich, dass wir mehr Bewerber brauchen,
und nicht, dass wir mehr Jobs brauchen. Der Fachkräftemangel
macht mir also mehr Sorgen als die Automatisierung.
Haben Sie Lösungsansätze, wie man den Fachkräftemangel
in den Griff bekommen könnte?
Ein Lösungsansatz wäre, die geschätzten 30.000 Asylberechtigten,
die in Österreich arbeitslos gemeldet sind,
auf konkrete Positionen, die offen sind, auszubilden.
Ich biete mich hiermit gerne an! Die allgemeinen Kurse
Zeitarbeit wird
oft mit Blue
Collar-Arbeit
gleich gesetzt
– also Industriearbeiter
und
Handwerker.
Trenkwalder
möchte dieses
Vorurteil
widerlegen.