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M edienberichte über vorgeworfene antisoziale
16 NEW BUSINESS | JULI/AUGUST 2021
und delinquente Verhaltensweisen von
Unternehmern sind keine Seltenheit. Da
liegt es nahe, sich berechtigte Fragen zu
stellen: Sind Unternehmer eine besonders eigennützige
Spezies mit eigenen moralischen Vorstellungen und
ethischen Prinzipien? Gibt es den unternehmerischen
„Homo oeconomicus“ wirklich – einen Typus der zuallererst
auf den eigenen Nutzen und Gewinn schaut
und sich von ethischen und sozialen Prinzipien lossagt?
Und wenn ja: Was macht ihn aus?
Diesen Fragen sind Psychologen der Friedrich-Schiller-
Universität Jena (FSU) gemeinsam mit schwedischen
Kollegen der Universität Stockholm nachgegangen. Bei
ihrer Suche nach antisozialen Tendenzen in den Lebensläufen
von Unternehmensgründern kam das Wissenschaftlerteam
zu verblüffenden Ergebnissen.
Daten von 1.000 Kindern aus 40 Jahren
Für ihre Forschung haben die Psychologen eine schwedische
Längsschnittstudie genutzt. In der Untersuchung
„Individual Development and Adaptation“ wurden
alle Sechstklässler eines Jahrgangs (ca. 1.000 Kinder)
einer schwedischen Mittelstadt erfasst und über einen
Zeitraum von 40 Jahren begleitet. „Wir haben diese
Daten auf die Frage hin untersucht, wer von den Studienteilnehmern
später Unternehmergeist gezeigt und ein
eigenes Unternehmen in der beru ichen Karriere gegründet
hat und was diese Personen für ein Sozialverhalten
an den Tag gelegt haben“, erklärt Martin Obschonka
vom Center for Applied Developmental Science
der Universität Jena. Dazu analysierten die Forscher
umfangreiche Daten zu regelwidrigen Verhaltensweisen
und Einstellungen der Probanden. Diese antisozialen
Tendenzen bezogen sich sowohl auf die Jugend als auch
das Erwachsenenalter und es wurden zudem umfangreiche
Archivdaten zu polizeilich registrierten und
sanktionierten Straftaten ausgewertet.
Antisoziale Tendenzen in den Lebensläufen der
Unternehmer nachweisbar
Auf der einen Seite ließen sich in der Tat systematische
antisoziale Tendenzen in den Lebensläufen der Unternehmer
nachweisen. Unternehmensgründer zeigten im
Vergleich zu anderen, die kein Unternehmen
gründeten, verblüffende Wesenszüge. Die
späteren Gründer hatten nämlich in ihrer
Jugend eine deutlich höhere Tendenz zu
regelwidrigem Verhalten in der Schule, zu
Hause im Umgang mit ihren Eltern sowie
in der Freizeit. „Doch die Studie zeigt eben
auch noch eine andere Seite der Unternehmertypen“,
so Obschonka. Als Erwachsene
gab es hinsichtlich der antisozialen Tendenzen
nämlich keine Unterschiede mehr
zu den Nicht-Gründern. Zudem verweisen
die Daten darauf, dass sich die frühen antisozialen
Tendenzen bei den Gründern auf
„geringere Vergehen“ beschränken. Die
Analysen der polizeilichen Kriminalitätsdaten
ergab nämlich, dass sich Unternehmer
von anderen in Bezug auf behördlich geahndetes
kriminelles Verhalten nicht signi
kant unterschieden – weder in der Jugend
noch im Erwachsenenalter. „Die
Daten sprechen dafür, dass im Durchschnitt
die Unternehmer keine kriminelleren Karrieren
haben als die Nicht-Gründer“, erläutert
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Obschonka. „Ebenso zeigte sich kein Unterschied
in antisozialen Einstellungen“.
Unternehmensgründer zeigen Nähe zu
Nonkonformismus und Mut zur Rebellion
Der Drang zu regelwidrigem Verhalten sei in der Jugend
allerdings deutlich vorhanden. „Daraus folge jedoch
nicht die Konsequenz, dass im Erwachsenenalter noch
immer notorisch Regeln gebrochen und antisoziales
Verhalten an den Tag gelegt werden müsse“, sagt Martin
Obschonka. Somit entsprechen die gefundenen Verhaltensweisen
von Unternehmensgründern eher nicht
dem gängigen Vorurteil: „Es wird oft behauptet, dass
sie von der Persönlichkeit her eher antisozial und nur
auf ihren eigenen Nutzen bedacht sind“, beschreibt der
Jenaer Psychologe die Klischees. Für Unternehmens-
Rebellisches
Verhalten in der
Kindheit und
Jugend als Basis
für sozial-
verträglichen
Unternehmergeist