COVERTHEMA
Irritation, Ärger und Verwunderung
»Es braucht Personen, die bewusst für Irritation, Ärger und Verwunderung
auch tatsächlich grundlegende Veränderung in Gang bringen. Sich
über Ideen nett auszutauschen, ist in der Regel zu wenig.«
Fred Luks, Ökonom und Experte für Transformation, CSR und Sustainability
JULI/AUGUST 2021 | NEW BUSINESS 17
Fotos: Jason Rosewell/Unsplash (1), Christina Haeusler (2)
gründer ist es entscheidend, Innovation
und Visionen zu verwirklichen.
Um diese ungewöhnlichen
und risikobehafteten Wege gehen
zu können, gibt es oft eine Nähe
zu Nonkonformismus. Dieser Mut
zum Ungewöhnlichen und zum
Neuen könnte seine Entwicklungsvorläufer
im regelwidrigen Verhalten
in der Jugend haben. „Wie die
sorgen – Dinge tun, die sich andere nicht trauen, und dadurch
Daten nahelegen, führt ein rebellierendes Verhalten
gegen gesellschaftlich akzeptierte Normen in der Jugend
und ein frühes Infragestellen von Grenzen nicht unbedingt
zu kriminellen und antisozialen Karrieren, sondern
kann durchaus die Grundlage für späteren produktiven
und sozial verträglichen Unternehmergeist sein“, so
Obschonka. Eine Risikoneigung, die sich schon in der
Jugend zeigt, spiele dabei eine wichtige Rolle für die
späteren Entwicklungen.
Rebellische Wege aus der Krise
Die Historie hat uns gezeigt: Die großen Meilensteine
der Gesellschaft wären ohne Rebellen nie geschehen.
Das Frauenwahlrecht oder das Ende der Apartheid zum
Beispiel. Allerorts gingen Menschen als treibende Kräfte
voran, setzten sich leidenschaftlich und mit vollem
Einsatz über Konventionen und Normen hinweg – und
riskierten dabei sogar ihr Leben. Auch im unternehmerischen
Kontext gehen Freigeister oftmals große Risiken
ein, um mit unkonventionellen Methoden und Maßnahmen
ihre Existenzen zu retten, wie z.B. der brasilianische
Unternehmer Ricardo Semler. Als Semco S/A,
das Maschinenunternehmen seines Vaters, in den 1980er-
Jahren immer tiefer in die Krise zu schlittern drohte,
riss er das Steuer herum, indem er alle Regeln und
Konventionen über Bord warf. Unter seiner Leitung
wurden unnötige Sitzungen, über üssige Vorschriften
und sogar Managementpositionen abgeschafft. Den
Angestellten wurden hingegen neue Freiheiten ermöglicht.
Sie durften selbst über ihre Arbeitszeit sowie ihren
Lohn entscheiden. Das Ergebnis: In den Jahren 1990 bis
1996 stieg der Umsatz des Unternehmens von 35 Millionen
auf 100 Millionen US-Dollar. Die Maßnahmen, die
zuvor unvorstellbar gewesen waren, katapultierten das
angeschlagene Unternehmen nicht nur aus der Krise,
sondern machten Ricardo Semler und sein „Semco
System – Management ohne Manager“ zum „Lateinamerikanischen
Geschäftsmann des Jahres 1990“.
Aktiv mitgestalten statt reagieren
„Unternehmen sind heute angesichts des steigenden
Veränderungs- und Digitalisierungsdrucks gefordert,
bisherige Prozesse und Geschäftsmodelle von Grund
auf infrage zu stellen – um nicht nur zu adaptieren und
zu reagieren, sondern auch die Zukunft mitzugestalten.
Nach dem Motto ‚It’s better to disrupt yourself than to
be disrupted‘ benötigt eine erfolgversprechende Innovationskultur
zuallererst Menschen, die Glaubens-,
Denk- und Verhaltensmuster aufbrechen“, ist auch Barbara
Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy
überzeugt. Aus diesem Grund haben Markus Platzer,
„provokativer“ Coach für Führungskräfte, Andersdenker
und Trainer, und Fred Luks, Ökonom und Experte
für Transformation, CSR und Sustainability, gemeinsam
mit der WU Executive Academy das Kurzprogramm
„Awaken your inner rebel“ entwickelt, um Managern
und Führungskräften dabei zu helfen, den Rebellen in
ihnen zu erwecken. Die beiden sind auch selbst in ihrer
Karriere rebellisch in Konzernen unterwegs gewesen.
Heute beraten sie Unternehmen und Führungskräfte
dabei, Veränderung zu begrüßen, dafür passende Rahmenbedingungen
zu schaffen und dadurch Innovation
möglich zu machen.
Wann unternehmerisches Rebellentum funktioniert
Rebellen sind per De nition Menschen, die Regeln und
Autoritäten hinterfragen, herausfordern und bewusst
umgehen. „Dringend notwendige Veränderung ist in
Unternehmen nicht immer positiv besetzt und wird oft
mit diversen Mitteln verhindert“, sagt Markus Platzer.
„Es braucht Personen, die bewusst für Irritation, Ärger
und Verwunderung sorgen – Dinge tun, die sich andere
nicht trauen, und dadurch auch tatsächlich grundlegende
Veränderung in Gang bringen. Sich über Ideen
nett auszutauschen, ist in der Regel zu wenig.“
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INFO-BOX
Meiste Rebell:innen in der IT/Telekom-Branche
Mit 70 % der Unternehmen, die angeben, „Rebellinnen“
und „Rebellen“ in ihren Reihen zu haben, liegt der IT- und
Telekom-Sektor am deutlichsten über dem Gesamtdurchschnitt
von 59 %. An zweiter Stelle liegt das Sozial- und
Gesundheitswesen mit 66 %. Im Vergleich sind im Finanzwesen
in 53 % der Unternehmen diese Mitarbeitenden
unterdurchschnittlich vertreten.
(Quelle: Hernstein Management Report)