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DEZEMBER 2021 | NEW BUSINESS 19
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Bei gleichzeitigem
Wachsen der Wirtschaft
fehlt der
Arbeitsmedizin
der Nachwuchs.
es gibt zu wenig Nachwuchs bei gleichzeitigem Wachsen
der Wirtschaft. Gesundheitspolitisch wird über
Krankenhäuser und Gesundheitszentren diskutiert. Die
Arbeitsmedizin müsste sichtbarer gemacht werden,
denn sie wirkt als Ankerpunkt noch vor der kurativen
Grundversorgung. „Viele Menschen gehen erst zum
Arzt, wenn sie ein Problem haben. Prävention kann dem
vorbeugen. Die Arbeitsmedizin erreicht hier auch diejenigen,
die sich sonst zu wenig um ihre Gesundheit
kümmern“, stellte Artur Wechselberger, Präsident der
Ärztekammer für Tirol und Leiter des Referats Arbeitsmedizin
der Österreichischen Ärztekammer, fest. „Solche
Qualitäten und deren gesamtgesellschaftliche Wirkung
müssen ins Blickfeld gerückt werden.“ All das
wäre nicht mehr möglich, wenn dem Erfolgsrezept
Arbeitsmedizin das Personal fehle.
Ausbildung und Forschung als Schlüssel
Oft wechseln Mediziner aus pragmatischen Gründen
in die Vorsorge und erkennen erst dann, wie spannend
und vielfältig dieser Bereich ist. „In der Ausbildung
haben sie dazu wenig Möglichkeiten, die Arbeitsmedizin
ist in Österreich – außer in Wien – kein großes Thema
im Studium. Das muss sich dringend ändern. Bereits
die jungen Studierenden müssen die Prävention in ihrer
Bedeutung erkennen können“, forderte Richard Crevenna
von der Medizinischen Universität Wien. Er leitet
die Universitätsklinik für Physikalische Medizin,
Rehabilitation und Arbeitsmedizin, an der die Prävention
namhaft vertreten ist. Sein Institut befasst
sich zudem mit der Forschung zu arbeitsbezogenen
Themen wie Ergonomie oder Long
Covid.
Aus deutscher Perspektive zeichnet Thomas
Kraus ein anderes Bild zu arbeitsmedizinischer
Lehre und Forschung: „An unserer
Hochschule haben wir derzeit 40 wissenschaftliche
Mitarbeiter in interdisziplinären
Teams und unterschiedlichen Spezialgebieten“,
schilderte der Leiter des Institutes für Arbeits-,
Sozial- und Umweltmedizin an der Uniklinik RWTH
Aachen. Die Forschung werde weitgehend durch die
Einwerbung von Drittmitteln ermöglicht, vor allem aus
Berufsgenossenschaften und der Industrie. Die Ergebnisse
nutzen dem Arbeitnehmerschutz wie der Volkswirtschaft.
„In der studentischen Ausbildung ist es
essenziell, die Schnittstellen zwischen kurativer und
präventiver Medizin entlang des gesamten Studiums
aufzuzeigen“, so Kraus, nur dadurch könne das Verständnis
für die Notwendigkeit der Vorsorge geschaffen
werden.
Berufsbild im Setting „Unternehmen“
ÖGA- Präsident Karl Hochgatterer rief zusammenfassend
die De nition des Berufsbilds der Arbeitsmediziner in
Erinnerung: „Die arbeitsmedizinische Tätigkeit ndet
immer im Setting ‚Unternehmen‘ statt. Im Zentrum
steht der Arbeitnehmerschutz durch präventivmedizinische
Aufgaben. Dazu kommt das Management der
beru ichen Wiedereingliederung“. Damit unterstützen
die Arbeitsmediziner die Arbeitgeber bei der Erfüllung
ihrer gesetzlichen P ichten: Beim Gesundheitsschutz,
bei der auf die Arbeitsbedingungen bezogenen Gesundheitsförderung
und bei der menschengerechten Arbeitsgestaltung.
„Dies gilt es nicht nur zu erhalten, sondern
auch zu fördern. Der aktuelle Mangel dünnt das System
aus und führt zu einer Überlastung der aktiven Arbeitsmediziner.“
BO
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Arbeitsmedizin im Studium
»Die Arbeitsmedizin ist in Österreich – außer in Wien – kein
großes Thema im Studium. Das muss sich dringend ändern.
Bereits die jungen Studierenden müssen die Prävention in
ihrer Bedeutung erkennen können.«
Ao. Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna, MMSc., MBA, MedUni Wien