INNOVATIVE INDUSTRIE
66 NEW BUSINESS • INNOVATIONS | DEZEMBER 2021
Fotos: Caroline Begle
ENERGIEEFFIZIENZ ERFORDERT DAS INEINANDERGREIFEN
UNTERSCHIEDLICHER DISZIPLINEN
Seit dem Start im Jahr 2015 hat das Projektteam des „Low-Tech
Gebäudes“ unter der Leitung des Energieinstituts Vorarlberg,
ein Ziel verfolgt: Ein Gebäude zu entwickeln, das energieef -
zient und behaglich für die Bewohner ist, jedoch weniger stark
gesteuert, automatisiert und technisiert. „Man kann auch mit
einer ganz kleinen Heizung auskommen, wenn die Gebäude
gut gedämmt sind“, so Erber. Auf die Kühlung des Gebäudes
wollte das Team ganz verzichten. Eine Überhitzung ist laut der
Expertin nämlich bereits durch die richtige Architektur vermeidbar.
„Erst wenn diese an ihre Grenzen stößt, sollte die
Haustechnik zum Einsatz kommen. Es wäre wichtig, dass
alle Beteiligten von Anfang an an einem Tisch sitzen und sich
gemeinsam abstimmen. Dieses Ineinandergreifen der unterschiedlichen
Disziplinen wurde in den letzten Jahrzehnten
stark vernachlässigt.“
NACHHALTIGE DÄMMUNG SPART RESSOURCEN
Im Kontext der sogenannten grauen Energie, also jener Energiemenge,
die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf
und Entsorgung eines Produktes – oder eines Gebäudes – aufgewendet
werden muss, setzt das Low-Tech-Gebäude auf regionale
Materialien in der Gebäudehülle. Um größtmögliche
Ressourcen zu sparen, sollte diese laut Sabine Erber entweder
sehr dick oder gut gedämmt sein. Dafür eignet sich zum Beispiel
Stroh, Zellulose, Holzfaser, Hanf oder Flachs. Klassische Dämmstoffe,
die in der Bauindustrie zum Einsatz kommen, wie Styropor
oder Polyurethan (PU) sind Erdölprodukte, auf die im
Sinne der Nachhaltigkeit wenn möglich verzichtet werden
sollte. „Wenn keine Wärme durch die Hülle verloren geht, muss
man kaum heizen. Je intensiver das Gebäude genutzt wird,
umso weniger.“
WENIGER TECHNIK, WENIGER AUFWAND
Eine der spannendsten Phasen war für die Architektin die
Arbeit in und mit den Pilotgebäuden. Dabei wurden zwei bis
drei Gebäude bei laufendem Betrieb pro Projektpartner begleitet.
In gemeinsamen Workshops mit Architekten und Gebäudetechnikern
wurden wichtige Erkenntnisse zur Enttechnisierung
erlangt und wegweisende Entwicklungen vorangetrieben.
Viele technische Komponenten, etwa zur smarten individuellen
Temperaturregelung, sind aufwendig zu steuern, verbrauchen
bei der Herstellung vermehrt Energie und erhöhen sowohl
die Baukosten als auch den Endenergiebedarf der Gebäude.
Damit stehen sie einem sinnvollen Klimaschutz entgegen. Die
Enttechnisierung von Gebäuden steht aber auch im Gegensatz
zum Smart-Home-Trend der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart.
Dass die Poolbeleuchtung angeht, wenn man sich mit
dem Auto dem Haus nähert, ist laut Sabine Erber zwar eine
nette Sache, aber keine Notwendigkeit. Außerdem bringen
diese Technologien einen erheblichen Wartungs- und laufenden
Erneuerungsbedarf mit sich, der gerade in öffentlichen Gebäuden
enormen Aufwand und hohe Kosten bedeutet. Konstruktive
Materialien sind hingegen sehr lange haltbar und demnach
die weitaus sinnvollere Investition. BO
INFO-BOX
Über die GD REGIO
Die Generaldirektion für Regionalpolitik und Stadtentwicklung
(GD REGIO) ist die Abteilung in der EU-Kommission für
regionale und lokale Entwicklung, als Teil der sogenannten
EU-Kohäsionspolitik. Ziel ist, dass alle Regionen in der EU
zusammenwachsen, damit eine Gemeinschaft entsteht, in der
die Menschen in allen Regionen und Städten ihr volles Potenzial
entfalten können. GD REGIO möchte dauerhafte Verbesserungen
in der Wirtschaft sowie in der Lebensqualität für alle
Menschen erreichen, egal wo sie leben. Die Leitung von GD
REGIO liegt in den Händen von Elisa Ferreira, Kommissarin für
Kohäsion und Reformen.
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