COVERTHEMA
DEZEMBER 2021 | NEW BUSINESS 21
ren, müsse man sich im Prozessmanagement
auch die vor- und nachgelagerten
Prozesse gut anschauen, erläuterte Hermann
Obermair, Senior Vice President
und Division Manager Automation beim
Anlagenspezialisten Andritz: „Wir
schauen uns alle Produktionsprozesse
von der Beschaffung bis hin zur Fertigung
ganz genau an. Nur durch genaues
Monitoring kann ich Standzeiten,
beispielsweise aufgrund von Überbelastung
eines Teiles, vorhersehen und minimieren.
Diese Stillstände in der Produktion
werden beim Risikomanagement
leider noch häu g vergessen.“
Neue Risiken können Rückkehr zu
lokalen Anbietern begünstigen
Der – partielle – Ausfall von Supply
Chains und die damit verbundenen Lieferschwierigkeiten
beschäftigen gerade
die fertigende Industrie sehr. Mader:
„Die Engpässe durch geschlossene Häfen
in China stellen die Firmen vor die
Aufgabe, ihre Sourcing-Strategien zu
überdenken. Fällt uns die Abhängigkeit
von Fernost jetzt auf den Kopf und wäre
eine teilweise Rückkehr zu lokalen
bzw. europäischen Lieferanten vielleicht
doch die bessere Strategie?“
Auch in der Versicherungsbranche merkt
man, dass die Statistiken der letzten Jahrzehnte
nicht mehr zukunftsfähig sind.
Peter Hö nger, Vorstandsmitglied der
Vienna Insurance Group, bestätigte, dass
es künftig wichtig ist, die Zusammenhänge
zwischen Katastrophen zu erkennen
und den Unternehmen entsprechende
Pakete anzubieten: „Wir fragen uns,
ob die Ereignisse der letzten beiden Jahre
etwas sind, was wir nicht modelliert
haben. Mit den Betriebsunterbrechungen
durch Lieferschwierigkeiten, die zum
Beispiel durch eine Pandemie entstehen,
aber auch durch Flash oods oder Tornados
in unseren Breitengraden, sind Risiken
entstanden, die wir davor nicht auf
den Listen hatten. Es wird immer schwieriger,
Risiken vorherzusehen. Firmen, die
eigentlich auf gutem Boden gebaut werden,
sind plötzlich von Starkregen zerstört.
Der Klimawandel ist mehr als real
und bereitet allen Industrien und Branchen
mehr und mehr Kopfzerbrechen.“
Risikofaktor Mensch
Das Excellence Institut stellt in einer
aktuellen Studie fest, dass die Lockdowns
der vergangenen Monate die
Gehirnchemie der Probanden verändert
haben. Die Gesundheit der Menschen
habe demnach durch die soziale Isolation
wirklich gelitten. Demnach steigen
die Fälle von Burnout und Depressionen
immens – ein Faktor, der sich wieder auf
den Betrieb negativ auswirken kann.
„Wir sehen, dass bei den Unternehmen
große Ratlosigkeit hinsichtlich hybrider
Arbeitsformen herrscht. Durch Homeof
ce leidet der soziale Zusammenhalt
im Team und das wirkt sich wiederum
negativ auf die Kundenbindung und
-gewinnung aus“, erklärte Isabella Mader.
„Zwei bis drei fixe Bürotage pro
Woche, an denen das Team gemeinsam
im Of ce ist, wären optimal für das Zugehörigkeitsgefühl
und eine gute Maßnahme
gegen Vereinsamung im Homeof
ce.“
Ein nicht einschätzbares Risiko sei aber
auch die Verlässlichkeit der Belegschaft,
so Obermair: „Wir müssen immer wieder
erkennen, dass vorgeschriebene
Wartungen an Maschinen einfach nicht
gemacht werden. Das hat dazu geführt,
dass wir die Techniker mit Tablets und
Handys ausgestattet haben und jeder
Arbeitsschritt dokumentiert werden
muss.“ Es sei außerdem von großer Relevanz,
genau zu wissen, welche Arbeitsschritte
von externen Technikern an
welchen Maschinen durchgeführt werden,
denn hier be nde sich das größte
Risiko für die Cybersecurity.
„IT-Käseglocke“ funktioniert nicht
„Das Problem bei der ganzen Cybersecurity
Debatte ist, dass sich alle auf
IT-Security konzentrieren und nicht auf
die OT-Security. Wenn ein IT-Techniker
sagt, das Unternehmen sei durch Firewall
usw. wie unter einer Käseglocke geschützt,
glauben Sie das bloß nicht“,
mahnte Hermann Obermair. „Jedes Update
einzelner Steuerungssoftware muss
überprüft werden. Denn via VPN-Tunnel
kann ein Cyberangreifer meist unerkannt
einfach in die Fertigungshalle
spazieren und großen Schaden anrichten.“
So könne es passieren, dass plötzlich
Maschinen miteinander kommunizieren,
die das vorher noch nicht taten.
„Wenn Sie über Cybersecurity in der
Produktion nachdenken, schauen sie
sich jedes kleinste Teil der Produktion
Fotos: Melzer PR
V. l.: Helmut Obermair, Senior Vice President und Division Manager Automation bei Andritz,
Gerald Netal, Head of Corporate Business bei der Vienna Insurance Group, Isabella Mader,
CEO des Excellence Institutes und Executive Advisor des Global Peter Drucker Forums, und
Peter Höfi nger, Vorstandsmitglied der Vienna Insurance Group