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A uch wenn zahlreiche Schäfchen zur Herde
16 NEW BUSINESS | OKTOBER 2021
zurückgekehrt sind, viele Räumlichkeiten
heimischer Büros sind nach wie vor un- oder
unterbesetzt. Und diese Situation bringt
immer mehr Entscheidungsträger allmählich ins Grübeln.
Die Konsequenz: Eine Million Quadratmeter Büro
zu viel. Eine Prognose, die vielleicht bestätigt, was
viele Gestalter moderner Arbeitswelten bereits seit einigen
Jahren predigen.
Die Zahl basiert auf einer Studie der Gnesda Real Estate
& Consulting GmbH (teamgnesda) unter großen
Büronutzern in Wien, die nach ihren Plänen zum postpandemischen
Arbeitsverhalten und Flächenbedarf
befragt wurden. Die Berechnung ergab eine Flächenreduktion
in Wien von 500.000 m2. Da die Bundeshauptstadt
über ungefähr die Hälfte des heimischen Büroimmobilienmarktes
verfügt, hat man auf eine Million
für ganz Österreich hochgerechnet. Es mag zwar nur
eine Einschätzung sein, doch die Wahrscheinlichkeit,
dass sie die Situation korrekt abbildet, ist relativ hoch.
Paradoxe Marktsituation: Wir brauchen weniger alte
Fläche, dafür umso mehr neue
Man möchte meinen, dass mit dem vorherrschenden
Plan zur räumlichen Verkleinerung auch mehr Büro äche
einhergeht. Doch nur für die wenigsten Unternehmen
kommt eine Teilung oder Untervermietung infrage.
Tatsächlich hat dieser Trend eine paradoxe Marktsituation
hervorgerufen. „Wenn die vertragliche Möglichkeit
besteht, ist es für ein Unternehmen weitaus einfacher,
eine neue, kleinere Büro äche anzumieten, als die bestehende
Fläche zu verkleinern“, erklärt teamgnesda-CEO
Andreas Gnesda. Dies ist für den Büro immobilien-
Experten nicht nur organisatorisch und wirtschaftlich,
sondern auch psychologisch erklärbar. „Das eine ist ein
Schritt nach vorne, man schafft sich etwas Neues. Eine
Reduktion bzw. die Aufgabe von Flächen fühlt sich nach
Rückschritt an.“ Gnesda sieht in den frei werdenden
Büro ächen generell wenig brauchbare Alternativen.
„Dabei wird es sich in der Regel um in die Jahre gekommene
Gebäude in B- und C-Lagen handeln,
die nach heutigem Standard wenig
bürotauglich sind. Die Nachfrage nach
neuen Immobilien wird hingegen weiter
steigen, die der Markt aktuell nicht sättigen
kann. Das heißt, es wird neu gebaut
und umgenutzt werden müssen – ein
langer Prozess.“
Das Homeoffi ce hat und behält seine
Berechtigung
Der zukünftige Flächenbedarf eines Unternehmens
setzt die Beantwortung einer
essenziellen Frage voraus: Wie viel Zeit
werden wir in Zukunft tatsächlich im
Büro verbringen werden? „Dazu haben
wir in den letzten Monaten sehr viele
Umfragen in Unternehmen durchgeführt
und zahlreiche Studien gelesen“, erklärt
Andreas Gnesda. Die Erkenntnis: „Eine
große Mehrheit der Mitarbeiter will die
Freiheit haben, auch nach Corona zwei
bis drei Tage in der Woche im Remote-
Modus zu arbeiten. Führungskräfte
wünschen sich ein bis zwei Tage ohne
physischer Anwesenheitsp icht. Daher schätzen wir,
dass sich die Remote-Zeit bei 1,5 bis zwei Tagen pro
Woche einpendeln wird.“
Dass das Homeof ce gekommen ist, um zu bleiben, hat
vielerlei Gründe. Abgesehen vom konzentrierteren
Arbeiten im häuslichen Umfeld und der freieren Tagesgestaltung,
steht der Wegfall der Transferzeit zum
Dienstort auf der Beliebtheitsskala ganz weit oben. Auch
dafür hat Andreas Gnesda überzeugende Zahlen parat:
„Bei einer großen Verwaltungsorganisation mit über
6.000 Mitarbeitern haben wir pro Tag 4.500 PKW-Bewegungen
gezählt. Wenn diese Mitarbeiter nur einen Tag
in der Woche im Homeof ce arbeiten, ersparen sie sich
280.000 Stunden Wegzeit im Jahr. Umgerechnet sind
das 160 Mannjahre Arbeitskraft. Ganz zu schweigen
von den Auswirkungen auf die Umwelt. Ein einziger
Homeof ce-Tag würde auf Basis dieser Beispielrechnung
2.100 Tonnen CO2 einsparen.“
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In einigen
Räumlichkeiten
heimischer
Bürogebäude
bleiben nach
wie vor die
Lichter aus.