COVERTHEMA
Innovationsmanagerin Annabell Pehlivan hat bereits viele Unternehmen
durch Krisen begleitet. Ihre Erfahrung: Verpasste Chancen
sind manchmal schmerzhafter als gescheiterte Versuche.
„Wer rastet, der rostet.“
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20 NEW BUSINESS | MAI 2021
Fotos: Patrick Säly (1), Niklas Schnaubelt (2)
F rau Pehlivan, wie sagt man so schön: Not
macht erfi nderisch. Würden Sie dies aus
aktuellem Anlass bestätigen?
Ja, das gelingt zumindest einigen Unternehmen
– frei nach dem Motto: „Hunger ist der beste
Koch!“ In zahlreichen Gesprächen, die ich im Rahmen
des Buchprojekts: „Lernen aus der Krise“ führen durfte,
habe ich von intuitiven Entscheidungen gehört. Wenn
also „altbewährte“ Lösungen plötzlich nicht mehr funktionieren
und man nicht auf einen Erfahrungsschatz
zurückgreifen kann – genau dort beginnt Kreativität
und es entsteht ein Raum für echte Innovation! Es war
sehr erfreulich zu sehen, wie rasch und unkompliziert
es einige Unternehmen geschafft haben, neue Produkte
und sogar Geschäftsmodelle zu entwickeln und rasend
schnell auf geänderte Bedürfnisse am Markt zu reagieren.
Das hat mich fasziniert.
Was waren Ihre ersten Gedanken und Gefühle, als
der erste Lockdown im März 2020 von der Bundesregierung
verkündet wurde?
Mein erster Gedanken war, dass die Infizierten den
Virus bestmöglich überstehen und das Gesundheitspersonal
nicht überlastet wird. Außerdem hoffte ich,
dass die Mehrzahl der Betriebe der Intensität dieser
Krise standhalten können. Da ich schon einige Jahre
speziell Unternehmen in der Krise und im Insolvenzumfeld
begleite, weiß ich, wie schnell geänderte Marktbedingungen
einzelne Unternehmen oder eine ganze
Branche in Schie age versetzen können und wie wichtig
dann rasches Handeln ist.
Und Ihre erste Reaktion?
Als eine meiner ersten Handlungen wurde ich zu einem
Unternehmen in einer extremen Krisensituation gerufen.
Von einem Tag auf den anderen hatten die rund
500 Angestellten in der Produktion keine Aufträge mehr.
Dort galt es dann, sehr rasch neue Geschäftsmodelle,
basierend auf den Kernkompetenzen, zu erarbeiten und
schnell Auslastung für die Mitarbeiter mit neuen Produkten
zu schaffen.
Welche Lehren haben Sie persönlich aus der Krise
gezogen und inwiefern haben diese Ihr Leben und
Ihre Arbeit verändert?
Die Wichtigkeit meines Berufs der Innovationsmanagerin
ist mir eindrücklich vor Augen geführt worden.
Ein schnelles, unkompliziertes Handeln und die Fähigkeit,
in einer Krise Motivation und Hoffnung zu geben,
sind in einer Sondersituation unabdingbar. Mir wurde
zudem bewusst, dass manchmal das Verpassen von
Chancen schmerzhafter ist als gescheiterte Versuche.
Würden Sie sagen, dass Sie im Laufe des vergangenen
Jahres krisenresistenter geworden sind?
Ich denke, dass es mir vergleichsweise leichtfällt, mit
Unsicherheit umzugehen. Innovative Produkte zu entwickeln,
neue Märkte zu erobern, gepaart mit hohem
Budget- und Erfolgsdruck, sind das tägliche Brot im
Innovationsmanagement.
Innovationsmanagerin Annabell Pehlivan hat zahlreiche Unternehmen bei Innovationsprozessen
begleitet. Ganz aktuell hat sie das Start-up „Turnaround-Innovation“
gegründet, das Unternehmen mit frischen Ideen und Geschäftsmodellen unterstützt.