COACHING-ZONE
Es ist erstaunlich, wie gut es der Menschheit „gelingt“,
sich über Erkenntnisse der Wissenschaft, des „Hausverstands“
und persönliche Erfahrungen hinwegzusetzen.
S chon lange zählt es zum gesicherten Wissensstand
50 NEW BUSINESS | MAI 2021
der Wirkungsforschung, dass
der Effekt einer Botschaft auf drei Kanälen
entsteht: Den Worten, der Stimme und der
Körpersprache. Und – wenig überraschend: Der Ein uss
der Worte auf die kommunikative Gesamtwirkung
beschränkt sich auf bescheidene 10 Prozent. Die Stimme
trägt immerhin schon 30 Prozent bei („Stimme macht
Stimmung“). Und die Anwesenheit in 3D mit den Chancen
auf körpersprachliche Effekte macht stolze 60 Prozent
der gesamten kommunikativen Wirkung aus.
Das heißt: Mit E-Mails, die ja üblicherweise wesentlich
aus Worten bestehen (plus allenfalls
aus Emojis, wie man jüngst erfahren
konnte), schaffe ich grade
einmal eine Wirkungschance
von 10 Prozent. Und doch
wundern sich viele, dass sie
auf diesem Kanal so wenig
bewirken. Oder auch zu
viel. Denn die Wahrscheinlichkeit,
auf dieser Ebene
einen handfesten Kon ikt
zu entzünden, ist wegen der
hohen Wahrscheinlichkeit
eines Missverständnisses außerordentlich hoch.
Dazu noch ein paar weitere Blitzlichter.
Vor einigen Jahren haben durchaus pro table Unternehmen
eine Meeting-Kernzeit de niert. Meetings
zwischen 10 und 16 Uhr. Davor/danach keine, damit
auch mal das erledigt werden kann, wovon in den
Meetings geredet wurde. Diese pro tablen Unternehmen
blieben pro tabel. Der Change hat funktioniert,
hat sich aber nicht durchgesetzt.
Plus: Die „Aussicht“ auf Fehler durch Verschiebung
essenzieller Arbeit in die Abendstunden (wo dann
wenigstens kein Telefon mehr läutet und keine Mails
mehr kommen) ist bei 75 Prozent der Menschen in unseren
Breiten sehr wahrscheinlich. Diese Fehler kosten
dann Mühe im Korrigieren oder Geld, wenn sie nicht
rechtzeitig bemerkt werden. (Aus der Forschung der
Arbeitsmedizin. Wie es den zuständigen Entscheidern
gelungen ist, diese Erkenntnisse bei der Einführung
der 60-Stunden-Woche zu ignorieren, bleibt offen.)
Im Silicon Valley haben einige große Unternehmen
beschlossen, an einem Halbtag pro Woche keine
Mails zu lesen und keine zu schreiben.
Die Produktivität dieser Unternehmen
ist bis zu 75 Prozent gestiegen.
Der Change hat funktioniert,
hat sich aber nicht
durchgesetzt.
Es ist ja durchaus faszinierend,
wie es die Menschheit
schaffen konnte, ohne
E-Mail über Jahrtausende
auch nur einen logischen Gedanken
zu spinnen und ohne
Computer bauliche Wunderwerke
der Geometrie und der Statik in die Höhe zu
ziehen. (Der Raketentrip zum Mond erfolgte mit einem
Rechner auf dem Level eines Commodore 64…)
Nun gibt es ein neues Wort nach den epidemisch
ausgebreiteten Video-Konferenzen in der Pandemie:
Zoom-Fatigue. Die Erschöpfung nach den Dauer-
Video-Calls. Experten raten, 1 Tag pro Woche ohne
Video-Calls zu verbringen.
Würde sicher funktionieren ...
www.drsonnberger.com
Lernen fürs Leben?
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: „Tool Box – das beinahe ultimative Universal-Handbuch für Führungskräfte“.
Foto: Simon Klein • Illustration: Designed by stories/Freepik