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2021 IT- & DIGITALISIERUNGS-GUIDE 63
Erkenntnis, dass es heute nicht um Digitalisierung
geht. Ich habe nachgedacht, was Digitalisierung
wirklich ist, und habe mit sehr vielen
Menschen darüber gesprochen, aber niemand
konnte mir das wirklich erklären. Dazu gibt es
sehr viele Meinungen. Ich bin zu dem Schluss
gekommen, dass es gar nicht um die Digitalisierung
geht, weil die Digitalisierung eine Konstante
ist. Das ist nichts Besonderes. Die ganze
Welt digitalisiert. Der Mensch hat sich eine
digitalisierte Umwelt geschaffen, und diese
Umwelt wirkt jetzt auf uns ein. Wir müssen
lernen, mit dieser digitalisierten Umwelt umzugehen.
Der Mensch muss sich transformieren,
um diese Technologien besser anzuwenden. Es
geht also nicht um die Digitalisierung, sondern
um eine Transformation, um den digitalen
Wandel. Digitalisierung ist nur ein Hilfsmittel
dafür.
TRANSFORMIERT WERDEN MÜSSEN NICHT
TECHNOLOGIEN, SONDERN MENSCHEN?
So ist es. Um konkreter zu werden: Weil diese
digitalisierte Umwelt vom menschlichen Gehirn
nicht mehr verarbeitet werden kann, weil sie so
komplex ist, brauchen wir digitalisierte Unterstützung
durch künstliche Intelligenz. So wie
früher bei der Automatisierung in der Produktion
– wie in der Automobilindustrie – Technologie
alles effizienter gemacht hat, benötigt die
Digitalisierung unbedingt KI, denn sie macht
Technologie wieder menschlicher. Ich werde
also zum Beispiel in Zukunft in natürlicher
Sprache mit einem Computer sprechen können,
und er wird mich verstehen und die Technologie
für mich nutzbar machen. Mein Personal
Bot wird einen Termin mit Ihrem Personal Bot
ausmachen. Diese Bots kennen uns aufgrund
unseres Nutzungsverhaltens und werden den
idealen Termin für uns finden, ohne dass wir
miteinander sprechen müssen. Das wird die
nächste Ära. Wir dürfen uns den Möglichkeiten,
die uns Bots und KIs bieten, nicht verweigern.
Es geht darum, dass der Mensch versteht,
dass ihm das einen Mehrwert bietet und er keine
Angst davor haben muss. Denn dann wird er
diesen Wandel mitvollziehen. Derzeit haben wir
so viel Digitalisierung, dass viele Menschen es
nicht mehr verstehen. Wenn der Mensch etwas
nicht mehr versteht, hat er Angst.
MANCHE DIESER ÄNGSTE SIND ABER
NACHVOLLZIEHBAR, FINDEN SIE NICHT?
Ich persönlich habe keine Angst vor Technologie
wie künstlicher Intelligenz, aber ich habe
sehr große Angst davor, dass böse Menschen
diese Technologien nicht im Sinne der Menschheit
verwenden. Ich habe Angst davor, dass
unsere Demokratie es nicht rechtzeitig schafft,
Gesetze zu erarbeiten, die dafür sorgen, dass
wichtige Entscheidungen nicht von einer KI,
sondern von Menschen getroffen werden sollten.
Wir müssen daran arbeiten, dass diese
Maschinen ethisch-moralisch „richtige“ Daten
bekommen, um auch ethisch-moralisch „richtige“
Vorhersagen machen zu können, die dann
von Menschen freigegeben werden und erst
dann zu einer Aktion führen.
Ich habe also keine Angst vor Technologie, aber
wir müssen die Ängste der Gesellschaft ernst
nehmen und aufklären. In meinen Keynotes bin
ich der Aufklärer. Ich nutze dafür positive Beispiele,
wie etwa die Inklusion der Menschen am
Arbeitsplatz der Zukunft. Dort können sich
beispielsweise hörbeeinträchtigte Menschen
sehr wohl Videos ansehen oder an einer Videokonferenz
teilnehmen, weil eine KI in Echtzeit
Untertitel generiert. Gleichzeitig wird das
Gesprochene automatisch in mehrere Sprachen
übersetzt, in Wort und Schrift. Teilweise funktioniert
das schon heute. Technologie wird uns
sehr stark unterstützen. Wir müssen dafür sorgen,
dass die Gesellschaft keine Angst davor hat.
Dafür müssen wir auch politisch agieren und
demokratische Prozesse schaffen, die effizienter
und schneller sind.