
COACHING-ZONE
Termine, Kunden, Lieferanten, Mitarbeitende, Freunde,
Verwandte: Alle wollen was. Alle gleichzeitig.
Von in der Früh bis zum Abend. Twenty-four-seven.
Leadership unter erschwerten Bedingungen.
F ühren heißt anführen. Nicht durchführen.
Führen heißt, andere zu einem Platz zu
bringen, wo sie noch nie vorher gewesen
sind. Führen heißt, raus aus dem Maschinenraum
und rauf auf die Kapitänsbrücke, um den
Horizont nach Zielen abzusuchen. Führen heißt Makro-
und nicht Mikro-Management. Führen heißt, das Richtige
tun, und nicht, alles richtig machen. Führen heißt,
Prioritäten setzen, Souveränität
praktizieren und Gelassenheit
walten lassen. Führen
heißt, Instanz zu sein und
nicht Verwalter des Kleingedruckten.
Der Realitäts-Check
Ja. Und dann kommt der Alltag.
Und das Kleingedruckte.
Und der Stress. Und der
eigene kleine Mann/die eigene
kleine Frau im Ohr, die
ständig üstert: Du musst es
selbst machen, denn sonst ist
es nicht richtig. Du musst sagen,
wie Du es haben willst,
nicht was Du bekommen
möchtest. Du musst ständig
zehn Teller auf zehn Stäbchen am Rotieren halten – so
wie damals im Zirkus, als die Kinder laut geschrien haben,
als der Artist in der Manege am Rotieren war und
ständig einer der Teller so am Eiern, dass er beinahe
heruntergefallen war. Denn Dein Ego ist basisnervös,
so wie ein Tinnitus, der immer leicht am Piepsen ist,
und Deine einzige Sorge ist, dass der Tinnitus einmal
so laut ist, dass ihn die Leute, die in der Straßenbahn
90 NEW BUSINESS | NOVEMBER 2021
neben Dir sitzen, vielleicht sogar hören. Weil Dein Ego
möchte schließlich den Erfolg für sich alleine haben.
Den teilst Du zwar dann großzügig auf Gutsherren-/
Gutsdamenart, da lässt Du Dich nicht lumpen, aber:
Du warst es doch, der den Laden wieder einmal vor
dem Untergang gerettet hat und die anderen sollen
doch – bitte! – froh sein, dass sie Dir zuarbeiten durften
und ihr durchaus gepolstertes Auskommen Dir
verdanken. Dir! Wem denn
sonst? Da sollten doch alle
jeden Tag dran denken und
brav machen, was Dir Deine
Hektik ein üstert. Und die
paar leeren Kilometer und
sinnlosen Umwege erhöhen
doch nur die Ortskenntnisse.
Wer weiß, wofür das
Robben durch das Unterholz
einmal gut sein wird, die
Zeiten werden schließlich
nicht besser. Was wissen die
denn alle, was sich in der
Welt gerade abspielt und in
welcher Komfortzone sie es
sich gerade wohl sein lassen?
Ja, so geht’s einem, wenn
man Führungskraft ist.
Schließlich läuft der Laden doch. Was heißt „läuft“! Er
sprintet geradezu! Was poppt da grade schon wieder
am Handy auf? Ah ja, schon wieder diese Terminerinnerung.
Der Internist möchte schon seit drei Wochen
den Befund besprechen. Stimmt eh. Das Magendrücken
beim Einschlafen ist schon verdammt lästig.
Nächste Woche dann. Ganz sicher.
www.drsonnberger.com
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: „Tool Box – das beinahe ultimative Universal-Handbuch für Führungskräfte“.
Foto: Simon Klein • Illustration: makyzz/Freepik